Wer um Himmels willen könnte dieses Jahr gewinnen? Jetzt sind alle Filme durch. Die Jury berät. Schwer vorstellbar, dass es ihrem Präsidenten Pedro Almodóvar dabei besonders geht. Er selbst hat noch keine Goldene Palme gewonnen, obwohl die Filme, die er hier zeigte – im vergangenen Jahr war es „Julietta“ – alles in den Schatten stellen, was in diesem Jahr hier zu sehen war. Er wird vermutlich ziemlich mit den Zähnen knirschen bei dem Gedanken, einem ihm nicht ebenbürtigen Filmemacher den Preis in die Hand zu drücken.

Und doch wird morgen Abend einer mit dem großen Preis nach Hause gehen, und in zehn Jahren dann, falls sich wieder alle an der Croisette treffen, beim goldenen Familienfoto dabei sein. Und Almodóvar vielleicht immer noch nicht. Und Jane Campion vielleicht immer noch als einzige Frau. Das ist der Albtraum.
Es gibt keinen wirklichen Favoriten. Niemand scheint für einen Film zu brennen wie im letzten Jahr, als alle „Toni Erdmann“ riefen. Außer der Jury. Deshalb gebe ich in diesem Jahr gar keine Prognose ab.
Dennoch ein paar Namen, die am Sonntag Abend aufgerufen werden könnten.
Robin Campillo für „120 Battements par minute“ – das wäre ein Sieger oder sonstiger Preisträger, mit dem ich ganz einverstanden wäre. Act up in den frühen Neunzigern. Großes Thema, trotz Schwächen und dass er viel zu lang ist, wäre ein Votum für diesen Film eine würdige Entscheidung. Vielleicht bekommt auch Nahuel Pérez Biscayart in einer Hauptrolle etwas.

Diane Kruger für „Aus dem Nichts“ oder Nicole Kidman für „The Beguiled“ oder „Killing of a Sacred Deer“, beide gut in ihren Rollen, die ihre Filme tragen.
Claes Bang, Hauptdarsteller von „The Square“ oder Colin Farrell (vielleicht mit Nicole Kidman in beiden ihrer Filme?) oder Robert Pattinson für „Good Time“
Hong Sang-soo für „Geu-Hu“ (Der Tag danach). Ein kleiner Film. Eine kleine Geschichte. Präzise in Schwarzweiß inszeniert. Vielleicht hat er eine Außenseiterchance? Für Regie oder Jurypreis oder sonst etwas?
Josh und Benny Safdie für „Good Time“, das würde mich freuen. Nicht, weil der Film perfekt wäre, sondern weil er so voller Energie ist, rasant und auf volles Risiko spielt. Und Preise für um die Dreißigjährigen wären doch auch mal was.
Vermutlich kommt es ganz anders. Und Almodóvar wird dazu lächeln.