
Fortsetzung der Liste nützlicher Erinnerungsstücke aus dem Wettbewerbsprogramm von Venedig.
Das Känguru aus Paolo Sorrentinos „Young Pope“: Weil es genau so unmotiviert aus seinem Käfig hüpft wie der ganze Film, der so tut, als erzählte er eine Geschichte, während er in Wahrheit nur einen Einfall durchspielt, der vielleicht besser ein Einfall geblieben wäre.
Edouard Manets Bild „Der Selbstmörder“ aus François Ozons „Frantz“: Weil es die Jokerkarte in Ozons Partie ist. Zuerst sieht man das Gemälde in einer Rückblende, da steht es für eine verlorene Jugend, eine Männerfreundschaft oder Männerliebe vor dem Krieg; dann scheint die ganze Handlung darauf zuzulaufen, denn der junge Mann, der davon erzählt hat, ist verschwunden, womöglich tot; und zuletzt stiftet es ein Happy-End, mit dem niemand mehr gerechnet hat. Ozons Regie ist immer ein wenig zu schlau für die Geschichten, die er erzählt; aber in „Frantz“ hält er seine Schlauheit auf überzeugende Art im Zaum. Er setzt uns ins Bild, ohne uns zu brüskieren, so wie Manet.
Das Krakenwesen, eine Mischung aus „Alien“ und Davy Jones (in „Fluch der Karibik“) aus Amat Escalantes “La región salvaje” („The Untamed“): Weil es das Sinnbild ist für das Scheitern des Films. Viermal sieht man das Ding, und jedes Mal wirkt es banaler und lächerlicher; statt zu erklären, warum das Leben von jedem und jeder, der oder die sich von seinen Saugarmen befriedigen lässt, aus der Kurve getragen wird, nimmt sein Anblick dem Geschehen jede Plausibilität. Mysterien, die vor die Kamera kriechen, sind keine mehr.
Der Zeichenblock des Menschenfressers aus Ana Lily Amirpours „The Bad Batch“. Weil irgendwo auf seinen hinteren Seiten das hastig hingekrakelte Drehbuch dieser Dystopie-Plotte stehen muss, aus der man höchsten lernen kann, dass sich Keanu Reeves (goodbye, Prinz Neo!) inzwischen für keine Rolle mehr zu schade ist. Die beste Pointe des Films steht im Vorspann: Eine seiner Produktionsfirmen heißt „Human Stew Factory“.
Die grün erleuchtete Wurlitzer-Jukebox aus Wim Wenders’ „Die schönen Tage von Aranjuez“. Weil die Songs von Lou Reed und Nick Cave, die sie abspielt, eigentlich schon die ganze Geschichte erzählen. Und weil sie mehr Wärme ausstrahlt als der sommerliche Garten, in dem der Film spielt. Übrigens habe ich eine irritierende Entdeckung gemacht, als ich den Titel in der „Internet Movie Database“ suchte: Er ist schon vergeben. „Die schönen Tage von Aranjuez ist eine Ufa-Komödie von 1933, mit Brigitte Helm, Gustaf Gründgens und Wolfgang Liebeneiner. Es geht um Juwelendiebstahl in besseren Kreisen.
Das Autowrack aus Christopher Murrays „El Cristo ciego“ (“Der blinde Christus”): Weil es sich wider alle Wahrscheinlichkeit in Bewegung setzt, anders als der Film.
Und Mel Gibsons Patriarchenbart, der allein schon erklärt, warum „Hacksaw Ridge“ so aussieht, wie er aussieht.
Meinen Loriot-Moment auf diesem Festival hatte ich gestern mittag, als ich las, was der italienische Pornostar Rocco Siffredi, dem zwei Franzosen ein hundertminütiges scheinheiliges Filmporträt gewidmet haben, das hier bei den „Giornate degli Autori“, den Autorentagen des Festivals, gezeigt wird, mit sich anfangen will, wenn er irgendwann für das alte Rein-Raus-Spiel nicht mehr fit genug ist. Er möchte ein Institut für Pornofilmregie in Budapest aufmachen. Ja, genau: Und im nächsten Herbst züchtet er dann Bananen in Finnland und eröffnet mit dem Papst eine Herrenboutique in Wuppertal.