Food Affair

Food Affair

Wie wir intelligenter essen

Und wenn er explodiert?

###Unterschätzt: Der Schnellkochtopf                         Foto Rainer Wohlfahrt

 

Meine Großmutter war eine fortschrittliche Frau. Anfang der achtziger Jahre hatte sie ihre Küche längst komplett durchtechnisiert, und wenn man der inzwischen gewucherten Legende glaubt, ging es zu wie in einer Fabrik, wenn das elektrische Messer sägte, das Einschweißgerät schweißte, die Küchenmaschine rotierte, der Handmixer aufrehte, die elektrischen Knethaken zulangten, die Tiefkühltruhe brummte und – als Krönung des Ganzen – der Schnellkochtopf fauchend seinen Überdruck entlud. Dieses Gerät, fand sie, war das unverzichtbarste von allen, weshalb sie allen Frauen – ja, so war das damals noch – in der Familie Schnellkochtöpfe schenkte, ob sie wollten oder nicht, und sich eine generationenübergreifende Schnellkochtopftradition entwickelte. Studentenhaushalt ohne Schnellkochtopf? Undenkbar. Als ich auszog, bekam auch ich so ein Ding eingepackt, basta.

 

Wofür braucht man überhaupt einen Schnellkochtopf? Prinzipiell für alles.

Andere hatten aus meiner Sicht komplett überflüssiges Zeug wie Tupperware zum Salatsoßeschütteln (geht auch in einer Schüssel gerührt) oder Keimgläser für ihr Kressebeet (gibt‘s auch fertig gewachsen zu kaufen). Ich hatte meinen Schnellkochtopf. Und die erste Frage der anderen war immer dieses entsetzte: Explodiert der auch nicht? Nein, tut er nicht. So ein Topf hat einen Bajonettverschluss, da fliegt nicht einfach so der Deckel weg, und wenn man ihn tatsächlich einmal auf dem Herd vergisst oder aus anderen Gründen im Inneren der Druck zu hoch wird, spuckt der Schnellkochtopf denselben durch sein Überdruckventil aus. Zweite Frage: Wofür braucht man überhaupt einen Schnellkochtopf? Prinzipiell für alles. Im Internet gibt es Rezepte von Babybrei bis Hundefutter. Und prinzipiell für nichts, weil man all das natürlich auch in einem ganz normalen Topf kochen kann.

Aber so ist das letztlich bei allen Küchengeräten seit der Erfindung des Ur-Schaschlikspießes in der Steinzeit: Wem einmal eines das Leben leichter gemacht hat, der kann nicht mehr verstehen, dass andere immer noch ohne am Herd stehen. Mag die Zahl der Schnellkochtopf-Verächter auch Legion sein, er hat einfach unschlagbare Vorteile. Die Hersteller kehren immer drei hervor, nämlich dass man mit einem Dampfdrucktopf wesentlich schneller kocht, dadurch vitaminschonender und vor allem energiesparend. Bis zu siebzig Prozent zeitersparnis, bis zu 50 Prozent Energieersparnis heißt es da.

Wenn die Pellkartoffeln nicht eine halbe Stunde auf dem Herd vor sich hinbrodeln, sondern nach 12 Minuten fertig sind, ist das schon ein Punkt. Salzkartoffeln nach sechs Minuten. Und sie schmecken besser, weil sie nicht in Wasser ausgelaugt wurden, sondern im Dampf gegart wurden. Bei Gemüse ist der Unterschied noch größer. Das Prinzip des Schnellkochtopfs funktioniert auch, wenn einem die Spielereien mit Siebeinsätzen schon zu kompliziert sind.

Zwei Fingerbreit Wasser rein gießen, Gargut dazulegen, Würze je nachdem, Deckel schließen, Garstufe eins für Zartes und zwei für Grobes über den Ventilregler einstellen (oder irgendetwas dazwischen), aufs Feuer stellen und los geht‘s. Sobald genug Dampf im Topf ist, macht es klick, der Druck steigt, aus dem Ventil schiebt sich ein Zapfen mit Ringen, die die Garstufen anzeigen. Die hält man, solange nötig, stellt danach den Topf kurz unter einen kalten Wasserstrahl, der Druck fällt, man kann ihn öffnen, fertig. Das klingt komplizierter, als es ist. Man kann auch Gulasch im Schnellkochtopf kochen. Fertig nach zehn Minuten. Sellerie am Stück dito. Braten, Fisch, Geflügel, Hülsenfrüchte, Couscous, indisches Curry, was auch immer. Schneller geht eigentlich nur Fast Food.

 

Jaha!, rufen da die Verächter, da haben wir es, Schnellkochtopfköche folgen der Fastfoodmentalität: Hauptsache schnell und durch. Was natürlich nicht stimmt. Wahres Kochen ist ein sinnliches Erlebnis!, argumentieren die Verächter weiter, bei dem man ganz nah an den Zutaten und der Speise im Werden sein soll, damit alles à point gerät und in schönster Ruhe bei niedrigen Temperaturen seine Aromen entfaltet. Als ob aus dem Dampfdrucktopf nur lieblos durcherhitzter Matsch käme. Dabei ist für alle, die den Dreh raus haben, selbst knackiger Blumenkohl kein Problem.

Wenn Liebe zur Sinnlichkeit der Nahrungszubereitung allerdings bedeuten soll, dass die Bude noch tagelang nach dem Eintopf riechen muss, der stundenlang auf kleiner Flamme simmerte, am besten bei leicht geöffnetem Deckel, dann ist es bei mir damit wirklich nicht weit her. Eine ordentliche Bolognese kriegt man nicht anders hin, aber für Suppen und Brühen aller Art ist der Schnellkochtopf etwas, das vielleicht unromantisch klingt oder sogar unkulinarisch, aber wirklich nicht zu unterschätzen ist: ein sensationeller Beitrag zum weitgehend mieffreien Kochen.