Das Fernsehblog

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Von wegen sterbendes Medium: 225 Minuten sieht jeder von uns im Schnitt täglich fern. In diesem Blog stehen die Gründe dafür. Und die dagegen.

Als Schöpfer hat man auch mal einen schlechten Tag: ZDFkultur zeigt "Götter wie wir"

| 3 Lesermeinungen

Mit soviel Liebe zum Detail hat sich das Christentum bisher noch nie verunglimpfen lassen müssen. In der ZDFkultur-Religionssatire "Götter wie wir" erklären zwei ältere Damen namens Renate und Inge in Hessisch und Sächsisch, wie das damals wirklich war mit der Schöpfungsgeschichte. Und warum sie tatsächlich Gott sind.

Vielleicht ist es momentan zugleich der günstigste und der ungünstigste Zeitpunkt, um eine Religionssatire im Fernsehen zu starten. Der günstigste, weil einem maximale Aufmerksamkeit gewiss ist. Und der ungünstigste, weil man nie sicher sein kann, ob nach der Ausstrahlung nicht ein paar sehr unvernünftige Typen den Sender abfackeln wollen. Insofern haben Carsten Strauch und Rainer Ewerrien natürlich die richtige Entscheidung getroffen, als sie sich die – zumindest in diesen Breitengraden – protestlethargischere Religion herausgesucht haben, um deren beste Geschichten durch den Humorfilter laufen zu lassen.

Massendemonstrationen oder Verbrennungsaktionen von ZDF-Werbematerialien sind vermutlich keine zu erwarten. Allenfalls zuckt mal kurz der Abmahnfinger vom Papstanwalt.

Aber wahrscheinlich hält sich der Ärger schon deswegen in Grenzen, weil das Christentum selten mit so viel Liebe zum Detail verunglimpft wurde wie in „Götter wie wir“. In den sechs Folgen, die ZDFkultur sonntags um 23 Uhr nach „Roche & Böhmermann“ (siehe Fernsehblog) zeigt, erklären zwei ältere Damen namens Renate und Inge:

„Wir sind Gott.“ – „Das klingt erstmal ein bissel komisch. Es ist aber so.“

Bild zu: Als Schöpfer hat man auch mal einen schlechten Tag: ZDFkultur zeigt "Götter wie wir"

Die beiden haben sich entschlossen, ihrer Schöpfung per Fernsehsendung zu eröffnen, wie das damals wirklich war (Trailer ansehen). Sie wissen schon: Welt erfunden, Adam und Eva, der ganze Ärger mit dem Paradies. „Brauchen wir denn überhaupt einen Homo Sapiens“, hat Inge ihre Kollegin im Knetlabor vorher noch gefragt, „man liest ja so einiges!“ Und die erwiderte mit aufgerissenen Augen: „Also, ohne Homo Sapiens braucht man sich heute gar nicht mehr erst blicken lassen!“ – „Aber er macht halt auch viel Dreck.“

Ausgedacht wurde diese in ihren Kausalzusammenhängen leicht optimierte Schöpfungsgeschichte in der Sonderredaktion Quantum des Kleinen Fernsehspiels. Und weil die dort arbeitenden Menschen für ihre Kreativität sicher in Naturalien bezahlt werden, da das stets klamme ZDF kaum finanzielle Mittel zur Verfügung hat, spielen die Autoren Strauch und Ewerrien ihre Renate und ihre Inge einfach selbst.

Das war eine gute Entscheidung. Schon weil ihnen die Perücken und die Kaffeekränzchenuniformen so hervorragend stehen, dass man sich als Zuschauer nur ganz schwer umgewöhnt, wenn sie plötzlich auch noch in anderen Rollen auftauchen: als Jesus, Moses oder Judas. Es ist auch deshalb toll, weil sich Strauch als Renate, wenn die sich aufregt, fast an seinem hessischen Knatterdialekt verschluckt, Ewerrien als Inge währenddessen allerlei sächsische Floskeln in die Unterhaltung stanzt und die beiden sich immer wieder in die Haare kriegen: „Stell dir dich doch mal auf einem Kirchenfresko vor! Der Michelangelo, der wär ja direkt erblindet!“

Die ersten beiden 15-Minuten-Epiosden bleiben noch relativ nah am Material aus dem Grundkurs für Religionsumsteiger, ergänzt durch die Information, dass Renate und Inge eigentlich schon „völlig durchgeschöpft“ waren bevor sie den Menschen erfanden. Dazu wird der Mythos aufgeklärt, warum sich viele Menschen Gott als alten Mann mit weißem Bart vorstellen: weil Renates leicht seniler Vater Günther damals eingesprungen ist, um erstmal einen seriösen Eindruck auf die neue Population zu machen.

Danach verliert „Götter wie wir“ sich ein bisschen im Geschichtskuddelmuddel, allerdings immer mit hübschem Oberthema (Wie macht man als Gott eigentlich Marketing? Wäre das Ozonloch zu verhindern gewesen, wenn Renate weniger Drei-Götter-Taft benutzt hätte?)

Macht nichts. Es lohnt sich schon deshalb dranzubleiben, um sämtliche Gaststars zu entdecken (Christoph Maria Herbst, Dieter Moor, Michael Kessler, Oliver Welke) und die Digitalkulissen zu bewundern, die per Nachbearbeitung ins Bild gezaubert wurden: das Schöpfungslabor in den Wolken mit den durchsichtigen Tapeten; das wunderbar geteilte Meer; und natürlich Günthers erster weltlicher Auftritt als – Gott.

Auf jeden Fall gehört diese kleine Reihe zu den Fernsehhöhepunkten des Jahres. Weil sie Schöpfungsgeschichte und Bibel-Höhepunkte nicht, ähm, auf Teufel komm raus ins Lächerliche zieht, sondern sie stattdessen ganz sanft humoristisch umdeutet. Am Ende jeder Episode bleibt jedenfalls stets der sympathische Eindruck: So ein Schöpfer kann auch mal einen schlechten Tag haben. Und sich über seine Menschen ärgern. „Wir haben so lange rumgeschöpft an dieser Erde und jetzt sieht’s da schon wieder aus wie bei Hempels hinterm Sofa“, beschwert sich Inge einmal.

Vielleicht hilft ja die Direktkommunikation mit den Verursachern, um das abzustellen. Es müssen nur noch ein paar Leute mehr auf ihrer Fernbedienung ZDFkultur finden.

„Götter wie wir“ läuft sonntags um 23 Uhr bei ZDFkultur (und natürlich in der Mediathek).

Screenshot: ZDFkultur

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3 Lesermeinungen

  1. nona sagt:

    Ach Gottchen....
    Ach Gottchen.

  2. Michael S. sagt:

    Klasse, vielen Dank für den...
    Klasse, vielen Dank für den Tipp, leider wieder ein Kleinod, das nicht den Weg in die breite Öffentlichkeit finden wird.
    Und ja…Eva kummt aus de Palz 🙂

  3. GENIAL. NICHT ZU FASSEN. TOLLE...
    GENIAL. NICHT ZU FASSEN. TOLLE RELIGION, DIESE „ABENDLÄNDISCHE“.- GEHT MIT ANDEREN NICHT. LEIDER!- HIER: JA!
    BIN SELBST GLÄUBIG UND GLÄUBISCH.

Kommentare sind deaktiviert.