
Es war ein leiser freundlicher Wettbewerb in Coolnees auf dem Podium, und gewonnen hat niemand, aber alle bleiben in bester Erinnerung. Ed Lachman etwa, der Kameramann, der „Carol“ gedreht hat, in Super 16mm, also auf Film, mit so sanften Bewegungen, als malte er die Leinwand aus. Er war als erster bei der Pressekonferenz, saß ganz allein auf dem Podium mit seinem schwarzen Filzhut auf dem Kopf, an dem man ihn überall erkennt, trank Espresso und freute sich offenbar über jede Ansprache, von denen die meisten vermutlich ein Kompliment, eine Ehrerbietung, eine innere Verneigung zum Inhalt hatten. Dann kamen die anderen, die Drehbuchautorin Phyllis Nagy, die einige Jahrzehnte um dieses Script gekämpft hatte, die Produzentinnen Elizabeth Karlsen und Christine Vachon und ihr Kollege Stephen Wooley, schließlich die beiden Hauptdarstellerinnen und ihr Regisseur. Das Jahr der Frauen? Hoffentlich! Und hoffentlich nicht nur dieses Jahr, sagte Cate Blanchett und lachte.
Spätestens am Ende der Pressekonferenz waren alle im Saal in sie verliebt. Sie war nicht nur unfassbar schön, schöner als im Film, trotz eines lächerlichen kurzen schwarzen Rüschenkleids. Sie war auch lustig, intelligent sowieso, und offenbar dazu aufgelegt, alle Fragen ernst zu nehmen und überlegt zu beantworten. Sie wickelte alle um den Finger, weil sie weder Platitüden von sich gab, was bei Pressekonferenzen nicht nur üblich, sondern auch verzeihlich ist, noch darauf aus zu sein schien, Allüren zu zeigen und sich ohne Herablassung sehr großzügig, zu Recht in allem, Rooney Mara gegenüber äußerte und dem Team insgesamt. Bescheiden, soweit man ihr das abnehmen kann, ist sie also auch.
Es gehört zu den Ritualen der Pressekonferenzen in Cannes, dass die Journalisten, die eine Frage stellen, erstmal dem Filmteam gratulieren, was immer etwas schmierig klingt und distanzlos. Ranschmeißerisch und oft auch falsch. Bei „Carol“ aber, der Patricia-Highsmith-Verfilmung von Todd Haynes, in der Cate Blanchett und Rooney Mara ein Paar sind, kam eine genuine Note dazu, das hat mit dem Thema zu tun und wie Cate Blanchett sich dazu stellt.
„Wir leben in zutiefst konservativen Zeiten, machen Sie sich da nichts vor“, sagte sie zum Beispiel auf die Frage nach der Akzeptanz homosexueller Beziehungen heute und fügte hinzu: „Sexualität ist eine zutiefst private Angelegenheit. Aber wenn Sie schwul sind, wird sie öffentlich und oft Ihr wesentlicher Charakterzug, und Sie müssen ständig darüber sprechen.“ Sie hat ein gutes Gespür für Ambivalenzen, Aporien auch, wahrscheinlich ist sie auch deshalb eine so gute Schauspielerin. Man wollte zu ihr hochgehen aufs Podium und sagen, haben Sie nicht Zeit auf einen Tee, das würde mich freuen, ich wäre gern noch eine Weile in Ihrer Gesellschaft.
Natürlich ist das selbst bei Cate Blanchett völlig unmöglich.
