Interessiere ich mich für die Frauen-Fussball WM? Nein. Nicht die Bohne. Genauso wenig wie ich mich für Frauen-Boxen, Frauen-Catchen, Frauen-Karate oder Frauen-Sonstwas-das-eigentlich-Männerdomaine-ist-aber-jetzt-von-Frauen-auch-erobert-wird interessiere. Ich kann mich sehr für Frauen begeistern, in allen Lebenslagen, aber nicht, wenn sie sich die Fresse blutig polieren oder sich auf dem Stadionrasen ins Schienbein grätschen. Das stört einerseits mein ästhetisches Empfinden, andererseits vermag es in mir aber auch nicht dieses Moment des Irrationalen zu wecken, tief innen in mir, diese Wurzel aller überschwenglichen Begeisterung im Thymos zu berühren, die verantwortlich dafür ist, dass man(n) sich in der Moderne von so etwas Sinnlosem wie Sport überhaupt noch faszinieren lässt. Sorry, meine Damen: Damit will ich nicht im Mindesten meine Geringschätzung Ihrer körperlichen Leistungen oder Ihres spielerischen Talents zum Ausdruck bringen. Ganz und gar nicht: ein großes Bravo dafür! Aber wenn Sie mich fragen, ob ich irgendein Gefühl empfinde, wenn ich Ihnen 90 Minuten lang zugucke, wie Sie über das Feld wetzen und wenn ja, welches – dann sage ich Ihnen frank und frei: Ungefähr das gleiche Gefühl, als würde ich 90 Minuten lang einem tropfenden Wasserhahn zusehen. Manche werden auch dafür Begeisterung aufbringen können, keine Frage, aber ich für meinen Teil gestehe: Not my cup of tea.
Gewiss entblöße ich meine Seele – aber sei’s drum! -, wenn ich mit Medienwissenschaftler Nobert Bolz sage: Sport ist das letzte verbliebene Rückzugsgebiet der Männlichkeit; der Ort, an dem die urzeitlichen Jäger noch Jäger sein dürfen, während die übrige Gesellschaft keinen Platz mehr für sie hat. Beim Sport geht es um’s Ganze, hier begegnen wir der Vormoderne. „Richtige“ Männer überzeugen durch performative Aggression, genießen die Gelegenheit, körperlich auftrumpfen zu dürfen und dem Gegner zu signalisieren: Ich bin der Bessere. Die großen Heroen des Sports kennen kein „vielleicht“ und kein „ja, aber“, sie sind entweder schneller als der andere – oder nicht; springen weiter als der andere – oder nicht; schießen den Ball ins Tor – oder nicht. Wer als Athlet siegt dominiert den Gegner, der Sieg ist alles, es zählt kein Philosophieren und kein Schönreden: Entweder du oder ich! Keine noch so um Empathie heischende Loser-Rhetorik à la „Dabeisein ist alles“ oder „Meister der Herzen“ vermag daran etwas zu ändern. Im Sport geht es einzig und allein um Rivalität, hier darf der Bessere tatsächlich noch das übrige Feld dominieren, hier darf er seine Mitbewerber offen und ehrlich dominieren wollen: ein Wunsch, mit dem man sich außerhalb der Sportarenen als nur eingeschränkt gesellschaftsfähig outen würde. Sport hat keinen Sinn und keinen Zweck, Niki Lauda meinte einmal, er habe Besseres zu tun, als 70 Runden lang im Kreis zu fahren – und dennoch ist die Formel 1 als perfekte Verbindung von Rivalität und Risiko die ideale Projektionsfläche für all das, was Mann gerne wäre und man früher einmal auch gerne im Mann sah, aber heute eben nicht mehr und wenn doch dann nur in geordneten Bahnen, auf zivilisierte Form gebracht durch den Sport. Sport ist symbolisierter und medialisierter Konflikt, hier ist der Triumph noch authentisch, darf der Sieger in aller Deutlichkeit über dem Verlierer stehen, gilt die Nummer 1 noch als Nummer 1. Gleichheit eint hier all diejenigen, die nicht als Erster ins Ziel kommen. Für den „hervorragenden zweiten Platz“ applaudiert man mit routinemäßiger Höflichkeit, ja, er hat sich wacker geschlagen, doch, doch, er hatte seine Chancen – aber in Wahrheit interessiert das kein Schwein, und binnen kürzester Zeit wüßte auch niemand mehr zu sagen, um wen es sich eigentlich gehandelt hat.
Auch wenn man für die aufdringliche Muskelästhetik eines Ronaldo nur wenig übrig hat und eher der plüschigen Metrosexualität eines David Beckham zuneigt, so ist Sport noch immer gleichbedeutend mit Körperlichkeit. Niklas Luhmann meinte gar, Sport präsentiere als einziges noch den nirgendwo sonst mehr so richtig in Anspruch genommenen Körper, er legitimiere das Verhalten zum eigenen Körper durch den Sinn des Körpers selbst. Das ist bezogen auf den Frauenfußball natürlich nur eingeschränkt richtig, denn zweifellos hat die Gesellschaft für den weiblichen Körper auch anderweitig eine Menge Verwendung, first and foremost natürlich als Sexobjekt. So können aber natürlich nur Männer denken, pfui deibel, beim Ladykicken geht es selbstverständlich um ganz was anderes, um wahre Werte, um körperliche Ertüchtigung und Teamgeist, klare Sache – das auch die Gedanken, die mir als erstes durch den Kopf gehen, während ich mir die Fotos der deutschen Fußball-Damen im Playboy-Magazin angucke. So gesehen ist diese Frauen-Fußball-WM in Deutschland natürlich auch eine 1A-Gelegenheit, um mal mit diesen ganzen überkommenen Klischees aufzuräumen, meint zumindest Tatort-Kommissarin Maria Furtwängler. Diesem Wunsch schließen wir uns gerne an, machen wir also das Playboy-Heft zu und stellen mit Frau Furtwängler fest: „Diese Bajramaj ist ja sehr süß!“.