
Gerade veröffentlichte ein englisches Branchenmagazin die Preise für Eintrittskarten zu den beliebtesten Vorführungen und Parties. Schwarzmarktpreise, versteht sich. Kein Ticket wird hier offiziell verkauft. Wer für die Eröffnung mit Jim Jarmuschs „The Dead Don’t Die“ 5500 Dollar bezahlt hat, um im Orchester zu sitzen, werden wir nicht erfahren. Auf dem Balkon war das schon für 2800 Dollar zu haben, die Party danach musste einem weitere 2500 Dollar wert gewesen sein. Doch an den meisten anderen Tagen kosten die Eintrittskarten fürs Kino nur zwischen 1000 und 2000 Dollar, allerdings ist für „Rocketman“, Tarantino und „Rambo“ zum Abschluss unter 2300 Dollar nichts zu machen gewesen: Die Preise für diese Filme gehen hoch auf 4500Dollar.
Kino ist ein Volksvergnügen, deshalb sind die Partys danach teurer. So stand es in “Screen Daily” zu lesen: 6000 Dollar für die Elton-John-Party, 8000 für die von Chopard, 11.000 bei Vanity Fair, alles Feste mit strikter Einladungspolitik und penibel kontrollierten Namenslisten. Aber irgendwie kommen die Leute, die soviel Geld bezahlt haben, offenbar doch überall rein, mit falschen Identitäten vermutlich? Die hat hier sowieso fast jeder. Am teuersten ist der Eintritt, so will ich es mal nennen, für die „AMFAR Night Before – Leonardo DiCaprio Villa Dinner Party mit Tarantino“. Er kostet 13.500 Dollar. Termin ist der 22. Mai. Vielleicht ist die eine oder andere Restkarte noch da. Vielleicht aber ist das Ganze auch ein großes Betrugsgeschäft, und es gibt gar keine Tickets, selbst nicht für soviel Geld?
Es traf sich gut, dass ich bei einem Mittagessen am selben Tag (auf Einladung) einen Kollegen von der „Bunten“ traf, der vermutlich der berühmteste Gesellschaftsreporter Deutschlands ist und gern Auskunft gab, wie er das macht – überall eingeladen zu sein, auf allen Listen zu stehen, von einer Party zur nächsten zu hüpfen, und das schon seit vielen vielen Jahren und natürlich ohne zu bezahlen. Von Elton John zu Chopard, vom Hotel Eden Rock in Antibes zur exklusiven Starvilla in den Bergen hinter Cannes. Die verblüffende Auskunft des Kollegen: Er telefoniert herum. Ich hatte gedacht, er sortiert zu Hause in München schon seit Anfang Mai die Einladungen, sagt zu oder ab, wählt aus. Weit gefehlt. Er überlegt,wo er hinwill, und dann hängt er sich ans Telefon. Meistens ist es mit einem Mal nicht getan. Alles, was im privaten Umgang absolut verboten, unangemessen, peinlich ist, ist im Business offenbar Geschäftsgrundlage. Sich selbst einladen! So kommt man zum Ziel. Sollte die Party das Ziel sein.
Ob es für Maradona eine Party geben wird, habe ich den Fachmann vergessen zu fragen. Der Fußballer, der größte aller Zeiten nach oder mit Pelé, wie viele meinen, wird für den Dokumentarfilm von Asif Kapadia erwartet. Nach „Senna“ und „Amy“ ist „Diego Maradona“ die dritte übermächtige Persönlichkeit, der Kapadia sich gewidmet hat, mit dem Unterschied, dass dies kein Nachruf ist.
Ich gehe, vor allem in Cannes, lieber ins Kino als auf Parties. Und das schon seit zwölf oder dreizehn Jahren. Bei Pédro Almodovars „Dolor y Gloria“ stellte sich plötzlich und unerwartet, wie es immer heißt, das Gefühl ein, nicht Almodovars Leben finde dort auf der Leinwand statt, fiktionalisiert, stilisiert und so weiter, sondern stilisiert und auf verdrehte Weise auch meines, meines als Kritikerin, so viele Filme habe ich von ihm in Cannes schon gesehen, an so viele erinnerte mich dieser. Vielleicht laden die Verantwortlichen genau für dieses melancholische Gefühl immer wieder dieselben Leute ein: um nicht allein alt zu werden. Sondern gemeinsam mit diesen großen Künstlern.