Cate Blanchett und Agnès Varda sind ein herrliches Paar. Besonders, wenn sie gemeinsam auf der Treppe vor dem Festivalpalast stehen, umgeben von achtzig anderen Frauen, darunter Ava duVernay, Khadja Nin, Kristen Stewart und Léa Sedoux und eine Erklärung abgeben. Die Jurypräsidentin auf Englisch, die bald neunzigjährige Filmemacherin auf Französisch. Die eine in schwarzem großen Kleid, die andere mit zweifarbigen Haaren um mehr als zwei Köpfe überragend. Was sie dort machten, hieß zwar Women’s March, war aber eher ein Women’s Standing, was am Ort und möglicherweise auch an den Schuhen lag. Bevor die beiden auf jeweils ihre Weise großen Frauen sprachen, war die Gruppe der 82 also auf den Palast zumarschiert und hatte die Stufen zur Hälfte erklommen. Dort blieben alle erstmal stehen, um zu zeigen, wo die Laufbahn von Frauen im Filmgeschäft gemeinhin endet. Eine Strecke vor dem Ziel, weit weg vom Wettbewerb in Cannes.

Die Zahl 82 war nicht willkürlich gewählt, nicht danach, wie viele gerade greifbar waren. Seit 1946 waren genau 82 Frauen mit ihren Filmen hier und konnten diese Treppe erklimmen. Ihnen gegenüber standen 1866 Männer, so hieß es in der Erklärung, eine abgezählte, keine geschätzte Zahl.
Der Forderungskatalog, den die beiden verlasen, umfasste gleiche Chancen. Gleiche Bezahlung. Ein sicheres Arbeitsumfeld. Repräsentation und Teilhabe an der Macht, und das nicht allein in der Film-, sondern in allen Branchen, in denen all dies auch im Argen liegt. Es war also auch Solidaritätsadresse.
Alles nichts Neues, alles seit langem gefordert, bisher ohne große Fortschritte, also muss es immer wieder gesagt werden. Was wäre das für ein glückliches Jahr, wenn es einmal anders wäre! Insofern war es lustig, dass der Festivaldirektor Thierry Frémaux, der in diesem Jahr wieder einmal ein in dieser Hinsicht ziemlich unausgewogenes Programm zusammengestellt hat, hinter Cate Blanchett und Agnès Varda stand und heftig applaudierte. Neben ihm die französische Kulturministerin Francoise Nyssen, lässig. Sie hatte bereits im Vorwort zum Katalog geschrieben, in diesem Jahr ein besonders Augenmerk auf Geschlechtergleichheit zu legen. Was wieder einmal nur bedeutet, dass ein Seminar stattfindet.
Insofern war der Women’s March über den roten Teppich immerhin ein Zeichen, und dass Agnès Varda da war und mitmachte, wunderbar.
Im Anschluss gab es einen Film über ein kurdisches Frauenbatallion zu sehen, in dem sich von Isis geraubte, vergewaltigte, verkaufte und endlich geflohene Frauen den Ort zurückerobern, an dem ihre Männer erschossen und sie versklavt wurden. „Les filles du soleil“ hieß er, war von teilweise großer Intensität und Zartheit, und gedreht hat ihn Eva Husson.