Filmfestival

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Was sonst noch geschah: Notizen aus Cannes

Die unsichtbare Methode

Am Montag saß ich gegen Mittag eine halbe Stunde einem sehr begabten jungen Mann gegenüber: Dane DeHaan. Ein junger Schauspieler, der noch jünger aussieht, und der im richtigen Leben so schmächtig daherkommt, dass Tom Schilling neben ihm als Bodyguard durchgehen könnte. Dane DeHaan gab Interviews zu dem Film “Life” von Anton Corbijn, in dem er James Dean spielt. Es war eine dieser typischen Situationen bei einem internationalen Junkett: ein Hotelflur, gesenkte Stimmen, beständiges Kommen und Gehen, hinter den großen Türen jeweils ein “talent”. Ich war zu Dane DeHaan bestellt, andere wurden zum Regisseur vorgelassen, wieder andere waren vor allem an Robert Pattinson interessiert, der die Hauptrolle in “Life” spielt.

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Die Hauptrolle ist aber zugleich die Nebenrolle, denn es geht um einen jungen Fotografen, der kurz vor dem großen Durchbruch von James Dean mit “East of Eden” eine Reportage für das LIFE-Magazine macht. Dabei entstanden einige Bilder, die ins kollektive Gedächtnis des 20. Jahrhunderts eingegangen sind, und zu diesen erzählt Corbijn, selbst ein bedeutender Fotograf, eine Geschichte.

Dane DeHaan ist eine überzeugende Wahl für die Nebenrolle, die natürlich die Hauptrolle ist. Zuerst verblüfft einmal seine Stimme. Er hat nichts von diesem direkt aus dem Macho-Chakra kommenden Bass, mit dem so viele Kollegen sich Geltung verschaffen. Seine Stimme ist hoch, aber deswegen nicht ohne Autorität. Sie hat etwas von einer absoluten Souveränität, die aus Verletzbarkeit kommt. Aber jetzt kommen mir schon die Dinge durcheinander, ich beginne, den James Dean aus “Life” auf den jungen Schauspieler zu projizieren, dem ich gerade gegenüber sitze.

Wir sprechen aber auch genau darüber. Über die Methode, jenen Kult in den Schauspielschulen der fünfziger Jahre, und über die Möglichkeiten, die eigene Arbeit an der Rolle auch wieder unsichtbar werden zu lassen. Pattinson strengt sich nämlich ganz schön an mit seinem Spiel, DeHaan aber “ist” James Dean auf eine fast magische Weise. Ich spreche diesen Unterschied an, aber er ist natürlich zu höflich, um darauf einzugehen.

Ich bin fasziniert von seiner offensichtlichen Intelligenz. Sie äußert sich in den kleinen Parenthesen, die er dauernd einfließen lässt, er arbeitet sorgfältig daran, jede Antwort so spezifisch wie möglich zu machen. Nichts soll generalisierbar sein, schon gar nicht soll irgendetwas so klingen, als spräche er mit allgemeiner Lizenz eines Stars über das Business oder über das Kino. Und er ist auch dankbar für Fragen, die es ihm erlauben, genau zu sein.

Auf der Webseite der Berlinale kann man auch die Pressekonferenz anschauen, die es am Dienstag zu “Life” gab: Da sieht man DeHaan anders agieren, seine Stimme ist weniger an die Rolle angepasst, im übrigen schenken ihm die versammelten Journalisten keine übermäßige Aufmerksamkeit. Und sein Name ist immer noch nicht so vertraut, dass es nicht zu peinlichen Pannen kommen könnte: Dean DeHaan hat allerdings als Schreibfehler eine schöne Logik.

Mit den Stars kann die Berlinale es eigentlich aus Prinzip nicht richtig machen. Immer sind es entweder zu viele, oder zu wenige, oder nicht die richtigen. Deswegen fand ich diese halbe Stunde mit Dane DeHaan so aufschlussreich: ein Star ist jemand, der die Distanz zwischen sich und seiner Erscheinung bewirtschaftet. Das kann man klug tun, oder ironisch, oder eitel, oder alles zusammen (ich sage nur: James Franco). Dane DeHaan tut es auf einer sehr kluge Weise. Ich denke, er hat eine große Zukunft. Und er macht nicht den Eindruck, als müsste man sich um ihn Sorgen machen, wie das bei James Dean war.