Food Affair

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Wie wir intelligenter essen

Hundetüten für Feinschmecker

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###Essen für den Hund?         Foto Getty Images

 

In Frankreichs Restaurants werden sich in Zukunft einige Gäste die Haare raufen, denn seit diesem Jahr läuft im Feinschmeckerland eine Art Umerziehungsprogramm: aus Doggy-Bag-Verachtern sollen Doggy-Bag-Enthusiasten werden. Gewissermaßen von oberster Stelle zur Minimierung der Essensabfälle verordnet sind alle Hotels und Restaurants, die täglich mehr als 180 Essen servieren, in Zukunft angehalten, Boxen zur Mitnahme von Essensresten vorrätig zu haben und ihren Kunde offensiv anzubieten. Mit der Vorstellung, die Reste eines Boeuf Bourguignon in einer Styroporschachtel nach Hause zu tragen, dürften allerdings nicht nur Franzosen Schwierigkeiten haben. Es fängt schon beim Namen an: Doggy Bag, also Hundetüte. Obwohl diese Mitnahmepraxis von Menüresten bekanntlich schon lange nichts mehr mit Hunden zu tun hat, sind die Hundeknochen- und Napfassoziationen freilich trotzdem da. Für den französischen Kulturbürger brechen jedenfalls harte kulinarische Zeiten an.

Als Doggy-Bag-Ursprungsland gilt Amerika. Die Box soll 1943, als das Essen wegen des Zweiten Weltkriegs rationiert worden war, in Kalifornien erfunden worden sein. “The Oxford Companion to Food” zitiert den einst populären Spruch: „Are you happy over dinner? Don’t have all the fun alone. Remember the pup who`s waiting. And take him al luscious bone.” Zumindest offiziell war die Hundetüte für den hungrigen Hund zu Hause gedacht.

Was in Amerika bis heute auch aufgrund der absurd großen Portionen gang und gäbe ist, darüber rümpft man andernorts aus historischen und kulturellen Gründen die Nase. Während es, so der französische Soziologe Jean Pierre Corbeau, in bürgerlichen und aristokratischen Kreisen früher üblich war, nicht alles aufzuessen, um zu unterstreichen, dass an Lebensmitteln kein Mangel herrschte, aß man in den unteren Schichten eine Mahlzeit auf, was schon Kindern gelehrt wurde. In Frankreich, wo die Portionen nichts Angsteinflößendes haben, und auswärts zu essen nicht derart weit verbreitet ist wie in Amerika, ist der man Doggy Bags zudem schlicht nicht gewöhnt. Dort sind Reste Reste und keine potentiell aufwärmbaren Mahlzeiten.

Doch nicht nur in Frankreich, auch in Großbritannien hat das Doggy Bag ein erhebliches Imageproblem. Essensreste waren einst Symbol für Reichtum und Adel. Sie ernährten, so der Historiker Colin Spencer, andere – zum Beispiel Küchenangestellten. Im Mittelalter bekamen die im Hof wartenden Bettler was die Küchenangestellten übrig gelassen hatten.  Spencer glaubt, dass dieses es-sich-leisten-zu-können-Gefühl etwas übrig zu lassen in Restaurants nach wie vor vorhanden ist. Nach dem Motto: „Ich muss nicht aufessen“.

Der amerikanische Verbraucherpsychologe Brian Wansink brachte in einem Interview den aus der Verhaltensökonomie stammenden Endowment-Effekt (Besitztumseffekt) ins Spiel, um unser Doggy-Bag-Unbehagen zu erklären. Wir tendieren dazu, einem Gut, das wir besitzen, einen wesentlich höheren als den tatsächlichen Wert zuzuschreiben. Dass dieses irrationale Verhalten auch bei Essensresten, die wir ja, wenn auch verpackt, wiederbekommen, greifen soll, scheint zumindest fragwürdig.

In der konkreten Situation hängt die Entscheidung  für oder gegen das Doggy Bag von vielen Faktoren wie etwa der Preisklasse des Restaurants und dem Verhalten der Tischgesellschaft ab. Ist man die einzige Person, die ihre Menüreste mitnehmen möchte? Wie wichtig ist einem die Meinung der anderen, wir groß ist also die Angst, als knauserig und unkultiviert zu gelten?

Um den Doggy-Bag-Ruf aufzupolieren, schlug der französische Hotel- und Gaststättenverband übrigens schon vor einiger Zeit eine Umbenennung vor: in „le gourmet bag“.

 

 

 

 


3 Lesermeinungen

  1. KaBalz sagt:

    Aus dem glücklichen Land der Schwaben und Badener.
    Dort, wo es die segensreiche Sondergastronomie der Besen-oder Straußwirtschaften gibt, aber auch in den normalen Wirtschäftle war es noch nie ein Problem-und scho gar kei Schand, Essensreste mit zunehmen. Vor dreißig Jahren sagte die Bedienung noch verständnisvoll nickend “firs Hondle, gell?” Inwischen sage ich, wenn die Enkelin dabei ist “Noi, fir d´Oba”. Viele dieser Wirtschäftle tragen gleich eine Aluschale mit Deckel mit auf. Unsere französischen Freunde, die stets einen Besuch dort wünschen (ohlala, plats de résistance) wundern sich sehr weil man das dort nicht so kennt.

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  3. a.pernath sagt:

    Von Kellnern und Köchen wurde das stets begrüßt
    In den Restaurants, in denen ich um Einpacken übriggebliebenen Essens gebeten habe, und auch von einem Koch, den ich privat kenne, habe ich bisher nur positives dazu gehört.

    Schließlich machen die sich auch nicht gern die ganze Mühe, und es landet hinterher im Schweinetrog.

    Wenn man das übriggebliebene Essen mitnimmt, signalisiert man damit, daß es einem geschmeckt hat. Das sollte einen Koch doch freuen. Ob die anderen Gäste darüber die Nase rümpfen kann einem doch eigentlich egal sein.

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