Cannes leert sich. Noch bis Sonntag läuft das Festival, aber ein untrügliches Zeichen dafür, dass das Wichtigste gelaufen ist, sind die Branchenblätter, die täglich erscheinen. Erschienen. Am Donnerstag ist „Variety“ verschwunden, heute wird auch „Screen Daily“, das gestern schon sehr dünn war, vermutlich nicht mehr da sein. Mehr als eine Woche lange waren die Magazine täglich schwer von Anzeigen. Jetzt inseriert niemand mehr. Das Wichtigste ist vorbei. Jedenfalls was das Geschäft angeht. Jetzt erfahren wir nicht mehr, wie die letzten Filme auf der Kritiker-Punkteliste abschneiden, die dort täglich erscheint. Ein ziemlich unsinnges Verfahren, wenn die letzten Filme gar nicht mehr bewertet werden. Denn Filme, auch im Wettbewerb, gibt es noch. Die von James Gray, Jim Jarmusch, Roman Polanski laufen erst in diesen letzten Tagen.
Auch im Kino spürt man eine Veränderung. Wer sind diese Leute, die da plötzlich auftauchen? Sind es, wie ein Franzose erzählt, tatsächlich die Boutiquenbesitzer an den vornehmen Einkaufsstraßen, mit ihren feingemachten Töchtern und Söhnen, die jetzt die leeren Plätze füllen, weil sie Einladungen für diese letzten Tage bekommen? Werden Tickets verlost oder an Schulen verteilt oder wie erklären sich die Gruppen von Jugendlichen, die giggelnd jetzt in die Sitze sinken? Und nachts nach dem Kino waren auch erstmals die Straßen fast leer. Ein Wind war aufgekommen, sturmartig fast, aber er trug kaum einen Lärm von den Yachten oder den Strandbars auf die Promenade. Immerhin gab es noch einen großen Bahnhof für Jerry Lewis. Er ist siebenundachtzig, war mit einem neuen Film hier und hat immer noch diese Zähne, die mich zum Lachen bringen, bevor er loslegt.