Schnelllebige Zeiten sind so. Fordern ihre Opfer. Weil alles so schnell geht. Da kommt man nicht mehr mit. Gestern war noch alles perfekt. Heute hat man ein Problem. Ein riesiges Problem.
Ich meine: Das kennt man ja. Da sitzt man zum Beispiel in seinem Regierungspalast. Beim Galadiner. Ahnt nichts Böses. Macht das, was alle machen. Alle immer gemacht haben. Macht das, was man am besten kann. Lacht und scherzt. Smalltalkt. Ist gut drauf. Tout le monde hat man eingeladen. Freunde sind zu Gast. Freunde der Republik. Alte Freunde. Gute Freunde. Noch bessere Geschäftsfreunde. In schmucken Uniformen. Toll sehen sie aus. Männer von Format. Sozusagen. Gerne wäre man ja auch… manchmal zumindest. Weil die müssen nicht … denen zollt man noch Respekt … Als Hors d’oeuvre noch Sympathie und goldene Treueschwüre. Zum Hauptgang Händchentätscheln mit Frau Außenministerin. „Gnädigste, besuchen Sie mich doch nächste Woche in meinem Wüstenzelt“ – „Désolée, aber da bin ich schon in Tunis verabredet.“ Dommage. Aber dann der Nachtisch … eine einzige Crème Surprise. Der Freund ist verschwunden. Weg. Aus heiterem Himmel. Am anderen Ende des langen Tisches, da, wo er gerade noch saß, da hockt jetzt ganz was anderes. Was ekelhaftes. Unverschämtes. Ein Problem. Ein Problem, das sich lässig im Fauteuil räkelt, die Füße frech auf den Tisch legt und rübergrinst: „Na, wie stehen die Dinge mit uns beiden?“ Unerhört. Die Intellektuellen der Republik sind empört: Dreckskerl! Weg muss er. Intellektuelle unterscheiden Diktatoren und Problemdiktatoren. Diktatoren sind OK. Problemdiktatoren sind untragbar. Diktatoren bespritzen den staubigen Wüstenboden mit dem Blut ihrer Widersacher. Das kann man hinnehmen. Das ist ihre Angelegenheit. Aber Problemdiktatoren sind anders. Problemdiktatoren bespritzen die Fahne der Republik mit dem Blut ihrer Widersacher. Das ist nicht mehr supportable – biensûr que non! Weg muss er, der Problemdiktator!
Wir Deutschen kennen das Problem. Zwar haben wir keinen Stress mit Problemdiktatoren. Hitlers Wehrmacht und SS-Brigaden haben uns zwar einiges beschert. Aber keine Problemdiktatoren in Nahost, für die wir uns verantwortlich fühlen müssten. Unsere Probleme hören nicht auf den Namen „Muammar“ und stammen nicht aus Libyen. Sie hören auf den Namen „Bruno“ und stammen aus Italien. Viele Probleme stammen von dort. Auch Bruno. Bruno, der Problembär. Als Bruno aus Italien zu uns rübermachte, da war er noch kein Problembär. Da hieß er auch nicht Bruno. Den Namen gaben wir ihm. Bevor er zum Problembären wurde. Als er noch der süße Meister Petz war. Der Braunbär, der liebe. Bruno, na klar. Was sonst? Bruno war willkommen. Als Braunbär. Der erste Braunbär seit 170 Jahren. 170 Jahre ist eine verdammt lange Zeit. Fast so lange, wie es statistisch dauert, bis wieder ein Atomreaktor explodiert. Da war man froh, dass der Bruno kam. Bruno wurde zum Medienstar. So schön hätte es werden können. Alle liebten ihren Bruno. Aber dann, eines Tages … Kein Bruno mehr da! Wo er gerade noch durch die Wälder streifte, friedlich und meist unbemerkt, sich von Honigwaben, Beeren und wilden Kräutern ernährte, keinem Tierchen was zuleide tat und keinem Menschen, insgesamt also „unauffällig“ blieb, wie es im Behördendeutsch heißt, da wütete plötzlich ein Monster. Eine blutrünstige Bestie, vor der Schäfchen und Kinderchen und bayrische Omas auf dem Lande nicht mehr sicher waren. Bruno, der Problembär, besudelte die saftigen grünen Weiden der bayrischen Republik mit dem Blut unschuldiger Zicklein. Und schlimmer: Angeblich schnappt er sich in seinem Blutrausch auch die eine oder andere streunende Katze. Für die bayrische Politik der damaligen Zeit, von der geänderten Sachlage genauso überrumpelt wie französische Staatspräsidenten heutiger Tage, gab es nur einen Ausweg: Abknallen! Problembär Bruno wurde zum Abschuss freigegeben. Und nach einigem diplomatischen Hin und Her, begleitet von den typischen Nebengeräuschen in der Öffentlichkeit, auch erledigt. Und zwar richtig. So wie Männer das machen: vom Boden aus. Nicht aus der Luft. Anlegen – Zielen – Treffen: Weg war er! Was soll man da sagen? Deutsche Gründlichkeit eben. Wochenlang hatte man sich vergeblich geplagt, Bruno einzufangen. Das funktionierte einfach nicht. Wie meistens in der Diplomatie: Alle gutgemeinten Versuche fruchten nichts. Aber als es zum Showdown kam, da hatte der Bruno fertig. Das hat sogar der Stoiber besser hinbekommen als heutzutage der Sarkozy. Der ballert in Libyen wild herum. Aber der Problemdiktator ist noch immer da. Hätte er sich an den Bayern mal besser ein Beispiel genommen.
Na jedenfalls: Bruno steht heute ausgestopft im Museum. In einer typischen Problembären-Szene: beim Honigklauen. Das könnte man mit dem Gaddafi auch machen. Ausstopfen und ins Museum stellen. Dann könnten da all die anderen „Dreckskerle“, wie sie Frankreichs bellizistischer Philosoph Bernard-Henri Lévy heute nennt, hinpilgern. Und sich ein abschreckendes Beispiel nehmen: „Nee du, so wollen wir aber nicht enden.“ Dann hätte die Sache doch noch ihr gutes. Dann wären wir die Problemdiktatoren los. Wie die Problembären. Mindestens 170 Jahre lang.