Filmfestival

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Was sonst noch geschah: Notizen aus Cannes

Wenn schon Jury, dann Isabella

Als Julianne Moore und Naomi Watts letztens abends in irgendwie haarigen Kleidern die Palasttreppen hochstiegen, kursierte gerade von Isabella Rossellini ebenfalls ein haariges Bild. Zufall. Sie trug ein Tierkostüm mit roten Zitzen auf dem Bauch und sechs Barthaaren, auf jeder Seite drei. Und schaute uns ziemlich bohrend an, während sie von ihrer Mutter erzählte.

Das ist Ingrid Bergman. Sie ist das Plakatmotiv in diesem Jahr, in dem sie hundert geworden wäre. Fast täglich kramt ein Magazin alte Fotos aus, wie Ingrid Bergman an der Cote d`Azur auftauchte, mit Hitchock an ihrer Seite oder Cary Grant. Sie hätte niemals ein Tierkostüm angelegt, wie es ihre Tochter seit ihren „Green Pornos“ regelmäßig tut. Sie hätte wahrscheinlich auch niemals „Porno“ gesagt. Auf dem Poster sieht Ingrid Bergman bieder aus, sympathisch, aber ein bisschen brav. Anders als ihre Tochter.

Mindestens einmal täglich sitze ich hinter ihr. Isabella Rossellini ist Präsidentin der Jury der Reihe Un Certain Regard, wir sehen dieselben Filme. Am ersten Abend hat sie mich sogar mit einem leichten Nicken begrüßt, wir haben mal ein langes Interview zusammen gemacht, in New York, in der Wohnung einer Freundin. Ein paar Jahre ist das her, ich erinnere mich daran deutlich besser als sie vermutlich. Heute nachmittag begrüßte sie in der Premiere des indischen Films „Chauthi Koot“ (The forth direction), dessen Team zahlreich angereist war, im Publikum eine Frau unter schwarzem Kopftuch mit einer Umarmung und einem Kuss und blieb einen Augenblick bei ihr stehen, bevor sie in die für die Jury reservierte Reihe weiterging. Als sie sich setzte, drehte sich noch einmal zu der Frau in Schwarz um und nickte ihr aufmunternd zu, als wolle sie sagen: Es kann nichts passieren, ich bin hier, der Film wird gut laufen, verlassen Sie sich auf mich.

Dabei hat sie als Jury-Präsidentin damit, ob ein Film gut oder nicht so gut läuft, gar nichts zu tun. Aber wenn man sich als Filmemacher schon einer Jury stellen muss, dann doch am besten einer, deren Präsidentin Isabella Rossellini ist. Die Frau war übrigens gar nicht die Regisseurin. „Chauthi Koot“ ist von Gurvinder Singh gedreht worden, einem blendend englisch sprechenden Sikh, der sich an die militanten Auseinandersetzungen der achtziger Jahre noch erinnern kann.

Es ging tatsächlich nichts schief. Die Leute klatschten, als der Film aus war. Anders ein paar Stunden später im Wettbewerb. Ohne Isabella im Saal wurde Gus van Sant lauthals ausgebuht.