Filmfestival

Filmfestival

Was sonst noch geschah: Notizen aus Cannes

Der Bauch von Depardieu

Präsent: Gerard Depardieu beim Fototermin für den Film "Chronic" © AFPPräsent: Gerard Depardieu beim Fototermin für den Film “Valley of Love”

Er wird immer dicker, so scheint es, es ist unfassbar. Im letzten Jahr schnaufte sich Gérard Depardieu durch Abel Ferraras Film „Welcome to New York“ über Strauss-Kahn und seine Sexaffären mit einer unglaublichen Souveränität und angemessener Schmierigkeit. Das war in einer Veranstaltung, die mit dem Festival eigentlich nichts zu tun hatte, aber dennoch für zwei Tage das Reden über Filme, Frankreich und die Festivalpolitik bestimmte.

In diesem Jahr spielt Depardieu in einem der zahlreichen französischen Wettbewerbsbeiträge mit. „Valley of Love“ heißt er, gedreht hat ihn Guillaume Nicloux. Ein ziemliches Desaster von einem Film, der im Death Valley spielt, wovon er nicht genügend Gebrauch macht. Und Depardieu schwitzt natürlich enorm. Und schnaubt. Und erinnert uns in jeder Sekunde daran, was für ein grandioser Schauspieler er ist. Einmal fragt ihn Isabelle Huppert, die auch mitspielt: „Woher hast Du denn dieses Hemd?“

„Das? Hat meine Sekretärin gekauft.“

„Ah. Interessantes Muster.“

„Gefällt es Dir nicht? Ananas…“

In disesem Augenblick möchte man anfangen zu heulen, so schutzlos steht dieser monströse Mann in der Hitze herum mit seinem Ananashemd und kämpft darum, das zu erleben, was sein toter Sohn, der ihn und seine Ex-Frau hierher bestellt hat, sich für sie ausgedacht hat. „Ich bin dick geworden“, hatte er am Anfang gesagt, und Isabelle Huppert antwortete, „macht nichts, wenn Du glücklich dabei bist“, und er daraufhin: „Wie kann ich damit glücklich sein?“ Und es war nicht ganz klar, meint er den Selbstmord des gemeinsamen Sohns oder seinen Leibesumfang.

Mit Isabelle Huppert in einer Szene des Films© Festival de CannesMit Isabelle Huppert in einer Szene des Films

Jedenfalls war es die Wiederbegegnung mit einem erstaunlichen Schauspieler. Es gibt ja andere, die so fett geworden waren, dann aber nicht mehr richtig spielten, sondern sich in Selbstkarikaturen verloren. Orson Welles, der hier auch geehrt wurde, er wäre hundert geworden dieses Jahr, also gab es einen Film über ihn. Marlon Brando. Depardieu aber ist ganz in seinem Körper und will gleichzeitig raus aus ihm, so sieht es aus, wenn er sich aus dem Auto wuchtet oder sich auf einen Sonnenschirm gestützt durch die Wüste schleppt. Und er ist den ganzen Film über fast immer sozusagen nackt. Läuft in Boxershorts durch das schäbige Hotel. Hält seinen enormen Bauch hin. Und wird nie obszön dabei. Nie indiskret. Was für ein Bauch. Was für ein Schauspieler. Er hätte die besten Rollen verdient.