Formfrei

Günter Grass im Gespräch

In Ergänzung meines gestrigen Berichts in der FAZ, hier ein Video des Auftritts von Günter Grass am AKW Krümmel, roh und ungeschnitten. Die Qualität ist leider nicht besonders gut, an Equipment hatte ich nur mein iPhone zur Verfügung, das als Erklärung. Zudem ging gleich zu Beginn der eigentlichen Lesung die Batterie zu Neige, weshalb ich diesen Teil der Veranstaltung nur für einige wenige Sekunden filmen konnte. Die sind es aber wert, man erhält zumindest ein paar Eindrücke, daher soll der Clip trotz seines abrupten Endes hier zum Einsatz kommen:

[View:https://www.youtube.com/watch?v=bMDsina8q7U:530:302]

In seiner trotz Schwere des Anlasses amüsanten Lesung trug Grass zunächst aus seinem Band „Mein Jahrhundert“ vor; und zwar eine kuriose kleine Geschichte, „1955“, über „Papa“, der im Garten einen privaten Atombunker ausheben will, dabei verschüttet wird und stirbt. Sein Sohn, der die Geschichte erzählt, wird durch den Unfall und den Verlust des Vaters zum entschiedenen Gegner der Atomkraft, und ist fortan bei allen Protestveranstaltungen mit dabei. Und das, obwohl weder er noch sein Vater noch sonst irgendjemand in der Familie vor dem Unfall größere Vorbehalte gegen die Atomenergie hatte. Ein irrationales Element, ein Nexus, der nicht recht einleuchten will, und ich frage mich, ob das Publikum im Zelt wirklich verstanden hat, dass eine solche Erzählung die Position der Atomkraftgegner gerade nicht untermauert, vielmehr die diffuse Gemengelange und die Widersprüche in den Motivlagen sowohl der Anti-AKW- als auch der Ökofront generell unterstreicht. 

Im Anschluss las Grass eine Passage aus „Grimms Wörter“, seinem neuen Buch. Ein Werk, dass er „aus Liebe zur deutschen Sprache“ verfasst habe, wie er nochmals betont. Daraus auch der Satz, den ich als Opener meines Berichts wählte: „Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß.“

Unmittelbar an die Lesung schloss sich eine Diskussion mit Rainer Burchardt an, dem langjährigen Chefredakteur des Deutschlandfunks. Dieses Gespräch in voller Länge in den nachfolgenden beiden Clips. Im ersten geht es konkret um Atomkraft, um den Einfluss der Lobbies im deutschen Bundestag und demzufolge um die „Machtfrage“; Burchardt kritisiert Medienversagen allenthalben und fordert die Bürger, sich Stéphane Hessels Kampfruf „Empört Euch!“ zu Herzen zu nehmen. 

[View:https://www.youtube.com/watch?v=6bYCZnOgSNc:530:302]

Im zweiten Clip sehnt sich Grass nach Habermas und verdammt … äh, wie heißt er jetzt noch mal gleich? … dieser Philosoph … im Fernsehen … wie heißt der noch gleich? … ach, ja: Sloterdijk! Er sehnt sich also zurück zu Habermas und verdammt Sloterdijk, der durch die Feuilletons geistere und Unsinn verbreite, abwechselnd mit Sarrazin. Zudem gibt es eine Rundreise durch die Probleme der Welt, eine paar Takte zur deutschen und internationalen Politik sowie die Selbsterklärung von Grass, dass er sich trotz SPD-Austritt noch immer als Sozialdemokrat fühlt. Und zuguterletzt die Feststellung, dass Helmut Schmidt der eigentliche Gründer der Grünen war.

Mein Fazit daher: Atomprotest kann ja sooo unterhaltsam sein…

[View:https://www.youtube.com/watch?v=WvGj3gAm8VA:530:302]

 

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