Formfrei

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An dieser Stelle bloggt Publizist und FAZ-Autor Thomas Strobl über die großen und kleinen Dinge des Lebens. Mal kurz und knapp. Mal mit vielen

Problembären und Problemdiktatoren

| 33 Lesermeinungen

Frankreich & Co jagen heute ihren Problemdiktator, so wie vor ein paar Jahren Bayern seinen Problembären jagte. Die beiden Fälle weisen Parallelen auf, meint Thomas Strobl. Und so wie einst bei Bruno in Bayern, brach auch bei Gaddafi in Libyen alles aus heiterem Himmel über uns herein. In einem Punkt könnte Problembär Bruno sogar als Vorbild dienen.

Schnelllebige Zeiten sind so. Fordern ihre Opfer. Weil alles so schnell geht. Da kommt man nicht mehr mit. Gestern war noch alles perfekt. Heute hat man ein Problem. Ein riesiges Problem.

Ich meine: Das kennt man ja. Da sitzt man zum Beispiel in seinem Regierungspalast. Beim Galadiner. Ahnt nichts Böses. Macht das, was alle machen. Alle immer gemacht haben. Macht das, was man am besten kann. Lacht und scherzt. Smalltalkt. Ist gut drauf. Tout le monde hat man eingeladen. Freunde sind zu Gast. Freunde der Republik. Alte Freunde. Gute Freunde. Noch bessere Geschäftsfreunde. In schmucken Uniformen. Toll sehen sie aus. Männer von Format. Sozusagen. Gerne wäre man ja auch… manchmal zumindest. Weil die müssen nicht … denen zollt man noch Respekt … Als Hors d’oeuvre noch Sympathie und goldene Treueschwüre. Zum Hauptgang Händchentätscheln mit Frau Außenministerin. „Gnädigste, besuchen Sie mich doch nächste Woche in meinem Wüstenzelt“ – „Désolée, aber da bin ich schon in Tunis verabredet.“ Dommage. Aber dann der Nachtisch … eine einzige Crème Surprise. Der Freund ist verschwunden. Weg. Aus heiterem Himmel. Am anderen Ende des langen Tisches, da, wo er gerade noch saß, da hockt jetzt ganz was anderes. Was ekelhaftes. Unverschämtes. Ein Problem. Ein Problem, das sich lässig im Fauteuil räkelt, die Füße frech auf den Tisch legt und rübergrinst: „Na, wie stehen die Dinge mit uns beiden?“ Unerhört. Die Intellektuellen der Republik sind empört: Dreckskerl! Weg muss er. Intellektuelle unterscheiden Diktatoren und Problemdiktatoren. Diktatoren sind OK. Problemdiktatoren sind untragbar. Diktatoren bespritzen den staubigen Wüstenboden mit dem Blut ihrer Widersacher. Das kann man hinnehmen. Das ist ihre Angelegenheit. Aber Problemdiktatoren sind anders. Problemdiktatoren bespritzen die Fahne der Republik mit dem Blut ihrer Widersacher. Das ist nicht mehr supportable – biensûr que non! Weg muss er, der Problemdiktator!

Wir Deutschen kennen das Problem. Zwar haben wir keinen Stress mit Problemdiktatoren. Hitlers Wehrmacht und SS-Brigaden haben uns zwar einiges beschert. Aber keine Problemdiktatoren in Nahost, für die wir uns verantwortlich fühlen müssten. Unsere Probleme hören nicht auf den Namen „Muammar“ und stammen nicht aus Libyen. Sie hören auf den Namen „Bruno“ und stammen aus Italien. Viele Probleme stammen von dort. Auch Bruno. Bruno, der Problembär. Als Bruno aus Italien zu uns rübermachte, da war er noch kein Problembär. Da hieß er auch nicht Bruno. Den Namen gaben wir ihm. Bevor er zum Problembären wurde. Als er noch der süße Meister Petz war. Der Braunbär, der liebe. Bruno, na klar. Was sonst? Bruno war willkommen. Als Braunbär. Der erste Braunbär seit 170 Jahren. 170 Jahre ist eine verdammt lange Zeit. Fast so lange, wie es statistisch dauert, bis wieder ein Atomreaktor explodiert. Da war man froh, dass der Bruno kam. Bruno wurde zum Medienstar. So schön hätte es werden können. Alle liebten ihren Bruno. Aber dann, eines Tages … Kein Bruno mehr da! Wo er gerade noch durch die Wälder streifte, friedlich und meist unbemerkt, sich von Honigwaben, Beeren und wilden Kräutern ernährte, keinem Tierchen was zuleide tat und keinem Menschen, insgesamt also „unauffällig“ blieb, wie es im Behördendeutsch heißt, da wütete plötzlich ein Monster. Eine blutrünstige Bestie, vor der Schäfchen und Kinderchen und bayrische Omas auf dem Lande nicht mehr sicher waren. Bruno, der Problembär, besudelte die saftigen grünen Weiden der bayrischen Republik mit dem Blut unschuldiger Zicklein. Und schlimmer: Angeblich schnappt er sich in seinem Blutrausch auch die eine oder andere streunende Katze. Für die bayrische Politik der damaligen Zeit, von der geänderten Sachlage genauso überrumpelt wie französische Staatspräsidenten heutiger Tage, gab es nur einen Ausweg: Abknallen! Problembär Bruno wurde zum Abschuss freigegeben. Und nach einigem diplomatischen Hin und Her, begleitet von den typischen Nebengeräuschen in der Öffentlichkeit, auch erledigt. Und zwar richtig. So wie Männer das machen: vom Boden aus. Nicht aus der Luft. Anlegen – Zielen – Treffen: Weg war er! Was soll man da sagen? Deutsche Gründlichkeit eben. Wochenlang hatte man sich vergeblich geplagt, Bruno einzufangen. Das funktionierte einfach nicht. Wie meistens in der Diplomatie: Alle gutgemeinten Versuche fruchten nichts. Aber als es zum Showdown kam, da hatte der Bruno fertig. Das hat sogar der Stoiber besser hinbekommen als heutzutage der Sarkozy. Der ballert in Libyen wild herum. Aber der Problemdiktator ist noch immer da. Hätte er sich an den Bayern mal besser ein Beispiel genommen.

Na jedenfalls: Bruno steht heute ausgestopft im Museum. In einer typischen Problembären-Szene: beim Honigklauen. Das könnte man mit dem Gaddafi auch machen. Ausstopfen und ins Museum stellen. Dann könnten da all die anderen „Dreckskerle“, wie sie Frankreichs bellizistischer Philosoph Bernard-Henri Lévy heute nennt, hinpilgern. Und sich ein abschreckendes Beispiel nehmen: „Nee du, so wollen wir aber nicht enden.“ Dann hätte die Sache doch noch ihr gutes. Dann wären wir die Problemdiktatoren los. Wie die Problembären. Mindestens 170 Jahre lang.

 


33 Lesermeinungen

  1. Realist sagt:

    Herr Strobl, was hätten Sie...
    Herr Strobl, was hätten Sie denn gemacht? Sagen Sie jetzt nicht „Sanktionen“.

  2. stroblt sagt:

    @Realist
    .
    Ich hätte gar...

    @Realist
    .
    Ich hätte gar nichts gemacht. Die Libyer sind mir gleichgültig. Im engsten Wortsinn: gleich gültig. Gleich gültig wie alle anderen Völker auf dem Planeten, in deren inneren Angelegenheiten, so ätzend und eklig sie auch ablaufen mögen, wir uns aus guten Gründen auch nicht einmischen.
    .
    Und ich sage es noch mal: Wer Gutes tun will, der hat bei sich zuhause genügend Möglichkeiten dazu. In Frankreich gilt das ganz besonders, in den USA auch. Man muss nicht nach Libyen, um seiner „responsibility to protect“ zu fröhnen.

  3. stroblt sagt:

    @fionn
    .
    Nein, keine Chance....

    @fionn
    .
    Nein, keine Chance. Es gibt in meinen Augen aktuell nichts Öderes als VWL. Immer und überall das gleiche Geschwätz.
    .
    Ich habe andernorts genug zu Makro und Finanzwissenschaften geschrieben. Ich habe hier wirklich keinen Bock drauf. Sorry.

  4. stroblt sagt:

    @HansMeier555
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    >Es gibt auf...

    @HansMeier555
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    >Es gibt auf der Welt nicht nur logische Argumente, sondern auch performative Haltungen.
    .
    Sehr guter Hinweis, danke. Wo war Frankreichs „führender Intellektueller“ denn, als sich Sarkozy verbal an den Roma verging? Ich für meinen Teil kann mich nicht erinnern, markante Statements gegen seinen Präsidenten von ihm vernommen zu haben.

  5. HansMeier555 sagt:

    @Thomas Strobl...
    @Thomas Strobl
    .
    Problembären, Problemdikatoren und Problemphilosophen.
    .
    Empörungsgerechtigkeit wäre auch mal ein Thema. Warum sich einer über eines aufregt und anderes nicht. Wer seine Empörung nicht angemessen gleichmässig auf das Weltunrecht verteilt, dem muss man das schon ankreiden, wenn man sich nicht selbst dem Vorwurf unterlassenen Empörungsleistung schuldig machen will.

  6. ThorHa sagt:

    @Thomas Strobl 04. April 2011,...
    @Thomas Strobl 04. April 2011, 10:52
    https://www.bernard-henri-levy.com/larticle-de-bhl-sur-nicolas-sarkozy-repris-dans-le-huffington-post-premier-quotidien-en-ligne-americain-8164.html
    Exakt 10 Sekunden googlen, mein Lieber. Die (nicht nur deutsche) Lieblingsmethode beim Kritisieren – erst verurteilen, dann informieren.
    TH

  7. Realist sagt:

    Libyens Staatsgrenzen und der...
    Libyens Staatsgrenzen und der Diktator als „Souverän“ wichtiger als die Hilferufe der Libyer, die nicht mehr von einem Clown geknechtet werden wollen, und daher ermordet werden? Was soll das bringen, „Frieden“? In Zeiten von Twitter ist das Völkerrecht des 19. Jahrhunderts vielleicht etwas angestaubt. Zuallererst kommen Menschenrechte. Völker funktionieren nicht so gut als Subjekt oder Adressat, zu unscharf definiert. Volksmusik.
    Wenn in Frankreich oder den USA die Regierung auf die Idee kommen sollte, gegen zunächst friedliche Massendemonstrationen mit militärischer Gewalt vorzugehen, wäre ich auch dort für ein UN-Mandat. Bisher gehts auch ohne. Sogar in Deutschland, wo – wir erinnern uns – die Massendemonstrationen in Heiligendamm zum G8-Gipfel auch mit tieffliegenden Tornados „zur Raison gerufen“ wurden. Aber sie haben eben nicht geschossen, das ist der feine Unterschied.

  8. HansMeier555 sagt:

    Was hat es zu zu bedeuten,...
    Was hat es zu zu bedeuten, dass hier alle Thomas heissen? Das der Skeptizismus gesiegt hat?

  9. HansMeier555 sagt:

    @ThorHa
    .
    Thomas Strobl hat...

    @ThorHa
    .
    Thomas Strobl hat nicht behauptet, dass BHL dazu nichts gesagt hätte, nur dass er sich nicht daran erinnern kann.
    Und warum darf ich jemanden nicht genau nach dem beurteilen, was von ihm bei einem durchschnittlichen Medienkonsumenten wie mir ankommt?
    .
    Gegenüber einem Großperformator wie BHL und nach den Maßstäben der Forderung nach Empörungsgerechtigkeit erscheint mir das die einzig mögliche Haltung zu sein: „Ihr seid selber schuld, wenn Ihr Euch nicht an unsere Kampagne nicht erinnern könnt“ — von dieser Ausrede sollten Werbeagenturen lieber Abstand nehmen.

  10. Plindos sagt:

    ThorHa versus Thomas Strobl@,...
    ThorHa versus Thomas Strobl@, : Zu BHL: Doch hatte er, wenn Sie im Archiven zum Jahre d. Heils 2010 in der FAZ nachschauen würden, könnten Sie sogar dort fündig werden. Sarkozy ist damals wg. der Roma und seinen ziemlich rassistischen Äusserungen in der EU schwer in Verschiß geraten. https://www.faz.net/s/RubCC21B04EE95145B3AC877C874FB1B611/Doc~E58BE996BDE6D4514B8A8C9972236D33B~ATpl~Ecommon~Scontent.html

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