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Zweites "TV Lab" bei ZDFneo: so frech, so tabulos, so entbehrlich

Zum Werkzeugkasten eines jeden Fernsehkritikers gehört die Innovationsverhinderungskeule. Die liegt immer griffbereit neben dem Hektisches-Umprogrammieren-Dreizack und dem Ideenkopierschwert und ist schon relativ abgegriffen, weil einem die deutschen Sender mit ihrer Einfallslosigkeit den Einsatz so leicht machen: Anstatt sich neue Konzepte auszudenken, fluten die meisten ihr Programm mit Sendungen, die schon im Ausland erprobt sind oder als Minimalvariation bekannter Formate konzipiert sind.

Insofern hatte ZDFneo zumindest die Kritiker schon mal auf seiner Seite, als dort im vergangenen Jahr das „TV Lab“ startete: eine Fernsehversuchsküche, bei der Programmmacher Ideen einreichen können, die sonst nicht mainstreamig genug sind, um es auf den Bildschirm schaffen. Und bei denen die Zuschauer auswählen können, was fortgesetzt wird (siehe Fernsehblog).

Wahrscheinlich haben Sie’s nicht bemerkt, aber: Am Wochenende ging die zweite Runde zu Ende. Und nach Ansicht der diesjährigen Bewerber hält sich meine Euphorie arg in Grenzen.

Die von ZDFneo aber offensichtlich auch.

Sein zweites „TV Lab“ hat der Sender von Anfang an aufs Wesentliche eingedampft. Anders als im vergangenen Jahr gab’s keine Interviews mit den Machern mehr, und statt mitteleuphorischen Anmoderationen von Joko und Klaas stand deren Kollegin Palina Rojinski in einer leeren Fabrikhalle, um die Wettbewerbsbeiträge mit ein paar flapsigen Bemerkungen anzuteasern. Die Entscheidungsshow, in der Rojinski völlig übertraubenzuckert in einem leeren Kulissenteil von „neoParadise“ rumhibbelte und sichtlich Mühe hatte, die Viertelstunde rumzukriegen, nach der sie mit dem Mikro am Iphone dem Sieger gratulieren konnte, strahlte ZDFneo zur besten Sendezeit (für Zweitklässler) am Samstagnachmittag erst gar nicht im Programm aus, sondern nur im Internet (in der ZDF-Mediathek ansehen). Am Sonntagabend lief der „Countdown“ dann doch noch im Fernsehen – um 23.15 Uhr. Und ohne dass sich jemand die Mühe gemacht hätte, am Rand einzublenden, dass es sich um eine Wiederholung handelt, bei der nicht mehr angerufen werden kann. Die Pressemitteilung mit dem Programmhinweis für Sonntagabend trudelte in den Redaktionen am Montagmorgen ein.

Diese Ist-uns-doch-egal-Haltung passte immerhin ganz gut zur traurigen Kreativausbeute, die in den Tagen zuvor ins Rennen geschickt worden war (Sendungen in der ZDF-Mediathek ansehen). Zum Angebot gehörten: ein Sex-Magazin, das in einer Kreuzburger Frittenbude aufgezeichnet wurde, deshalb ganz keck „Heiß und fettig“ heißen durfte und bei der die Kameraleute vor allem damit beschäftigt waren, sich gegenseitig selbst im Bild zu haben, was vor zehn Jahren sicher ziemlich angesagt gewesen wäre.

Bei „Kampfansage“ verschenkte Radiomoderator Simon Beeck Käsebrote als Siegertrophäen an Leute, die sich in ihrem Wohnzimmer um die Wette geschminkt hatten, über einen Holzplankenparcours um die Wette geradelt waren oder den kleinsten Flashmob der Welt zustande brachten.

Ein Haufen Profiköche war, als harte „Beef Brothers“-Kerle verkleidet, angetreten, sich während der Wildtierhäutung und dem Leberkochen über offenem Feuer in der kanadischen Wildnis gegenseitig zu beleidigen.

„Wahr oder was“ und „Sieh’s mal wie ein Promi“ bewiesen eindrucksvoll, dass Ideen, die als Einspielfilme in größeren Shows ganz gut funktionieren könnten, nicht dafür geeignet sind, auf eine halbe Stunde ausgewalzt zu werden.

Und Jörg Thadeusz führte ein eigentlich interessantes Gespräch mit einem verurteilten Geldfälscher, dem er aber in „Der Protagonist“ nicht direkt gegenübersitzen durfte, sondern nur per Monitor zugeschaltet war, was sich als genauso überflüssig erwies wie die ständigen Schnitte, die es dem Zuschauer unmöglich machten, ein Gespür für den Gesprächsverlauf zu entwickeln.

Am Ende hat die Zeichentrickserie „Deutsches Fleisch“ gewonnen, eine Aneinanderreihung schlechter Einzelwitze und halbgarer Promiparodien. Und zwar mit 6051 Zuschauerstimmen.

Dass das „TV Lab“ kein Zuschauermagnet sein würde, hat man sich in Mainz vermutlich vorher gedacht – aber dieses Ergebnis ist dann doch enttäuschend. Genauso wie die diesjährigen Bewerbungen, von denen die meisten so superironisch, kameraverwackelt, unkonventionell und tabulos sein wollten, dass die Teams ganz vergessen haben, ihren Zuschauern zu erklären, warum man sich irgendwas davon ein zweites Mal anschauen sollte. Wenn das die Innovationen sind, mit denen ZDFneo glaubt, Programm machen zu können, dann können sich die Privatsender entspannt zurücklehnen. Damit lockt ihnen nämlich so schnell keiner die Zuschauer weg.

Screenshot: ZDFneo

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