
Filme über Filmemacher gehören zum Ödesten, das es gibt. Der Eröffnungsfilm vor ein paar Tagen lavierte sich eine Weile um diese einfache Wahrheit herum, bevor er nicht mehr verleugnen konnte: auch er hat sie nicht ausgehebelt. Dabei spielte Mathieu Amalric doch einen fiktiven Regisseur, da wäre vom Drehbuch noch einiges drin gewesen. Oder war er doch mehr oder weniger Arnaud Desplechin, der Regisseur?
Wie auch immer, öde bleibt es. Und jetzt spielte Louis Garrel Jean-Luc Godard. Den Gott des Kinos, wie es vermutlich nur in Cannes noch heißt. Aber nicht für Michel Hazanavicius! Er hat seinen Film „Le redoutable“ genannt, was soviel heißt wie: Der Fürchterliche. Von Anfang an ist das so. Godard ist ein Monster. Er ist eitel. Er will nicht auf „Außer Atem“ festgelegt werden und hat in Anne Wiazemsky eine sehr viel jüngere Frau, die ihn mit der Zeit nicht mehr ganz so abgöttisch bewundert, und die er schließlich mit seiner Garstigkeit davonjagt. Im Hintergrund läuft der Pariser Mai 68, Godard und Anne mittendrin, er verliert seine Brille, das wird der running gag des Films. Das Drehbuch basiert auf einem Schlüsselroman übrigens, den Anne Wiazemsky geschrieben hat.
Aber wohin führt das, wenn die Hauptfigur am Anfang schon ist, worauf das Ganze herauslaufen soll? Monster bleibt Monster. Aber, und das ist doch eigentlich der Punkt: Godard bleibt eben nicht Godard! Von „Außer Atem“ über „La Chinoise“ zu „Histoire(s) du Cinéma“ oder auch „Adieu au language“, das wäre die Entwicklung gewesen, die wir hätten sehen wollen.
Trotzdem haben die Leute gelacht. Erstaunlich.
Gelacht haben sie auch in Noah Baumbachs „The Meyerowitz Stories (New and Selected)“. Dem zweiten Netflix-Film. Der Streaming-Gigant will offenbar zeigen, was er kann, und hat nach „Okja“, dem Kinderspektakel mit dem Riesenschwein, einen kleinen, intimen Familienfilm ins Rennen geschickt, der manchmal filmisch betont unambitioniert daher kommt, allerdings mit riesigen Stars drin: Adam Sandler, Ben Stiller, Dustin Hoffman dazu Emma Thompson.

Mit grauem Bart und unerschüttertem Selbstvertrauen, mit Ärger darüber, als Bildhauer nicht so berühmt und anerkannt zu sein, wie es ihm gebührte, spielt Dustin Hoffman den Vater von Sandler und Stiller und Elizabeth Marvel, alle längst erwachsen, alle immer noch verletzt davon, wie der Vater sie auf unterschiedliche Weise ignoriert, verformt, behindert, ausgenutzt oder niedergedrückt hat. Und die „selected stories“ aus diesem Reich der missglückten Vater-Kinder-Beziehung mit verschiedenen Müttern, von denen Emma Thompson die einzige ist, die es in den Film geschafft hat, gerade so, weil sie trinkt, gelten wie Kapitel in einem Buch den einzelnen Kindern, Danny (Sandler, verhinderter Pianist, Hausmann), Matthew (Stiller, smarter und reicher Vermögensberater) und Liz (Elizabeth Marvel, die vernachlässigste).
Ja, Baumbach ist in diesem Bereich schon unterwegs gewesen („The Squid and the Whale“). Doch je länger sein Film dauert, je größer vergangene und aktuelle Verletzungen werden und je bizarrer das, was sich zwischen den Figuren abspielt, desto mehr hat man den Eindruck, Baumbach hat seinen ersten Woody-Allen-Film gedreht. Das ist Todd Haynes ja schon mit Steven Spielberg so gegangen. Sein „Wonderstruck“ sah so gar nicht nach ihm aus.
Hat das etwas mit Netflix oder Amazon (da kommt “Wonderstruck” her) zu tun? Eher nicht. Oder mit der Ödnis von Filmen über Filmemacher? Das glaube ich schon. Mit der Vergötterung des Autors im Kino. In den Filmen über Filmemacher, fiktiv oder wirklich, werden die Vorbilder überhöht oder lächerlich gemacht. In den anderen ist ihre Präsenz so greifbar, dass man ihnen, die gar nicht da sind und nichts damit zu tun haben, dass die jüngeren solche Filme drehen, zurufen möchte: Macht endlich den Weg frei, nicht für Epigonen, sondern für originelle Arbeit.