Filmfestival

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Was sonst noch geschah: Notizen aus Cannes

Endlich geht es los!

Kann Catherine Deneuve ihn retten? Rod Paradot spielt die Hauptrolle in  "La tête haute".© Luc RouxKann Catherine Deneuve ihn retten? Rod Paradot spielt die Hauptrolle in “La tête haute”.

Wann geht es endlich los? Das ist die Stimmung, die über Cannes liegt, schon Tage, bevor das Festival beginnt, eine Spannung, die sich nicht zu steigern scheint, sondern wie im Auge des Orkans sich in den letzten Stunden vor der Eröffnung in vollkommene Ruhe verwandelt. Der rote Teppich liegt, das war gestern noch nicht so. Die Rolltreppen laufen. Die ersten Vorführungen im Markt und für die Presse sind über die Bühne gegangen, unfallfrei. Die Sonne scheint. Die Jury hat sich zum ersten Mal getroffen, auch mit der Presse, die Coen-Brothers waren witzig wie zu erwarten, und sagten etwas nicht Nettes zu den Kritikern, die vor ihnen saßen, was auch erwartbar war.

Die Schauspielerin Catherine Deneuve (l.) und die Regisseurin Emmanuelle Bercot nehmen Rod Paradot in ihre Mitte: Fototermin für "La tête haute".© AFPDie Schauspielerin Catherine Deneuve (l.) und die Regisseurin Emmanuelle Bercot nehmen Rod Paradot in ihre Mitte: Fototermin für “La tête haute”.

Und dann dies. Ein Eröffnungsfilm, in dem das gesamte französische Sozialsystem aufgeboten wird, um einen nahezu chancenlosen, mutterseelenverlassenen, wütenden Jungen über zehn Jahre hinweg immer wieder aus dem Schlamassel zu ziehen, nie den Glauben an ihn zu verlieren, bis er am Ende tatsächlich Verantwortung übernimmt, nicht nur für sich, auch für ein Kind. Da ist er siebzehn.

„La tete haute“ von Emmanuelle Bercot war einer der ungewöhnlicheren Eröffnungsfilme, trotz Catherine Deneuve als Jugendrichterin ohne jeden Glamour, gedreht mit wackelnder Handkamera und einer unerschütterlichen Sympathie für die Hauptfigur, die der bisher unbekannte Rod Paradot auf eine Weise spielte, die einen momenthaft den Rest vergessen ließ. Aber nach dieser Hommage an die Sozialarbeit und die trotz allem funktionierende Heilkraft rehabilatorischen Engagements hätten wir uns eigentlich in Jeans in einem etwas schmierigen Lokal in der Altstadt treffen müssen, statt in Abendgarderobe in die andere Richtung zum Gotha Club am Palm Beach kutschiert zu werden. Dorthin hatten die Kulturministerin Fleur Pellerin und Pierre Lescure, der neue Präsident des Festivals, zum späten Essen geladen. Bruno Oger war der Koch, aber vorher gab es noch ein Feuerwerk, sehr hübsch, obwohl der Wind so stark bließ, dass wir um das Boot fürchteten, von dem die Raketen abgeschossen wurden.

© lueFeuerwerk vor dem Essen

Das Ganze zog sich sehr lange hin. Was für ein Glück, dass Col Needham am selben Tisch saß! Needham – mit der ersten Begrüßung Col – ist der Gründer der Internet Movie Database, des Wikipedia sozusagen der Kinobranche, die er schon 1998 an Amazon verkauft hat, aber er ist immer noch der CEO dort, und er erklärt auch gleich warum: Schauen Sie sich um, ruft er, und umarmt den ganzen Raum, im dem auch Julianne Moore und die Coens und Frances McDormand gerade Hummer essen. Und dazu die ganzen Filme! Er schaut sich alle an, die er zu fassen kriegt, ein Begeisterter, wie ihn die Kunst und das Geschäft brauchen. Es spielt keine Rolle, dass die Filme noch nicht so waren, wie es in einer besseren Welt, einem besseren Jahr vielleicht hätte sein können. Es ist Donnerstag, sehr früher Morgen. Die Eröffnung ist vorbei. Erst jetzt liegt das Festival tatsächlich vor uns.