Filmfestival

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Was sonst noch geschah: Notizen aus Cannes

Das Wetter vor 22 Jahren

Letzte Vorbereitungen: An der Fassade des Zoo-Palastes wird das Logo der Berlinale aufgehängt.

Und nun zum Klima. Heute beginnt die Berlinale, und am Samstag soll es in Berlin 9 Grad haben. Gefühlt immer noch 6. Das sind 16 zu viel. Das A-Festival mit dem roten Schal wurde doch 1977 eigens vom Juni auf den Februar verlegt, wegen der Folklore. Berlin war Frontstadt im Kalten Krieg, da passte es einfach besser, wenn Stars fröstelnd über den Roten Teppich huschten. Lange gehörte es dann zum Identitätskern des Festivals, dass der Berliner Winter hinten raus, also so Mitte Februar, einen Tanz mit dem sibirischen Bären abhielt. Dieser Identitätskern ist inzwischen ungefähr so stabil wie der Eisschild in der Antarktis, von dem kürzlich zu lesen war, dass er Klimakaries hat. Die 69. Berlinale wird warm werden.

Sie hat auch selbst ihren Teil zu dieser Erwärmung beigetragen. Der „carbon footprint“ eines Filmfestivals dieser Dimension dürfte den einer Klimakonferenz zwar nicht erreichen, aber wenn man alle Flugkilometer zusammenrechnet, die für eine Ausgabe der Berlinale so auflaufen, kommt man vermutlich auf das Jahresemissionsbudget eines mittleren Entwicklungslandes. Immerhin muss man Dieter Kosslick zugute halten, dass er in einer Hinsicht früh etwas dagegen getan hat. Ich erinnere mich an eine Vorführung von Pat Garrett & Billy the Kid, dem Western von Sam Peckinpah, in dem Bob Dylan mitspielt. Es muss im Jahr 2004 oder so gewesen sein.

Die Projektion war digital, man sprach damals noch nicht von 2K oder 4k oder 44K, sonst hätte es wohl geheißen: 0,04K. Das Bild war ungefähr so durchschüssig wie die Ozonschicht in den achtziger Jahren. Ich dachte mir damals: das wird noch lange nichts mit diesen immateriellen Bildern. Da hatte ich wohl Murphy und Moore verwechselt. Der eine geht davon aus, dass Unglück sich potenziert, der andere hat eine (nicht im strengen Sinn) vergleichbare Rechnung über Datenkapazitäten angestellt. In geradezu atemberaubenden Tempo hat die Filmindustrie etwas vollzogen, wovon sich die Autoindustrie eine Menge abschauen könnte: heute kommen die Filme aus einer Blackbox namens DCP, wenn nicht überhaupt schon nur noch aus der Leitung.

Für die Flugkilometer bei der Berlinale ist das eine gute Nachricht, denn früher flogen ja nicht nur die Stars, die Agenten, die Kritiker und die Fans nach Berlin, sondern auch viele Tonnen Zelluloid. Ein Überbleibsel dieser alten Technologie könnte man sich heute, wo auf der Berlinale untertags noch nichts los ist, im Silent Green ansehen. Das ist ein Kulturquartier im Wedding, das mit einer imposanten Ausstellungshalle aufgemöbelt wurde, in der am Mittwochabend schon einmal das Forum Expanded eröffnet wurde. Für Dieter Kosslick ist es die letzte Berlinale, er ist auf Abschiedstournee, also ließ er sich auch bei dieser Sektion blicken, die sich nicht zuletzt seinem Expansionskurs für das Festival verdankt: Seit 14 Jahren gibt es diese Abteilung für die Grenzbereiche zwischen Film und Bildender Kunst.

In der diesjährigen Ausstellung des Forum Expanded gibt es jedenfalls eine Installation, die allein schon einen Besuch im Silent Green lohnt: Wosa (Coyote’s Burden Basket) von Heike Baranowsky. Aufnahmen von einem Krater im Death Valley, zwei Filme aus jeweils 2931 Einzelbildern. Ein echtes Filmerlebnis mit 35mm-Kopie, ratterndem Projektor und viel zweiter Natur. Ich habe ein Handyfoto gemacht, um einen vagen Eindruck von dieser Installation zu machen.

Im Ergebnis, also in der Projektion, sieht das dann so aus:

Dieter Kosslick hatte einen naheliegenden Witz ins Silent Green mitgebracht: Er versuchte einen Reim auf Roter Teppich. Der wird am Donnerstagabend erstmals ausgerollt. Vom Wetter reden wir dann erst wieder, wenn es umschlägt.