
Es war Nachmittag, ich kam vom Meer und ging barfuß über Sandwege, als ich die Gesprächsfetzen eines deutschen Paares aufschnappte. Sie verhandelten das Thema Nudeln. Hundert Gramm, das sollte für die nächsten drei Stunden reichen, sagte die Frau. Worauf der Mann eine komplizierte Rechnung aufmachte, startend von einem Kilo Nudeln, über zwei Mahlzeiten und mehrere Leute verteilt. Was wiederum zu dem finalen Ausruf der Frau führte: „Aber das sind ja pro Person bloß achtzig Gramm!“. Offensichtlich hatte sie Hunger und suchte nach einer Erklärung. Die Erleichterung, dass es zwanzig Gramm Nudeln waren, die ihr fehlten, war unverkennbar, für die entgegenkommenden fröhlich grüßenden Südeuropäer hatte sie keinen Blick übrig. Hätten diese auch nur die leiseste Ahnung, warum ihre Grüße nicht erwidert wurden, sie wären vermutlich höchst befremdet. Fraglich, ob sich auch nur einer von ihnen einer Nudel-Geißelung unterwerfen würde. Es gibt diesen Witz, in dem ein Bettler vor der Tür einer (schwäbischen) Hausfrau steht und vorträgt, dass er seit drei Tagen nichts gegessen hat und zur Antwort bekommt: „Müssen Sie sich halt zwingen“. Ähnlich argumentieren viele Diätratgeber, wenngleich im umgekehrten Sinne. Was man nicht alles soll und muss und keinesfalls darf, spiegelt genau das wieder, was die Nudelfrau mit all ihrem Sein ausdrückte. Mitten im kulinarischen Hot Spot Frankreich harrte sie in ihrem selbstgebauten Nudelkäfig aus.
Gut, sie wird ihre Gründe gehabt haben. Vielleicht will sie einen flachen Bauch, oder schlanke Beine, vielleicht will das auch nur ihr Mann und sie macht ihm zuliebe jene Diät aus der Frauenzeitschrift, von der ihre Freundinnen sagen, wie super sie doch funktioniert. Angenommen Mann und Freundinnen bemerken, dass ihr Bauch nach dem Urlaub tatsächlich flacher ist, was folgt daraus? Werden sie sich deshalb ihr gegenüber anders verhalten? Falls ja, wäre das jedenfalls noch bedauerlicher, als der Verzicht auf all die mediterranen Köstlichkeiten.
Framing manipuliert unsere Aufmerksamkeit
Warum überhaupt fällt manchen Menschen ausgerechnet im Urlaub ein, etwas für die Figur tun zu müssen, während andere gerade dann alle Hemmungen fallen lassen und schlemmen? Aus psychologischer Sicht gibt es eine simple Erklärung: Die Umgebung hat sich verändert. Ein neuer Kontext führt zu neuen Verhaltensweisen, natürlich abhängig davon, wie dieser Kontext interpretiert wird. Das Stichwort lautet Framing. Worauf wir unsere Aufmerksamkeit lenken, hat viel mit der Umgebung und zu tun, in der wir uns befinden. Ich selbst habe mich vor Jahren einmal in Miami Beach, angespornt durch die perfektionierten Superkörper am Ocean Drive, zu einer „no fat“ Diät hinreißen lassen. Dass es dort im Supermarkt fettfreie Milch, fettfreies Brot und fettfreie Leberwurst gab, erleichterte die Sache ungemein. Allerdings hielt ich diesen selbst aufoktroyierten Verzicht nicht lange durch, weil Fett bekanntlich ein essentieller Nährstoff ist, auf den mein Körper nicht bereit war zu verzichten, aber das ist ein anderes Thema.
An einem anderen Urlaubsort in Asien wiederum ist mir genau das Gegenteil passiert, dort begann ich beinahe pausenlos zu essen. Die vielen Früchte und leckeren Thai-Curries waren schlicht zu verlockend und ich habe sozusagen auf Vorrat davon gegessen, als blieben sie mir auf diese Weise selbst nach dem Urlaub noch erhalten.
Aus Marketing-Sicht ein Traum
Extrem leicht verführbare Konsumenten, die sich obendrein, als hätten sie sich in die Steinzeit verirrt, Nahrungsvorräte anfuttern, wünscht sich jedes Unternehmen. Manipulationsmittel existieren reichlich. Big Data Analysen und Kundensegmentierung sind das eine, das andere ist die Umsetzung der Ergebnisse im Supermarkt. Framing lenkt die Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Aspekt, womit sich Vorstellungen kreieren und Bedürfnisse wecken lassen, die nicht das Geringste mit dem Produkt zu tun haben und die zu teils dramatischen Veränderungen im Entscheidungsverhalten führen. Werden auf einer Limo-Flasche „sonnengereifte Orangen“ angepriesen, denkt jeder besseren Wissens sofort an etwas Gesundes, und lässt sich davon so schnell nicht abbringen. Der erste Eindruck entscheidet über das Bild in unserem Kopf. Sind es draußen 30 Grad und an der Limo perlen Wassertropfen, ist das ein Versprechen von Frische und Kühlung. Läuft zufällig gerade das Lieblingslied in Hintergrund sind wir im Nu in bester Kauflaune. Prinzipiell wissen wir das als mündige Konsumenten freilich alles – bemerkenswert ist, dass wir trotzdem nicht vernünftig handeln. „Das Reframing ist anstrengend“, schreibt der Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahnemann in seinem Buch „Schnelles Denken, langsames Denken“. „Sofern es keinen naheliegenden Grund gibt, sich anders zu verhalten, nehmen die meisten von uns Entscheidungsprobleme passiv so hin wie sie „eingerahmt“ sind, und sie haben daher nur selten Gelegenheit, das Ausmaß zu entdecken, in dem unsere Präferenzen framegebunden und nicht realitätsgebunden sind.“
Andererseits, würde ein Schild auf die 44 Gramm Zucker in der 0,5 Literflasche hinweisen, könnte das bereits genügen, um ein Reframing auzulösen. Stünde die Empfehlung der WHO darunter, täglich nicht mehr als 25 Gramm Zucker zu verzehren, wäre der Enthusiasmus gänzlich gebremst. Da dürfte auch der Hinweis „vegan“ nicht mehr helfen, über die 9% Orangensaftkonzentrat hinwegzutäuschen. Im Kopf des Konsumenten setzt sofort eine Risiko- Nutzen-Bewertung ein, die unter anderen Umständen schlichtweg nicht stattfindet. Wenngleich es sich um exakt das gleiche Produkt handelt, wird es durch minimale Veränderungen des Bewertungsrahmens gänzlich anders wahrgenommen.
Solange dieses Schild jedoch nicht existiert, greifen weiterhin viele Konsumenten, darunter möglicherweise die Nudelfrau, zu diesen Produkten und wundern sich, warum sie trotz Diät zunehmen. Stephan Herzig, Professor und Forscher am Institut für Diabetes und Krebs des Helmholtz Zentrums München, fordert daher wie viele andere auch: „Es würde helfen, wenn allen ersichtlich wäre, was in den Lebensmittel drin ist. Wer darauf achten möchte, sollte zumindest eine Chance bekommen, das zu wissen.“ Dieses Wissen mündet dabei natürlich nicht zwangsläufig in eine einwandfreie Interpretation, aber es wäre ein Anfang.
Erfolgreiche Versuche hat es bereits gegeben, so in der Kantine des Bostoner Massachusetts General Hospital. Das unter der Leitung der Harvard Professorin Anne Thorndike installierte Ampelsystem führte zu einem bemerkenswerten Umsatzabfall bei stark zuckerhaltigen Getränken und einem deutlichen Anstieg bei gesünderen Alternativen. Ähnlich sahen die Effekte bei den mit rotem Warnhinweis versehenen hochkalorischen Lebensmitteln aus. Der Umsatz insgesamt ist gleich geblieben, die Kaufentscheidungen waren lediglich gesünder. Thorndike sieht in den Ergebnissen ein großes Potential zur Gesundheitsprävention. In Großbritannien gibt es die freiwillige Nährwertampel übrigens seit 2013 und die überwältigende Mehrheit des Einzelhandels beteiligt sich an dem Program. Das ist doch mal ein positives Framing.
Was den Urlaub angeht, kann natürlich jeder so viele Nudeln zählen oder schlemmen, wie er möchte. Ich versuche, mich auf Land und Leute einzulassen wie es so schön heißt, gerade beim Essen, außer in Miami natürlich, weil no fat und no carb auf Dauer wirklich nicht gehen.
Bacardi Feeling oder Verzicht...auf Euphorie?...Rausch?...Suchtgefahr?...Gesundheit?...
Barcardi Feeling oder Gewinn/verlust…ist die “human(e) (reife) Frage”…
Gesundheit(-Ratio?-)Gewinn?
Verlust unnötiger, Human-Not bringender, Gefahr?
Ein Gläschen schadet nicht?…ist sogar gesund?…
wer mit Alkohol umgehen kann, der kann “ruhig”…?
Barcardi-Feeling…ein bischen Euphorie schadet ncht?…ist sogar gesund?
…wer mit Euphorie umgehen, der kann “ruhig”…?
Barcardi-Feeling…oder?…lieber?…Verzicht/Gewinn/Verlust???
Was schmerzt hier…loslassen oder nehmen?…aber bezogen auf was?
Phantomschmerzfrage?…Barcardi-Feeling “loslass-Phantomschmerz”?
Humane Ernährung und Freude-Human-Feeling und Spaß-Human-Feeling…kommt kein Barcardi-Feeling vor und ist doch gefahrlos gesund…euphorielos und depressionsfrei…”Tarzan” läßt grüßen:=)
Wie kann man nur so hemmungslos fressen und saufen?
Und dann auch noch glauben, man bekäme was geschenkt. Und Mittags liegen die Schnapsleichen pennend am Pool und schlafen in der Sonne brutzelnd ihren Rausch aus. Wo bleibt denn da die Erholung? Bei mir gibt es maximal Frühstück und einmal am Tag ein warmes Essen. Das kann ich auch noch selber bezahlen.
Bikinifrau
“Das sieht nach einer Mischung aus sehr viel Sport und sehr gesunder Ernährung aus”. Nö. Das sieht nach einer ganz gewöhnlichen normalgewichtigen Frau mit einem BMI um die 21 aus.
Aus den Produkten, die dann gegessen werden (so industriell) sind Geschmack und alle wertvollen Inhaltsstoffe verschwunden (z.B. Fett im Joghurt), sie können deshalb teurer verkauft werden und steuern darüber hinaus auch noch erwünschtes Verhalten. Win/Win für alle, mit Ausnahme des Kunden natürlich. Der bezahlt die Hoffnung auf ein paar Kilos weniger mit mehr Geld und weniger Geschmack.
Ich bin natürlich trotzdem dafür. Das rote Ampelzeichen würde mir sagen, wo noch was drin ist und was noch schmecken könnte :-). Vermutlich wäre dann auch noch ausgerechnet das nährstoffreichste Zeugs (natürliche Milch mit ihren 5 plus % Fett) das preiswerteste, also her mit der Ampel!
Gruss,
Thorsten Haupts
"vielleicht will das auch nur ihr Mann"
Werte Frau von Kopp, kennen Sie einen Mann, der seiner Frau gesagt hat, sie hätte zu dicke Beine ? Und der dies überlebt hat ?
*schmunzel* Ich kannte mal einen Mann, der sagte regelmäßig “ab morgen machen wir Diät” ;-)