Food Affair

Food Affair

Wie wir intelligenter essen

Das perfekte Dinner, oder: koreanische Völlerei

| 2 Lesermeinungen

###Genuss sieht anders aus: Wie kann eine zierliche Person wie Park Seo-Yeon das alles essen?   Foto Youtube

 

Erstaunlich, welche Absonderlichkeiten Fans mitunter lieben. Nehmen wir die Südkoreanerin Wang Joo: Deren Anhänger nämlich schätzen an der jungen Frau (so sagt sie selbst) besonders, wie sie die Haut von Hühnchenschenkeln abnagt, fein säuberlich, bis am Ende nur noch der blanke Knochen übrig bleibt. Liebend gerne auch zum Frühstück. Wang Joo, klein, dicklich, freundliches Gesicht, isst regelmäßig vor der Kamera. Hunderttausende Menschen haben ihr schon dabei zugesehen, wie sie bisweilen laut schmatzend Unmengen an Essen vertilgt – man könnte auch sagen, mittels Stäbchen und Händen in sich hineinstopft, als befände sie sich in einem Wettkampf. Was nicht in ihren kleinen Mund hinein passt, kullert einfach wieder raus. Wer einen nervösen Magen hat, dem wird von bloßen Zuschauen übel. Mit der Vorliebe, die tägliche Nahrungsaufnahme vor Publikum zu vollbringen, ist Wang Joo in ihrem Land nicht allein, im Gegenteil, weit mehr als dreitausend Selbstvermarkter finden offenbar, dass Mukbang (zusammengesetzt aus den koreanischen Wörtern für Essen und Übertragung) eine großartige Sache ist.

Eine der erfolgreichsten Food-Bloggerinnen auf diesem Gebiet ist Park Seo-Yeon, die sich „The Diva“ nennt, und auf Ästhetik setzt. Das Aussehen der jungen Frau, Make-up, Haare, Kleidung, nichts ist hier dem Zufall überlassen. Park Seo-Yeon kocht vor der Kamera, kommuniziert mit ihren Zuschauern, und: isst natürlich, reichlich, versteht sich. Rindfleisch, Pudding, Suppen, Tintenfisch, Reis. Portionen, die eine Großfamilie sättigen würde. Ihr Körper ist dafür erstaunlich zierlich. In einem Interview sagte sie: “Ich versuche hübsch auszusehen, hübsch zu essen, und eine Menge leckere Speisen zu mir zu nehmen.”

 

Das Phänomen ist nicht neu, aber es gewinnt in der technologiebesessenen südkoreanischen Gesellschaft, deren Mitglieder im Grunde permanent auf irgendeinen Bildschirm starren, an Popularität. Womit das Essen als Akt des Hungerstillens gleichzeitig an Bedeutung verliert. Sprich: es zählt auch die Performance! Optimierungstechnisch sind die Südkoreaner ja bestens geschult, schon als Kind wird ihnen eingebläut, wie enorm wichtig es ist, alles aus sich und seinem Körper herauszuholen. Also tanzt die eine Bloggerin ganz entspannt vor einem aufgebauten Buffet und streckt ihren voluminösen Hintern in die Kamera, während sich ein milchbubihaft anmutender Mann eine Militäruniform überzieht und aberwitzige Grimassen schneidet. Das Publikum jedenfalls, mit dem Dank der superschnellen Internetverbindung mühelos kommuniziert werden kann, honoriert die Inszenierung.

Essen als Performance und Kampf gegen die Vereinsamung

Uns mag Mukbang absurd vorkommen, als einer dieser verrückten Trends, der früher oder später in der Bedeutungslosigkeit verschwindet. Nur: das stimmt schlicht nicht.

Für Park Seo-Yeon sind zwei Dinge entscheidend, die, davon ist sie fest überzeugt, dem „gemeinschaftlichen” Essen weiter Auftrieb verleihen werden: die Obsession mit Essen und Diäten an sich, sowie die Einsamkeit, der Preis des urbanen Lebens. Die südkoreanische Gesellschaft, die sich in einem atemberaubenden Tempo entwickelt hat, ist eine Singlegesellschaft. Offenbar trifft in dieser Singlegesellschaft den Einzelnen das Alleinsein besonders hart, sobald es ums Essen geht. Technologie als Einsamkeitsüberbrücker, selbst beim Dinner. Eine profane Fernsehkochshow könnte einen solchen emotionalen Dienst unmöglich leisten, weil sie kein Gefühl von Nähe herstellt. „Für Koreaner ist das Essen eine extrem soziale, eine gemeinschaftliche Aktivität, weshalb sogar das koreanische Wort ‚Familie‘ bedeutet: ‚die, die zusammen essen‘” sagte Sung-hee Park von der Ewha-Universität in Seoul gegenüber CNN. Die Familie, das ist heute eben die virtuelle Gemeinschaft.

Trotz aller vermeintlicher Nähe: hierzulande wird „Mukbang“ sicherlich kein Trend werden. Wir verabreden uns nach wie vor lieber mit Menschen, als uns zum Essen vor einem Computerbildschirm niederzulassen, selbst wenn es sich bei diesen Menschen um Fremde handelt. Seit das soziale Netzwerk MealUp im vergangenen Jahr in Berlin ins Leben gerufen wurde, haben sich jedenfalls sehr viele Interessierte registriert. Ob es dabei tatsächlich immer nur ums gemeinsame Essen geht, ist natürlich eine ganz andere Frage.  

 


2 Lesermeinungen

  1. 7Bernstein1 sagt:

    Das ist nicht das perfekte Dinner!
    Bei der Betrachtung der Fotos fallen mir eigentlich nur empörende grobe Worte ein…
    Der Beitext zu den Fotos sollte lauten: Muss diese Frau das alles in sich reinstopfen? Aber wahrscheinlich gibt es bei den Aufnahmen Werbesequenzen…
    Ich wünsche Ihnen, dass möglichst viele Asienphantasten und Verehrer östlicher Lebensphilosophie die Bilder und Ihren Artikel zur Kenntnis nehmen.
    Sicherlich erwarten Sie nicht, dass man in diesem Zusammenhang auf Probleme der Unterernährung und des Eiweisshungers in der Welt eingeht.
    Mit fielen Grüßen!
    Bernard del Monaco

  2. RESONANZEN sagt:

    Wer einen nervösen Magen hat, dem wird von bloßen Zuschauen übel.
    Wenn ich versuche, alle tagtäglich berichteteten und auch
    tatsächlich vorhandenen Probleme bis hin zu Krieg und alle
    kontrovers diskutierten Gesellschaft-Themen auf einen Nenner
    zu bringen, dann komme ich auf die “Maßfrage”…”Maßfindung”
    in Bezug auf generelles humanes denken und handeln.
    Der Mensch ist auf stetiger Suche nach dem “rechten Leben-Maß”…
    humanen Leben-Maß. Wieviel Wohlstand, welche Gesellschaft(sform),
    wieviel Gesellschaft in welcher Dichte “verträgt” er, welche und
    wieviel Bildung ist „Not wendend“, …
    und hier im Blog jetzt, koreanische Völlerei.
    Letztendlich die Frage: Was ist Human Leben Not wendend?
    Ca. 7.000.000.000 Menschen, Bildungsdifferenzen, Kulturdiff.,…
    humane Bildungsreifedifferenzen…”Meinungen”, „Taten“.
    Human maßvoll, Not wendend leben. Human dem Mensch
    gegenüber genauso, wie gegenüber der Erde-Natur.
    Flora, Fauna, Rohstoffe, Wasser, Kreisläufe…
    Alles hängt vom humanen Maß ab. Denn die “Erde” ist begrenzt.
    Der Mensch kann und muß sich selbst begrenzen, auf human
    Not wendendes Leben. Nicht leicht, im “Sein” der unendlichen
    Relativität unseres Geistes, die “rechte” Selbstbegrenzung
    aus „humaner“ Einsicht und nicht mittels „Gesetz-Recht“-Zwang,
    zu finden.
    Aber not-wendig, wenn Katastrophen…
    für Erde, Mensch, Flora, Fauna…vermieden werden sollen.
    Auch Selbstzerstörung, Krieg. Ein anderer Lösungsansatz ist
    not-wendig , als “nur” Berichte und kontroverse Diskussionen,
    oder Blogs über jedes Einzelproblem und eventuelle…
    “kleine (Aufschrei-)Fortschritte” per Gesetz, pol. richtige? Unterstützung, oder schlimmer noch, Waffenlieferungen an…
    „die Richtigen?“.
    Die Zeit drängt…s. Weltgeschehen.
    Ich denke, wir kommen nicht umhin auch “das Welt-Ganze zu sehen”…
    „das ganze inhumane Weltdesaster“…den dafür “verantwortlich” humanen Bildungs(systeme)mangel + Bildungsdifferenzen weltweit.
    Die gleiche humane Einsicht, für gleiche Probleme und Fragen,
    erfordert (annäherend) gleiche humane (Einsicht-)Bildung,
    sonst bleibt es bei 7.000.000.000 “(in)humanen?” Meinungen und
    (in)humanen? Handlungen…in „menschgeschichtsbekannter“
    in-humaner Mischform…
    nichts ändert sich genügend notwendig human,
    um Erde- und Selbstzerstörung-Not zu wenden.

    Wer einen humanen Geist hat, dem wird vom bloßen Zuschauen
    des Weltgeschehens übel?…machmal schon, aber…
    die einzelne koreanische Frau in koreanischer
    Schieflage-Technik-Food-Kultur ist eher Opfer
    als Täter und wie ein allein gelassenes, unreifes Kind zu betrachten.
    Also keine Übelkeit beim Zuschauen, sondern Sorge um sie und die Menschheit.
    Aber manchmal eben auch Zorn bis Übelkeit auf die Welt-Geist-Elite,
    die Menschen-Führer…die Gipfeltreffenden…
    Staatsehrenempfangenden… Geld- und Geltungssüchtigen…
    die, die es im “Kopf”…im “Geist-Auge” haben sollten, das wachsende Weltbildungsdesaster…Welt-Elend-Bildung zu ändern.

    MfG
    W.H.

    P.S. Der Mensch hungert und dürstet nach humanreifem Geist.
    Geistnahrung die zum Geistgleichgewicht führt. Die Sättigung
    der Psyche-Seele-Sehn-Sucht…Ghost-Balance-Food.

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