Formfrei

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An dieser Stelle bloggt Publizist und FAZ-Autor Thomas Strobl über die großen und kleinen Dinge des Lebens. Mal kurz und knapp. Mal mit vielen

Vatertag

| 17 Lesermeinungen

Vatertag ist Joggingtag. Zumal dann, wenn die Sonne lacht und zum morgendlichen Trimm-dich geradezu auffordert. Raus in die Natur!, das Motto gilt an diesem Tag aber bekanntlich auch all jenen als Imperativ, die im Komasaufen einen anregenden Zeitvertreib erblicken und der Sturztrunkenheit nicht ohne Licht, Luft und Vogelgezwitscher begegnen wollen.

Vatertag ist Joggingtag. Zumal dann, wenn die Sonne lacht und zum morgendlichen Trimm-dich geradezu auffordert. Raus in die Natur!, das Motto gilt an diesem Tag aber bekanntlich auch all jenen als Imperativ, die im Komasaufen einen anregenden Zeitvertreib erblicken und der Sturztrunkenheit nicht ohne Licht, Luft und Vogelgezwitscher begegnen wollen.  

Ich ziehe also los, mein Sohn auf seinem Fahrrad nebenher, und es dauert nicht lange, bis uns die erste Bollerwagen-Gang entgegenkommt. Ist’s noch das Koffein oder schon das Bier? Ich weiß es nicht, aber ihre Betriebstemperatur haben die jungen Herren bereits erreicht, daran besteht kein Zweifel. Bedrohlich, nein, bedrohlich sind sie keineswegs,  im Vorbeilaufen erkenne  ich Anzeichen von Spaß und guter Laune, man lacht und scherzt. Das wird sich im weiteren Tagesablauf noch steigern, keine Frage, wenn anschwellende Blutalkoholwerte bei sommerlichen Temperaturen das Blick- zum Nebelfeld und die Beine zu Gummi vermanscht und den Verstand auf die Leistungsfähigkeit von „Lalala“ und „Heyheyhey“ reduziert haben.

Mein Sohn guckt mich an und ich guck ihn an, „Papa, warum betrinken sich die Männer auf offener Straße?“, und ich muss einräumen: „Keine Ahnung, mein Junge, wahrscheinlich, weil sie sonst nichts Besseres zu tun haben.“ So wird es wohl sein und nur so kann ich mir erklären, warum man seit geraumer Zeit auch weiblich besetzten Bollerwagen-Prozessionen begegnet, deren Anspruch auf Einebnung der Geschlechterdifferenz zwar den Suff für sich reklamiert, aber bitte nicht am Muttertag, weil der gehört bekanntlich Kaffee und Kuchen und Mami-ich-hab-dich-so-lieb-Gedichten. Und das verträgt sich nunmal nicht mit Extrem-Saufen. So gesehen ist es also gut, dass die Väter sich offenbar schon so in die Ecke gedrängt fühlen, dass sie ihren Ehrentag nur noch auf eine Art begehen können, indem sie sich nämlich mit jeder Buddel ein Stück mehr aus ihm verabschieden;  denn das eröffnet ihren Frauen die Gelegenheit, eine Position auf Augenhöhe zurück zu erobern – und sei es nur, indem man lallend nebeneinander auf der Grünfläche zu liegen kommt. Natürlich nicht, ohne seine 1,8 Promille vorher noch auf Megapixel-Format zu bringen und in die große, weite Facebook-Welt zu entsenden. Denn wenn schon öffentlich, dann total öffentlich, sonst ist der Spass ja nur halb so groß.

Tags darauf wird man in der Zeitung lesen, dass das lustige Vatertagstreiben für einige seiner Protagonisten leider tödlich endete, und da und dort wird die Forderung laut, man möge Alkoholgenuss in der Öffentlichkeit verbieten. Und so fügt es sich, dass ich an meinem Vatertagmorgen nicht nur um 500 sportliche Kalorien ärmer, sondern auch eine Erkenntnis reicher werde, denn in der Tat: So wird es kommen! Eine Öffentlichkeit, die vom Glimmstengel bis zum Kopftuch alles Mögliche aus seinem Blickfeld verbannt, wird über kurz oder lang nicht dulden, dass Strassen und Parks von biederen Bürgern zu Ballermann-Strandabschnitten umfunktioniert werden. Besauft Euch, wenn Ihr wollt, aber bei Euch zuhause!, so wird der unbarmherzige Bannspruch lauten, mit dem das Private wenigstens wieder einmal ein Comeback feiern darf. Etwas, womit man in der Ära von Post Privacy ja schon gar nicht mehr rechnen durfte, in der wir es und doch angewöhnt haben, mittels Twitter live im Schlafzimmer von Estelle Schulze-Lenhart und  Liam Bartenhuber die Lampe zu halten. So gesehen ist das öffentlich gelebte Vatertagsbesäufnis ohnehin ein Relikt längst vergangener Zeiten, denn der Massenappeal der Social-Media-Zukunft beruht auf reiner Virtualität, und da ist zwar Kommunikation Trumpf aber tatsächliche Interaktion ja eigentlich total out. Heißt im Klartext: Fabriziert einen Bollerwagen-Clip und stellt ihn auf Youtube aus, aber belästigt die Real World bitte nicht mit Euren Peinlichkeiten. In der wollen abstinente Papis und Mamis schließlich des Morgens mit ihren Kindern joggen. Auch am Vatertag.

 

 


17 Lesermeinungen

  1. BruderTag sagt:

    Vater - das ist für die...
    Vater – das ist für die meisten Kinder allenfalls derjenige der frei nach Falco mit den Worten „Mutter der Mann mit – deR KoHLE – ist da“ begrüßt wird. Denn eines sind alle Männer: Das Kollektiv namens Zahlvater Staat, egal ob du es nun tatsächlich bist oder nur MÖGLICHERWEISE. Das ist Feminismus.

  2. Real World? Die "real world"...
    Real World? Die „real world“ besteht aus unglaublichen Unverschämtheiten gegen VÄTER wie dem § 1626a BGB. Da wird Kidnapping einfach in legitime Unterhaltsforderung bei gleichzeitigem dein Kind bekommst du nicht zu sehen umbenannt.

  3. Hans Retep sagt:

    Alkohol ist ein Problem, oder?...
    Alkohol ist ein Problem, oder? Aber die vorgeschlagene Lösung gefällt Ihnen nicht. Muss man vielleicht auch nicht so ernst nehmen, weil solche Schnellschuss-Forderungen typisch Politik sind. (Nur bei Guttenberg hat kein CDU/CSU-Politiker härtere Strafen für Titel-Betrüger gefordert.) Alkohol zerstört Menschen, Familien, trotzdem gibt es gesellschaftlich eine hohe Toleranz für den Alkohol. Die Frage bleibt, was ist eigentlich das Problem? Nur wenn man das weiß, kann man es auch lösen. Wie wär’s mit Externalitäten? Sollte man nicht die Leute, die ihr Geld mit Alkohol verdienen, an ihren finanziellen Eiern packen, um sie an den Kosten zu beteiligen, die Alkohol verursacht? Krankenkassen, Soziale Dienste, Polizei und Gerichte wären sicher dankbar. Auch jene, die kein Opfer von Alkohol werden, weil er schlicht zu teuer ist, würden sich vielleicht nicht beschweren, oder nur ein bisschen, weil man ja immer hofft, dass es einen nicht selbst erwischt.

  4. stroblt sagt:

    @Hans Retep
    .
    Nein, die...

    @Hans Retep
    .
    Nein, die vorgeschlagene Lösung ist in meinen Augen kein Problem. Warum sollte Alkoholgenuss nicht genauso aus der Öffentlicihkeit verbannt werden, wie zB praktizierter Sex oder auch nur Nacktheit?

  5. Hans Retep sagt:

    @Thomas Strobl: Hab ich also...
    @Thomas Strobl: Hab ich also im letzten Absatz Ironie entdeckt, wo keine ist? Im Text argumentieren Sie mit „Glimmstengeln“ und „Kopftüchern“ statt mit nackten Tatsachen. „Alles Mögliche“ zu verbieten, wie Sie dann schreiben, liest sich eher wie ein Vorwurf als wie ein berechtigtes Anliegen.

  6. Plindos sagt:

    Pater incertamine. Das Ideal...
    Pater incertamine. Das Ideal von Patchwork families oder so. Outdoorsex ist die Variante der neuen privacy.
    ..
    Vatertag:
    Arm im Geiste aber reich an Alc.
    ..
    Christi Himmelfahrt bedeutete in Zeiten als die Bibel noch Halt bot: Heimfahrt zum Vater.

  7. stroblt sagt:

    @Hans Retep
    .
    Sagen wir's mal...

    @Hans Retep
    .
    Sagen wir’s mal so: Ich kann Kopftuchträgerinnen egal welchen Glaubens in der Öffentlichkeit hundertmal mehr ertragen, als grölende Jungmännerbrigaden, die eine Wolke aus Alkohol hinter sich herziehen. Aber natürlich bin ich mir darüber im Klaren, dass das eine subjektive Wertung ist, die man auch genau umgekehrt oder noch ganz anders treffen könnte.

  8. Jeeves3 sagt:

    Muss es sein? Es muss sein! Es...
    Muss es sein? Es muss sein! Es muss sein!
    Ich mochte schon immer den DEMON ALCOHOL-Song der KINKS:
    https://www.youtube.com/watch?v=_f5Y2sVbdAo
    Auch weil eine Freundschaft an Alkohol kaputt ging und eine zweite fast…

  9. auch-einer sagt:

    dabei liegt die lösung doch...
    dabei liegt die lösung doch auf der hand:
    der gesetzliche feiertag christi himmelfahrt wird abgeschafft.
    .
    überhaupt wird in diesem land noch immer zuviel gefeiert und zu wenig gearbeitet. auch hier liegt die lösung auf der hand, was z.b. zweiten weihnachtsfeiertag, ostermontag und pfingstmontag angeht.
    .
    und überhaupt, der pöbel säuft. herren trinken, möglichst noch wegen dem genuss.

  10. fionn sagt:

    @ Thomas Strobl gestern 15.59h...
    @ Thomas Strobl gestern 15.59h cc: Jeeves3 22.20h gestern.
    Hier ein passender Witz (auf E):
    An Irishman is sitting next to a Muslim in a plane and the flight attendant asks what they would like to drink.
    „A whisky for me, please“ says the Irishman
    „I would rather be raped by a dozen whores than drink any alcohol“ says the Muslim very firmly (sehr entschieden).
    „Me too“ says the Irishman „I didn’t know we had a choice“.

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