Wie eine Bombe habe Sharon Stone damals in Cannes eingeschlagen, 1992 war das, als Paul Verhoevens „Basic Instinct“ das Festival eröffnete.
Wie eine Bombe schlug Woody Allens Eröffnungsfilm nicht ein. Aber eine winzige verbale Explosion immerhin gab es, als der Moderator der Eröffnungsgala, Laurant Lafitte, den Regisseur mit dem Satz begrüßte, es sei schön, dass dieser so viel in Europa drehe, obwohl er in den Vereinigten Staaten doch gar nicht wegen Vergewaltigung verurteilt sei. Ein Witz, der natürlich auch auf Roman Polanski zielte und die Galagäste mäßig amüsierte.

Wie eine Bombe – das klingt nicht nur wegen „Basic Instinct“ wie aus einer anderen Zeit. Verhoeven hat es zwar gerade wieder gesagt, weil er in Interviews für seinen Film „Elle“ wirbt, der zu allerletzt am allerletzten Tag hier im Wettbewerb dran ist, da muss vorher gewirbelt werden, damit nicht schon alle weggucken. Ein Film über eine Vergewaltigung übrigens. Aber bei Bombe denkt niemand mehr an Filmstars.
Am ersten Tag vor der allerersten Vorführung: eine unendlich scheinende Schlange am Eingang zum Festivalpalast. Verschärfte Kontrollen, heißt es, hochgefahrene Sicherheitsvorkehrungen. Mit Absperrungen, in denen die Schlange zum Eingang gewunden wird. Der Festivalpalast, eine Festung?
Immer noch gilt höchste Terrorwarnstufe in Frankreich. Der Bürgermeister von Cannes hat versichert, 500 Beamte mehr als im letzten Jahr seien im Einsatz. Im April gab es eine Terrorabwehr-Übung mit speziellen Einsatzkommandos, an deren Ende, wäre sie Wirklichkeit gewesen, dreißig Tote zu beklagen gewesen wären. Es gab also einiges zu tun. Bedeuten die Schlangen, die Sicherheitslöcher wurden gestopft?

Schwer zu sagen. Eher nicht. Wer es zum Eingang schafft, soviel scheint sicher, ist fast schon drin. Die Taschen werden wie in den vergangenen Jahren auch betatscht, jede Wasserflasche fliegt raus, aber ein Picknick-Messerset könnte man möglicherweise unerkannt mitbringen. Mit einem Piep-Gerät werden einem dann der Rücken und die Front gestreichelt, das ist auch schon lange so, fertig.
Bleibt die Frage, woher die Schlangen kommen? Man kann übrigens durch einen anderen Eingang in den Palast kommen, ein paar Stufen hoch direkt zum zweitgrößten Kino. Da sind die Sicherheitskontrollen noch lächerlicher. Vielleicht verlassen sich ja alle auf die Bombensuchtruppen, die regelmäßig das Gelände durchkämmen sollen. Unsichtbar, wie es sich für geheime Einsatztruppen gehört.
Das große Eröffnungsdinner fand jedenfalls ebenfalls im Festivalpalast statt. Das Ganze mehr oder weniger in Rot getaucht.Der Blick über den Hafen ist immer noch herrlich. Die Lichter der Yachten, ihrerseits angeblich sämtlich sicherheitstechnisch vollkommen durchgecheckt, blinken, der Regen hat vroübergehend aufgehört. Was könnte einem hier passieren? Vor allem als sich herausstellt, die beiden netten Herren, die die beiden leer gebliebenen Sitze an unserem Tisch enterten, nachdem alle Gäste eingetroffen und die Vorspeisen serviert waren, gehörten zum Service de la protection. Ausgewiesen durch einen Anstecker, den einer von ihnen am Revers trug. Nicht der im Smoking. Der hatte eine “Police”-Binde in der Brusttasche, die er uns fröhlich vorzeigte.
Sie aßen mit uns, während sie einen Minister im Auge behielten, und sie sahen so aus, als wären sie direkt von der Leinwand aus einem französischen Kriminalfilm zu uns hinabgestiegen.