Was bedeutet es für einen Film, auf einem Buffett als Desert oder Fisch-Fleisch-Spieß ein Nachleben zu finden? Mit dieser Frage verließ ich spät abends die Party eines einflussreichen Branchenblatts, das zum Auftakt auf die Terasse des Hotels Danieli geladen hatte. Das war die Hauptattraktion – der Blick von dort oben, wenn der Tag sich neigt und die Sonne, wie an diesem Abend, die Inseln glutrot leuchten läßt, gehört zu den schönsten in Venedig. Unten eilen die Touristen hinter ihren Anführern her und die fliegenden Händler packen ihre LED-Gadgets aus, mit denen sie grüne oder rosa Blitze auf den Boden vor den Anlegestellen schleudern. Wir, die Gäste im Danieli, schwenkten zum Gruß unsere leuchtenden Armbänder, die wir als Zeichen trugen, das wir geladen waren. Und bekamen außer dem Blick und blauen Bellinis oder sonstig Alkoholischem eben auch: movie themed food.


In einem Raum waren die Schüsselchen von „Gravity“ inspiriert, dem Film, der von diesem Festival aus vor zwei Jahren durchstartete und bis zu den Oscars raste. Ein anderer von „Star Wars“, ein dritter von „Blad Runner“ (die „replicant beans“ allerdings waren aus Plastik), beides Filme, deren Fortsetzungen ins Haus stehen. Da war es putzig, wie zur Begrüßung der Gastgeber oder der Festivaldirektor – ich stand zu weit weg, um das mit Sicherheit sagen zu können, es spielt auch keine große Rolle – damit prahlte, Venedig sei das einzige Filmfestival, bei dem nicht der Kommerz, sondern einzig die Kunst regiere. Hah! „Everest“, der Eröffnungsfilm, hat in beiden Abteilungen keine Chance.
Hat Scorsese wegen der China-Krise abgesagt?
Fast hätte es geklappt und wir hätten hier die beiden Scorsese-Stars unterschiedlicher Schaffensphasen im selben Film ihres Meisters betrachten können, Robert de Niro und Leonardo DiCaprio. Aber leider hat Scorsese abgesagt. Schon vor ein paar Tagen, er ist vermutlich nicht fertig geworden, denn das heißt es wohl, wenn es heißt, „aus technischen Gründen“. Oder hat die China-Krise etwas dabei zu tun? Denn der Film soll in einem Kasino in Macau spielen, was ihn für die Filmfestspiele am Lido besonders geeignet gemacht hätte, die Filmvorführungen hier finden ja zum Teil immer noch im Kasino statt, für immer wahrscheinlich, aus dem Bauloch, aus dem einmal ein Festivalpalast erwachsen sollte, wird vemutlich nie etwas anderes als ein Bauloch werden. „The Audition“, so heißt das Werk, mit dem Scorsese angekündigt war, ist ein teurer Film, allerdings nur ein Kurzfilm, und die Besetzungsliste sieht so aus,: Neben Robert De Niro und Leonardo diCaprio spielt noch Brad Pitt. Geschrieben hat die siebzehn Minuten, die der Film dauert, Terence Winter, und das Ganze spielt wie gesagt in einem Kasino in Macau, was möglicherweise erklärt, warum das Ding angeblich siebzig Millionen Dollar kostet. Es ist nämlich ein Werbeclip, der von Melco-Crown Enterntainment zur Eröffnung eines Kasino-Resorts mit Filmbezug, also movie themed, benutzt werden soll. Macau ist als Spielerparadies bekannt und berüchtigt, James Bond hatte hier wiederholt Probleme, und ganz früher, also 1952, haben Josef von Sternberg (der von Howard Hughes bald gefeuert wurde) und Nick Ray hier einen Film gedreht, der so heißt wie der Ort, der damals noch portugiesische Kolonie war. Hätten wir davon etwas gesehen? Werden wir diesen Scorsese-Film überhaupt jemals sehen? Vermutlich bekomme ich ja keine Einladung zur Resort-Eröffnung in Macau. Aber der Eintritt in Venedig zur Sondervorführung, der hätte sich vermutlich machen lassen.