Formfrei

Geschirrspülen mit Bohr und Heisenberg

Es regnet hier in Hamburg. Und Regentage sind Mathematiktage, das war schon immer so bei mir: Mit Mathe beschäftige ich mich vorwiegend dann, wenn sich der Himmel eintrübt und die Schleusen öffnet. Das war schon zu meiner Gymnasialzeit so, da fanden die Mathe-Klausuren meiner Erinnerung stets an Regentagen statt. Das schlug damals aufs Gemüt, und entsprechend waren die Noten. Aber heute lese ich Bücher über Mathematik mit Vergnügen, auch und vor allem an Regentagen.

Wie zum Beispiel das von Rudolf Taschner „Der Zahlen gigantische Schatten – Die fantastische Welt der Mathematik“. Da steckt wirklich alles drinnen, was fasziniert und begeistert; noch dazu ist es locker und leicht verständlich geschrieben – wofür man angesichts der Schwere des Stoffs dankbar ist. Fans des Genres werden darin auf vieles stoßen, was schon anderweitig ausgerollt wurde: die Zahlenbeziehungen in den Kompositionen von Bach zum Beispiel, die kennt man natürlich schon von Douglas R. Hofstadter. Dessen „Gödel, Escher, Bach“ ist aber auch eine ganz andere Baustelle, fällt alleine schon von Umfang und Tiefe her in eine ganz andere Gattung von Lektüre. Im Vergleich dient Taschners Werk mit seinen schlanken 200 Seiten wohl eher der Einführung und seine Tour d’Horizon durch die Wunderwelt der Zahlen gestaltet sich als Kurztrip mit leichtem Gepäck.

Eine Stelle gefiel mir ganz besonders gut, an sich auch nicht neu aber immer wieder gerne gelesen, vor allem in Post-Fukushima-Zeiten. Die Passage gibt eine Anekdote über Niels Bohr wieder, die Werner Heisenberg über einen gemeinsamen Aufenthalt im Gebirge erzählt:

Nach dem Essen [in einer Berghütte] ergab sich bei der Verteilung der Pflichten, dass Niels [Bohr] das Geschirr waschen wollte, während ich den Herd sauber machte, andere Holz hackten oder sonst Ordnung schafften. Dass in einer solchen Almküche die hygienischen Anforderungen nicht denen der Stadt entsprechen können, bedarf keiner Erwähnung. Niels kommentierte diesen Sachverhalt, indem er sagte: „Mit dem Geschirrwaschen ist es doch genau wie mit der Sprache [der Physik]: Wir haben schmutziges Spülwasser und schmutzige Küchentücher, und doch gelingt es, damit die Teller und Gläser schließlich sauberzumachen.“

Taschner verweist mit diesem Zitat auf den Umstand, dass bei der Entwicklung der Quantentheorie einige idealisierende Annahmen getroffen werden mussten; dass die Theorie aber im Großen und Ganzen trotzdem „funktioniert“. Da freut man sich natürlich drüber, dass die Physik im Großen und Ganzen funktioniert, nur halt in den wenigen Ausnahmefällen nicht, wo die Realität von den getroffenen Annahmen abweicht. Und dann halt plötzlich gar nix mehr funktioniert. Noch nicht mal das strunzdoofe Dieselaggregat, das die Kühlung besorgen soll.

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