In Kürze soll also wieder Strom fließen. Wenn alles klappt. Dann wird Fukushima 1 wieder mit Strom versorgt. Eine Anlage, deren Errichtungszweck bekanntlich darin bestand, Strom zu produzieren. Das ist bei Kraftwerken so: Sie sollen Strom produzieren. Nicht konsumieren. Sollte man zumindest glauben. Aber bei der Atomtechnik ist das offenkundig anders: Wenn da kein Strom hineinfließt, in so ein Kraftwerk, dann kommt nicht nur kein Strom heraus; vielmehr kippt gleich die Geschäftsgrundlage des ganzen Vorhabens: Statt weiterhin friedlich vor sich hinzusurren und seine Megawatt abzuliefern, entwickelt sich das Atomkraftwerk zur Höllenmaschine. Energie fließt dann zwar reichlich, aber keinesfalls mehr so, wie sich die Errichter das vorgestellt haben. Unkontrolliert. Nicht mehr steuerbar. Die ganze schöne Anlage, nach „menschlichem Ermessen“ für sicher befunden, fliegt einem um die Ohren.
Eigentlich ein Treppenwitz. Über den man lachen könnte, wenn der Anlass nicht so traurig wäre: Ein Stromkraftwerk, das explodiert und in einem riesigen Umkreis alles für Jahrzehnte verseucht, wenn es nicht ständig von außen mit Strom versorgt wird. Ja, so etwas nennt man zurecht paradox.
Aber im Grunde ist das charakteristisch für unsere heutige Hochtechnologie: Ihre Prozesse sind so kompliziert und potenziell gefährlich, dass sie unter perfekt kontrollierbaren Bedingungen ablaufen müssen. Das setzt voraus, dass so wenig Variablen wie möglich ins Spiel kommen. Und schon gar keine Unbekannten. Weil unsere Umwelt aber in der Produktion von stets neuen Unbekannten ein wahrer Weltmeister ist, weil vom menschlichen Versagen über den unglücklichen Zufall bis zum heimtückischen Terroranschlag alles Mögliche passieren kann, was so einen hochtechnologischen Prozess aus der Bahn wirft, darf der nicht ohne zusätzliche Vorkehrungen ablaufen. Vorkehrungen, die ihn vor allen Eventualitäten abschirmen. Ihn quasi in eine Schutzkapsel packen. Im Fall eines Atomkraftwerks wie Fukushima bestehen diese Zusatzvorkehrungen zum Beispiel aus dicken Reaktorwänden, erdbebensicheren Betonwannen, der Abschaltautomatik, den Notstromaggregaten oder den Ersatzbatterien. In seiner Kapsel kann der Prozess ungestört ablaufen, da mag draußen passieren was will. Alle schädlichen Einflüsse prallen an den Schutzvorkehrungen ab. Sie kompensieren die Variabilität der äußeren Umgebung und halten damit die Prozessbedingungen an ihrer Innenseite konstant. So zumindest die Idee.
Der Haken dabei: umso komplizierter der Prozess im Inneren, umso höher die Anforderungen an die Zusatzvorkehrungen. Denn die müssen ja immer alles Mögliche vorwegnehmen und ausgleichen können, was auf jeden einzelnen Parameter des Prozesses von außen einwirken könnte. Und umso mehr Parameter der Prozess mit sich bringt, umso mehr Risiken störender Umwelteinflüsse, umso mehr Kombinationsmöglichkeiten von Faktoren, die alles zum Scheitern bringen können (Insider nennen das wohl „Interferenzeffekte“). So zum Beispiel in Fukushima: Ein Reaktor in einem Erdbebengebiet sollte automatisch heruntergefahren werden können – das haben die Ingenieure erkannt. Und ein auf diese Weise heruntergefahrener Reaktor braucht neben einem erdbebensicheren Gebäude natürlich auch eine erdbebensichere Kühlung – das haben die Ingenieure auch erkannt. Und eine solche Kühlung muss natürlich auch dann aufrecht bleiben, wenn wegen des Erdbebens die Hauptstromversorgung ausfällt – auch das wurde richtig erkannt. Und so eine Notstromversorgung muss auch dann noch laufen, wenn alles andere nicht mehr läuft (an dieser Stelle beginnt das Problem bereits paradox zu werden bzw erkennt man die sich abzeichnenden Umrisse des Super-GAUs: Wenn nämlich alles andere abgeschaltet bleibt, für lange Zeit, die Notstromversorgung aber trotzdem aufrecht bleiben muss). Aber OK: Man plant auch das alles ein. Dieselaggregate und eine ganze Ladung Batterien – schon ist man wieder auf der sicheren Seite. Aber funktionieren diese Dieselaggregate auch nach einem Tsunami? Nein, tun sie nicht, wie wir jetzt wissen. Die reale Umwelt war komplexer, als die Zusatzvorkehrungen von Fukushima bewältigen konnten: Die Konstanz der Prozessbedingungen im Inneren der Reaktoren konnte damit nicht mehr aufrecht erhalten werden. Game over.
Wenn man das Ganze weiterdenkt, dann gelangt man bald an den Punkt, wo die Komplexität der Zusatzvorkehrungen höher ist als die des eigentlichen Prozesses. Und damit in der Regel auch die Kosten. Zumindest müssten sie es, wenn man die Zusatzvorkehrungen so auslegt, dass sie tatsächlich alle Arten von Störfaktoren abwehren können, in allen nur erdenklichen Situationen. Aber das tut man natürlich nicht. Stattdessen werden diese Kosten über Risikoverteilungen externalisiert, sprich: der Allgemeinheit aufs Auge gedrückt. „Nach menschlichem Ermessen“ heißt nichts anderes, als dass die Zusatzvorkehrungen um die Reaktoren herum für eine ganze Reihe von möglichen Szenarien nicht ausgelegt sind. Die nennt man dann „unwahrscheinlich“. Sie passieren nur alle 250.000 Jahre, so versichern uns das Experten. Experten, von denen leider kein einziger 250.000 Jahre alt ist und es daher aus eigener Erfahrung wüßte.
In Anlagen wie Fukushima (und natürlich auch unseren „sicheren deutschen Atomkraftwerken“, wie Frau Merkel sie zu nennen pflegt) befindet sich der „Geist in der Maschine“ damit in Wahrheit nicht mehr in der Maschine selbst sondern um sie herum, in den Zusatzvorkehrungen. Der Prozess, um den es eigentlich geht, bei der Atomkraft also die Kernspaltung, wird zu einer „Trivialen Maschine im Inneren einer nicht-trivialen Maschine“, wie Niklas Luhmann das im Anschluss an Heinz von Förster nennt. Und das Schlimmste ist: Im Notfall kann man noch nicht einmal „den Stecker ziehen“, wie es der Hausverstand bei allen anderen Arten von Gerätschaften nahelegen würde. Das wäre der direkte Weg ins Disaster. Die Zusatzvorkehrungen müssen im Gegenteil so ausgelegt werden, dass sie immer weiterlaufen – egal was passiert. Während herkömmliche Techniksemantik also davon ausgeht, dass gefährliche Apparaturen abgeschaltet werden können und etwaige Gefahren damit gebannt sind, ist es bei der Atomkraft (und diversen anderen Hochtechnologien) genau umgekehrt: Hier MUSS angeschaltet bleiben, um jeden Preis! Es wird Erfolg geschuldet: die Technik muss unbedingt funktionieren, damit die Technik funktioniert. Bei Versagen: Super GAU!
Klingt das vertrauenserweckend? Während wir uns also weiterhin ruhig auf die Schulter klopfen dürfen, dass wir den Prozess der Atomspaltung beherrschen, lautet die entscheidende Frage ganz anders: Beherrschen wir die Umweltkomplexität, welcher der industrielle Prozess der Atomspaltung ausgesetzt ist? Und die Antwort lautet, nicht nur unter dem Eindruck von Fukushima sondern auch mit Blick auf die vielen atomaren Störfälle in Deutschland und dem Rest der Welt: Nein, tun wir nicht.
colorcraze@ > Leicht bis...
colorcraze@ > Leicht bis schwer of Topic.
Nun bin ich aber enttäuscht. Da hätte man doch etwas mehr erwartet. Sind wir mal äußert generös und gehen von bis zu minus 15 Graden in der ehemalig demokratischen Republik D des Winter aus. Dann sollten, wie hier oben auch bei bis zu minus 35 Grad, 20% Glykol in den Leitungen ausreichen um ein einfrieren ganz sicher zu verhindern. Wenn Frau dann superpanic ist, lässt man einen Hahn, optimalerweise den über der inne stehenden Nutzwassertonne die man ja hat weil man Sie im Sommer mit Regenwasser zur u.a. WC Spülung nebst Geldersparnis benutzt, ganz minimal tropfen. Damit sollten dann sämtliche Bereitstellungsprobleme bestens gelöst sein. Mein ja nur…