Ob man die Art und Weise, mit der Griechenland aus dem Schuldensumpf gezogen werden soll, nun „Reprofilierung“ nennt, wie es EZB-Präsident Trichet zu gefallen scheint, oder in den rhetorischen Faserschmeichler-Umhang der „Sanften Umschuldung“ kleidet, wie es die EU-Politik bevorzugt: Schmerzlos dürfte es in der Praxis auf keinen Fall abgehen; da seien die einschlägigen Bilanzregeln für die Banken vor, die üblicherweise eine gewinnwirksame Abwertung vorsehen, wenn die Wertminderung eines Finanzinstruments mehr als 20% beträgt und für länger als 9 Monate zu erwarten ist. Und bei den Forderungsverzichten, die für Griechenland & Co. im Raum stehen, scheint mir das durchaus der Fall zu sein.
Aber lassen wir das Spekulieren über zukünftige Fakten: Einerseits wäre es ja möglich, dass man schwuppdiwupp die Bilanzvorschriften ändert, „aus öffentlichem Interesse“ oder „zur Abwendung von Gefahren für den Finanzmarkt“; andererseits wollen wir hier kein Bilanzierungsseminar veranstalten – das fehlte ja gerade noch!
Nein. Sprechen wir über was anderes. Etwas, das an der ganzen aktuellen Umschuldungsdiskussion wesentlich interessanter ist: die Rhetorik. Es fällt nämlich auf, dass genau die Leute, in Politik wie Medien, die ansonsten nicht müde werden, Staatsschulden mit Blick auf zukünftige Generationen (aka: „unsere Kinder und Enkel“) zu verdammen, nun justament die gleichen sind, die sich gegen einen echten Schuldenschnitt Griechenlands stemmen. Obwohl damit, hüben wie drüben, den kommenden Generationen selbstredend am besten gedient wäre. Und aus welchem Grund sind sie dagegen? Weil die negativen Folgen einer solchen Maßnahme auf die aktuelle Generation zurückfallen – klare Sache!
Spielte das Motiv der Generationengerechtigkeit tatsächlich die zentrale Rolle, wie landauf landab immer wieder betont wird, dann wäre es nur folgerichtig zu fordern, dass die deutschen und weltweiten Sparer, die den Griechen leichtfertig ihre Kohle geliehen haben, mit den Konsequenzen ihres Tuns selbst zurechtkommen. Das wäre sowohl verursachungs- wie auch generationengerecht. Aber genau das passiert nicht: Sattdessen konnte es der Politik gar nicht schnell genug gehen, die heißen Kohlen der Sparer aus dem Feuer zu holen – auf Kosten der Allgemeinheit. Und, ganz selbstverständlich, „auf Kosten kommender Generationen“, wie es ansonsten immer heißt.
Die Debatte zur möglichen Umschuldung Griechenlands stellt damit den üblichen Diskurs der Staatsschulden auf den Kopf. Sie enthüllt, dass aktuelle Gläubigerinteressen die Verhandlungen bestimmen, nicht zukünftige Schuldnerinteressen. Statt um Gerechtigkeit für Kinder und Enkelkinder geht es, wie in früheren Debatten zu Bildung und Rente, um den finanziellen Eigennutz der Eltern und Großeltern.
Klasse. Ausführlicher...
Klasse. Ausführlicher vielleicht, aber besser kann man das nicht sagen.
Das erkärt auch, warum immer von Schulden gesprochen wird, obwohl die allen eigentlich immer völlig schnuppe sind, es geht um Liquidität. Wer zahlen kann, darf soviel Schulden haben, wie er will, sogar noch mehr.
Die Griechen haben ja vergleichsweise geringe Schulden.
Sehr schöne Anmerkung des...
Sehr schöne Anmerkung des „Schuldenpapstes“ 😉
Und ja: Jede Medaille hat zwei Seiten. Die Politiker betonen immer die, die ihnen gerade am besten passt (oder wenn sie Rückgrat haben: in die eigene Ideologie am besten passt).
Wie ist eigentlich die...
Wie ist eigentlich die Vermögensverteilung in GR? Statt zu privatisieren oder wie Fr. Merkel zu mehr Arbeit anzutreiben, könnte man sich doch erst mal an die höheren Privatvermögen der Griechen halten und diese besteuern. Wenn das ähnlich wie in Deutschland verteilt ist, wär da doch viel zu holen, und die armen Normalo-Griechen, die einfach nur normal lebten und von all dem nichts verstanden und sich auch nichts zu Schulden kommen ließen oder „über ihre Verhältnisse“ (was ist das?) „lebten“ – die blieben unbehelligt. Was sagen die Experten?
Sie haben Recht. Um...
Sie haben Recht. Um Generationengerechtigkeit, was auch immer es ist, geht es nicht. Die Rede von Generationengerechtigkeit ist ist praktisch in der jeder Hinsicht fragwürdig.
https://thomasweber.blog.de/2011/02/24/nachhaltigkeit-zukuenftige-generationen-generationengerechtigkeit-10675783/
Auch wenn die Frage...
Auch wenn die Frage interessant ist, ist die Antwort wohl doch einfach:
Merkel ist *deutsche* Bundeskanzlerin und schert sich nicht sonderlich um die Lasten zukünftiger *griechischer* Generationen.
(das wird sie zwar nie so nationalistisch sagen, aber denken schon).
Das Argument mit den Generationengerechtigkeit müssten die Griechen mal auf den Tisch bringen …
@egghat
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Ich meinte nicht nur...
@egghat
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Ich meinte nicht nur die zukünftigen Generationen Griechenlands, sondern auch deutsche: Wenn man eigentlich überzeugt ist, dass bestehende Forderungen nicht mehr beglichen und ausgebucht werden sollten, sich davor aber drückt und das Problem in die Zukunft verschiebt – ist das zukünftigen deutschen Generationen gegenüber gerecht, die dann schließlich an der Anschreibung nicht mehr vorbeikommen werden? Was hier betrieben wird, ist ein typischer Fall von „Hinter uns die Sintflut“.
(Fast) Niemand wagt es...
(Fast) Niemand wagt es auszusprechen. Es geht nicht um Generationengerechtigkeit sondern um unsere Politiker, die Geld am liebsten so ausgeben, dass 1. Sie selbst am meisten davon haben – und wenn es nur zusätzliche Mitarbeiter, Beamte und Einkommen sind und 2. dass das Wahlvolk glaubt, das Geld für für sie oder für einen guten Zweck ausgegeben.
Deutschland ist damit nicht so weit weg vom Gebaren Griechenlands. In GR gehen die Menschen mit 55 in Rente und die Politiker sind faul. Bei uns sind die Politiker auch nicht fleißiger, machen dafür aber Unsinn bis zu einem Alter von 70 Jahren. Peer Steinbrück lässt grüßen.
Man sollte vielleicht noch...
Man sollte vielleicht noch ergänzen, dass diejenigen, die überhaupt als Gläubiger von Griechenland hierzulande in Frage kommen, das obere Drittel der Gesellschaft sind, denn die unteren zwei Drittel legen kaum privat an. Die unteren zwei Drittel werden aber zukünftig die Lasten der Rettung tragen.
Und dann finde ich auch die Argumentation beim Spiegelfechter sehr plausibel, dass nämlich diese ’sanften‘ Aktionen der Euroretter bzw. deren Weigerung, einen Haircut zu akzeptieren, nur dazu dienen, Zeit genug zu haben, die kurzfristigen hochrentablen weil hochverzinzlichen Griechenlandanleihen, welche die Banken aktuell halten, möglichst noch gegen Wechsel der Steuerzahler auszutauschen, bevor die Umschuldung unausweichlich wird. Wegen der Restlaufzeiten dieser Hochzinstitel braucht man noch 1 bis 2 Jahre Aufschub. Daher diese sehr teure Verzögerungstaktik unserer Politiker. Die Banken müssen erst ihr Scherflein ins Trockene bringen, dann erst darf die Stunde der Wahrheit schlagen.
Und bis dahin gilt die Sprachregelung von Prof. Sinn, wir hätten keine Euro-Krise sondern eine Schuldenkrise (Hört man mittlerweile auf allen Kanälen). Damit kann man dann noch die lieb gewonnene Austeritätspolitik schön rechtfertigen.
Frau Merkel & Consort, halten...
Frau Merkel & Consort, halten zu Gnaden, haben keine Enkel, auch systemische nicht. Basta! (Dagegen, ich habe Enkel, um deren Wohl und Wehe ich sehr besorgt bin). C`est vrai: Voilà, apres nous la dèluge!
Gut gebrüllt Löwe, es...
Gut gebrüllt Löwe, es könnte jedoch noch besser klingen.
Dann nämlich, wenn z.B. eine TV-Frau Maischberger sich während einer Talkrunde hinstellt und mehr Steuern für SICH fordert: Eigene Leistung, um die Idee eines gemeinsamen Europas voranzubringen.
Sie könnte ja sagen: „Ich habe 200.000€ netto im Jahr, bitte erhöht die Steuern für mich und meinesgleichen, damit unseren europäischen Freunde imSüden geholfen werden kann.“
Warum hört man NICHTS in dieser Richtung? Wo bleibt die IDEE? Wo bleibt das HELFEN-WOLLEN? Wo bleibt das GEFÜHL für eine Zukunft des Miteinanders?
Ist Gesellschaft heute nur noch FIRMA?