Unter der Überschrift „Your Guide to Rich Russians in Cannes“ veröffentlichte eines der Branchenmagazine Bilder, Namen und Biographien von fünf rich russians, wo man sie treffen kann (überall) und was sie zu bieten haben (Geld). Ich habe auf den nicht sehr großen Bildern die beiden offensichtlich russischen mittelalten Männer nicht erkannt, die mir gestern Abend im Festivalpalast in Abendanzügen mit Samtschuhen entgegenkamen. Ich glaube dennoch, dass es rich russians waren. Denn erstens hatten sie drei Leibwächter dabei, die ihnen mit verkabelten Ohren den Rücken deckten, und zweitens zwei sicher zwei Meter große Frauen, die sehr dünn, mit sehr blonden, sehr langen Haaren in wertvollen Kleidern neben ihnen herstolzierten. So groß sind nur Russinnen. Und nur so große Russinnen machen sich mit dreißig Zentimeter hohen Absätzen noch größer, um ihre um Jahrzehnte älteren Männer zu überragen.
An der Geschichte mit den Russen an der Riviera und ihrem Geld ist nun gar nichts Neues, und in den Läden an der Croisette sprechen die Verkäufer eher russisch als englisch. Aber einer der rich russians, die in dem Magazin vorgstellt wurden, sollte auch in einem Film vorkommen. Nämlich in dem überaus amüsanten, klugen Film von James Toback, „Seduced und Abandonned“, von dem ich kürzlich schon erzählt habe. Er hat, so erzählt wiederum James Toback dem „Hollywood Reporter“, den Milliardär Len Blatvatnik auf der Männertoilette des Palasts getroffen und ihn gleich angehauen, ob er ihm sein Filmprojekt vorstellen könne. Tobacks Film, der letztes Jahr während des Festivals gedreht wurde, hat nämlich den roten Faden, dass Toback auf der Suche nach der Finanzierung für eine Neuverfilmung des „Letzten Tango von Paris“ einen möglichen Geldgeber nach dem anderen trifft. 95 Prozent des Filmemachens bestehen ja aus Geldbeschaffung. Blavatnik hat Toback auf dem Männerklo gleich für den nächsten Tag auf seine Yacht eingeladen, wo er offenbar mit Harvey Weinstein verabredet war. Aber am nächsten Tag sagte er wieder ab. So ist er nicht im Film und auch nicht gefragt worden, ob er zu den 15 Millionen, die das Projekt kosten sollte, ein paar Dollar beisteuern könne. Jetzt lese ich, Blavatnik hat etwa 16,8 Milliarden und lebt halb in New York, halb in London, und ist der Gründer und Aufsichsratsvorsitzende einer Firma, die sich in den Medien, Rohstoffen, Öl und Grundstücken engagiert. Vor zwei Jahren hat er Warner Musik für 3,3 Milliarden Dollar gekauft. Er sei immer mit seiner Frau unterwegs, steht da. Sie ist, soviel ist auf dem Foto deutlich erkennbar, nicht eine der Riesinnen, denen ich begegnet war.
Ich war auf dem Weg zum deutschen Empfang, als ich die Russen mit den Riesinnen traf. Früher musste man dazu zu einer Villa in den Hügeln fahren, es gab gutes Essen, und tanzen konnte man auch. Kulturstaatsminister Neumann hielt eine Rede. Inzwischen findet das Ganze direkt neben dem Festivalpalast am Strand statt, das ist praktisch und sehr schön, vor allem, wenn es nicht regnet. Zu essen gibt es nichts mehr. Tanzen kann man auch nicht mehr. Aber Kulturstaatsminister Neumann hält immer noch eine Rede. Ich musste vorher los.