Jane Fonda und Robert Redford werden in Venedig für ihre Gesamtkarrieren geehrt. Zum Dank haben sie einen neuen gemeinsamen Film mitgebracht.

Die beiden goldenen Löwen, die Venedig den beiden Hollywoodstars Jane Fonda und Robert Redford gönnt, sollen jeweils ein ganzes Lebenswerk belohnen, und vielleicht liegt die Betonung beim „Lebenswerk“ hier sogar gleichermaßen auf dem Leben wie auf dem Werk – nicht unbedingt, weil man etwa persönliche Zeitgenossenschaftsprofile anerkennen will, die Fonda zur Unterstützung des vietnamesischen Unabhängigkeitskampfes gebracht haben und Redford zur Kritik an Obamas nicht ausreichend aktiver Umweltpolitik, aber dass die beiden Leute sind, die nicht nur in Filmen rumlaufen, sondern auch in der Wirklichkeit, für die sie sich sogar interessieren, sieht bei der Preisverleihung jedenfalls nicht schlecht aus. Zeigen kann man auf dem Festival überdies, Zufälle gibt’s, einen neuen Film, in dem die Neunundsiebzigjährige und der Einundachtzigjährige ihren ältesten Fans mit einer gelungenen Seniorenpaarbildung Freude bereiten und Mut machen: „Our Souls at Night“, eine Netflixproduktion in der prononciert unaufdringlichen Regie von Ritesh Batra ist die Verfilmung des letzten Romans eines 2014 auf dem Höhepunkt seines literarischen Ansehens verstorbenen, bei uns in Deutschland kaum bekannten, aber sehr guten Romanciers namens Kent Haruf, dessen Gesamtschaffen sich aus mehreren Büchern über Durchschnittslebensläufe in einer fiktiven Kleinstadt in Ostcolorado zusammensetzt, Büchern über Reifung und Altern des Herzens, über Glück und Unglück, in trügerisch transparentem, extrem fein gearbeitetem Englisch geschrieben.
„Our souls at night“ handelt von einer Witwe, die einen Witwer und Nachbarn eines Abends einlädt, die Nacht bei ihr zu verbringen – nicht aus sexuellen Gründen, sondern der Einsamkeit wegen, und um die morbiden Gedanken zu bannen, vielleicht auch die Reue über Fehler, die man gemacht und nötige Handlungen, die man unterlassen hat. Ich mag das Buch sehr und war mit dem Film wohl deshalb eine gute Stunde lang nicht zufrieden, denn während der Text mit vorsichtigem Ernst zwei diszipliniert Verzweifelte, die auf den ersten Blick einfach gestrickt zu sein scheinen, ganz langsam in ein komplexes Verhältnis zieht, an dem sich schließlich beider immense Kompliziertheit enthüllt und bewährt, versucht der Film, diesen Ernst durch Humor aufzulockern, durch kleine Dialogschnörkel und sight gags, die der Story eine ganz andere, viel hellere Farbe geben – soll man Robert Redford und Jane Fonda, alt, aber schön, wie sie sind, wirklich abnehmen, dass sie einander retten müssen, sehen sie tröstungsbedürftig aus oder nicht eher so, als könnten sie’s vor lauter betagtem Übermut nicht lassen, zu jedem Abenteuer Ja zu sagen, das sich ihnen anbietet?
Zu verraten, wann der Film mich dann aber doch rumgekriegt hat, ist nicht statthaft, weil man dazu die Geschichte selbst in einem entscheidenden Punkt nacherzählen müsste, den der Film zwar nicht wörtlich, aber doch für voll genommen hat. Es gibt einen Bruch, dann noch einen, und dann endet es zwar etwas versöhnlicher als im Buch, aber nicht grundsätzlich anders, und die beiden Stars haben nicht nur einander, sondern auch den Stoff schließlich doch erobert. Das beste Ende ist wohl eins, bei dem noch was zu tun bleibt. Das gilt wohl auch für Lebensbilanzen, egal in welchem Alter.