
„Es kommt darauf an“ – die Antwort auf alle Fragen. Nichts ist mehr so oder so, alles kommt auf irgendetwas an. Da war man also im Urlaub in Frankreich, Spanien, Italien, und fragte sich immer wieder, wie die das wohl machen: Das üppige Abendessen mit dem Karamellpudding und dem Espresso zum Abschluss dehnt sich bis nach Mitternacht und gleichzeitig werden die Leute nicht automatisch dick. Worauf kommt es also diesmal an? Welches Geheimnis haben diese Menschen?
Auf die Uhrzeit der Nahrungsaufnahme kommt es jedenfalls nicht an, das konnte inzwischen in mehreren Studien nachgewiesen werden. Doch das bringt einen noch nicht weiter, das ist die Theorie. Was heißt das für einen typischen Mittwoch, an dem man von acht bis achtzehn Uhr im Büro vor einem PC sitzt, an dem man von neun Uhr an an einer längeren Besprechung teilnimmt, die man nur übersteht, weil man regelmäßig beherzt zum Keksteller greift? Mittags eine Lasagne, zum Nachtisch zwei Kugeln Eis, doch am Abend soll’s zum Sport gehen, zum Rudern oder auch ins Fitnessstudio, das seit einigen Jahren geschlechter- und generationenübergreifend zum Synonym für „Sport“ geworden ist.
Direkt vor dem Sport sollte man nichts essen, so viel ist klar, doch danach ist es dann bereits 21 Uhr, wenn nicht 22 Uhr, und man wird wieder halb verhungert sein. Dinnercancelling, wie der Verzicht auf jedwedes Abendessen im angelsächsischen Raum gelegentlich genannt wird, ist nur etwas für ganz charakterstarke Menschen. Der normale Mensch muss einfach noch etwas essen und kann es auch durchaus, doch der normale Mensch ist jetzt in großer Gefahr: Er hat sich verausgabt, er sitzt im Klubhaus oder im Lounge- und Restaurantbereich des Fitnessstudios, die Küche schließt in Kürze, und er sagt sich: „Nach der ganzen Anstrengung werde ich doch wohl eine Pizza essen und ein Weizenbier trinken dürfen!“ – und genau in dem Moment kommen die ganzen Bürokekse ins Spiel, die nicht schmecken, die man aber Tag für Tag in sich hineinstopft, die Lasagne und das Eis und auch das doppelte Frühstück, das erste zu Hause und ein zweites später am Vormittag in der Kantine.
Eine zentrale Rolle beim Stoffwechsel spielt die Leber
Entscheidend ist die Zahl der Kalorien, die man über den ganzen Tag verteilt zu sich nimmt, das ist der Stand der Erkenntnisse, und entscheidend ist zudem die Frage, wieviel Energie man über den Tag verbraucht, also insbesondere auch, woraus die Arbeit besteht. Im Sommerurlaub aus nichts, im Büroalltag vielleicht aus einem Dutzend Power-Point-Folien, zwei Excel-Tabellen und einer Handvoll privater E-Mails (an dieser Stelle hätte, wäre das Buch nicht in diesem überheblich-anbiedernden Duktus abgefasst, ein Hinweis erfolgen können auf Lars Vollmers „Zurück an die Arbeit – wie aus Business-Theatern wieder echte Unternehmen werden“). Ein Salat nach dem Sport ist gesünder als eine Pizza, eine kleine Platte Sushi gesünder als eine Portion Spare Ribs. Aber sättigt ein Salat? Es kommt darauf an.
Doch ein weiterer Punkt ist wichtig: Nach einer ausgiebigen Mahlzeit am Abend ist man am Morgen danach häufig besonders hungrig, was an der Leber liegt, die die zentrale Rolle beim menschlichen Stoffwechsel spielt, ist sie doch zuständig für den Abbau und die Verwertung von Nährstoffen. Nach einem späten und reichhaltigen Essen produziert die Leber bis in die Nacht hinein Verdauungsenzyme – das soll sie aber gar nicht, sie soll nachts entgiften. Lapidar ausgedrückt: Die Leber will auch mal ihre Ruhe haben. Wenn man abends viel isst, sollte man sich über ein starkes Hungergefühl am Vormittag nicht wundern – womit der Kampf gegen die Kekse fast schon verloren ist.
Wer sein Essverhalten am Abend überhaupt nicht in den Griff bekommt, wer zu regelmäßigen wie regelrechten Fressattacken neigt, ob nach dem Sport oder beim Tatort, sollte Tatsachen schaffen: erstens streng darauf achten, dass der Kühlschrank immer leer ist und dass sich keine Chipstüten im Haus befinden, und zweitens vor Beginn des Tatorts (des Heute-Journals, des Sandmännchens) bereits die Zähne zu putzen. Dann kommt es nur noch darauf an, wie stark der innere Schweinehund ist.
Das Buch:
https://www.hanser-literaturverlage.de/buch/die-kunst-des-klugen-essens/978-3-446-44875-9/