Food Affair

Jetzt fahren auch Veganer Porsche

 

###Attila, der Superkoch, ganz in seinem Element                                                   Foto dpa

Früher war es wunderbar einfach: Da gab es Fleischesser, Vegetarier und in seltenen Fällen Veganer. Anhand der entsprechenden Trikotagen sah man auf den ersten Blick, wer welcher Mannschaft angehörte. Die einen, der Mainstream, kleideten sich handelsüblich, die V-Mannschaften trugen, ökologisch korrekt, Hanf und Leinen. Im gesellschaftlichen Leben gab es kaum Berührungspunkte, außer vielleicht an besseren Waldorfschulen.

Heute fahren Veganer auch mal mit dem Porsche zum Bioeinkauf, wie zum Beispiel der Erfolgsautor von Kochbüchern Attila Hildmann.

Die überschaubaren Gruppen existieren schlicht nicht mehr. Beim Thema Ernährung sind wir experimentierfreudig wie nie zuvor und im Gegensatz zu früher bisweilen mit einfachen Argumenten umzustimmen. Jede noch so ausgefallene Empfehlung wird scheinbar akzeptiert, sofern sie nur von jemandem stammt, dem wir Kompetenz zutrauen. Dummerweise übersehen dabei viele gern, dass Kompetenz, gutes Aussehen und Erfolg erst einmal nichts miteinander zu tun haben. Dieser systematische Verzerrungsfehler, dem wir mitunter erliegen, nennt sich Halo-Effekt. Halo bedeutet so viel wie hervorscheinen, womit jenes Merkmal gemeint ist, das uns bei einer Person als Erstes auffällt, Attraktivität zum Beispiel. Treffen wir auf einen gut aussehenden, sportlichen Menschen, unterstellen wir ihm sofort Kompetenz in Sachen Gesundheit und Ernährung. Zuweilen treibt das seltsame Blüten, etwa dann, wenn  Schauspieler und Models ihr perfektes Erscheinungsbild – bevorzugt nach einer Geburt – auf irgendwelche obskuren Diäten sowie harte Arbeit mit einem Personal Trainer zurückführen. Botox? Liposuktion? Niemals! Dennoch setzen sich, beschleunigt durch soziale Netzwerke, diese Ernährungsempfehlungen oft durch. Je häufiger eine Diät etwa auf Facebook geteilt wird, desto größer ist nicht nur ihr wirtschaftliches Vermarktungspotential, sondern auch die Wahrscheinlichkeit, dass sie scharenweise Anhänger findet.  „Wir wissen, dass Menschen von einem unerschütterlichen Glauben an eine Überzeugung, und sei sie noch so absurd, erfüllt sein können, wenn sie darin in einer Gruppe Gleichgesinnter bestärkt werden“, schreibt Daniel Kahnemann. Anstatt zurückzutreten und die Sache nüchtern zu betrachten, heizt man einander gewissermaßen auf.

Sobald eine Behauptung eine bestimmte Popularität erreicht hat, scheint ihr Wahrheitsgehalt völlig unwichtig. Erst Recht, wenn der Erzähler so schön wie die Schauspielerin Megan Fox ist. Die rief neulich in der “Us weekly” dazu auf „unbedingt auf Milchprodukte zu verzichten, besonders Frauen, deren Hormonhaushalt dadurch schwer beschädigt werden kann.“

Oder nehmen wir Uma Thurmann, die ihren „super natural look“ auf Rohkost zurückführt. Dumm nur, dass Rohkost allein nicht satt macht und im Dressing womöglich Milchprodukte enthalten sind. Und in der Sättigungsbeilage Weizen. Jeder, der was auf sich hält, verzichtet heutzutage auf Weizen, lediglich man selbst kommt einfach nicht davon los. Weshalb sollte man auch?

Ich bin leistungsorientiert, ich fahre einen Porsche, ich optimiere meinen Körper

Attila Hildmann’s Rezepte kommen jedenfalls offenbar vielen wie gerufen. Versprechen sie doch vor allem Folgendes: „messbar jünger, schlanker und gesünder in 60 Tagen“ oder „mehr Spaß durch vegane Küche“. Hildmann surft die vegane Welle wie kein anderer und vermarktet sich perfekt. Neuerdings sogar als Werbebotschafter von Porsche: „Unterstützt nachhaltige Landwirtschaft, dann dürft ihr auch ´nen Porsche heizen.” So funktioniert moderner Ablasshandel. Die allerwenigsten dürften sich allerdings einen Porsche leisten können. Er, der sich als leistungsorientiert und ehrgeizig beschreibt, nutzt geschickt zwei Megatrends: Ernährung und Fitness. Durch eine Kombination von beidem erreicht er ein größtmögliches Publikum.

Als Kind mit türkischen Wurzeln von deutschen Eltern adoptiert, gehörte Hildmann weder zu der einen, noch der anderen Kultur richtig dazu. Nach dem frühen Tod des Vaters, den Hildmann auf dessen hohen Fleischkonsum zurückführt, beginnt er, sich mit Ernährung als Gesundheitsfaktor auseinander zu setzen und entwickelt Rezepte. So jedenfalls das Narrativ. Seine Kochbücher sind wie gesagt Bestseller. Und bescheren ihm Preise. Die Legal Tribune betitelt ihn als “jungen Jamie Oliver der fleischfreien Küche”, Fit For Fun erhebt ihn zum „Kultkoch”, TV-Show´s reißen sich um Hildmann. Mittlerweile geht es vor allem um ihn als Person, so scheint es. „Ich bin ein leistungsorientierter Mensch. Ich fahre einen Porsche 911, weil er meiner Meinung nach der beste Sportwagen ist. Ich optimiere meinen Körper und versuche, meinen Kopf zu bilden. Leistung ist für mich wichtig, sie hält mich produktiv. Das ist das Geheimnis meines Erfolges“, sagte er einmal in einem Interview mit Spiegel-online. Der Lebensoptimierungsfaktor Ernährung ist ein gewinn-  und prestigeträchtiges Sujet. Sollte sich daran etwas ändern, dürfte Hildmann keine Probleme haben, auf den nächsten Zug aufzuspringen. „Ob er in zwanzig Jahren wieder ein Schnitzel esse“, könne er nicht vorhersagen. Trends kommen, Trends gehen. Jetzt erst einmal schwebt ihm eine vegane Fast Food Kette vor, im amerikanischen Gangsta-Style, heiße Mädchen und coole Jungs sollen dort ein und ausgehen.  Nach dem Motto: Hildmann, der Revoluzzer, und am Esstisch die (Pseudo-)Revolution. Sein neuestes Produkt: „grünes Kokain“. Dahinter steckt aufputschender, super gesunder Matcha Tee aus Japan, von dem Hildmann empfiehlt,  „ihn nicht durch die Nase zu ziehen.“ Danke Attila, da wären wir selbst nie drauf gekommen.

 

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