Zum zweiten Mal passiert es mir, dass ein Freund, mit dem ich einige Zeit keinen Kontakt hatte, mir erzählt, dass er sich von Frau und Kind getrennt habe. Weil er sein Leben von Grund auf ändern wolle, sagt er. Die Begleitumstände seien komplex gewesen, einen Herzfehler habe man bei ihm diagnostiziert, eine schwere Operation sei ihm bevor gestanden – Anlass also, über die ersten 40 oder so Jahre seines Lebens nachzudenken. Und wie die zweiten sein sollten, oder besser: nicht mehr sein sollten, so er denn die Operation überlebe. Ein Entschluss wurde gefasst, die Liebe seiner Jugend damit konfrontiert, was genau es war, das er ändern wollte, weiß ich auch nicht – aber für die Frau jedenfalls betrüblich genug, die gemeinsame Tochter im Teenager-Alter sowie ihre Sieben-Sachen zusammenzupacken und das Haus zu verlassen. So geschehen bereits vor 2 Jahren, vor ein paar Monaten nun habe man sich endgültig scheiden lassen, in aller Freundschaft, so sagt mein Freund; schließlich sei er hinsichtlich des Finanziellen sehr großzügig gewesen – Freunde hätten ihm dazu geraten, finanziell großzügig zu sein, das würde die Dinge einfacher machen, vor allem hinsichtlich der Tochter und so.
Ich war baff, meine Frau war baff, weniger wegen der Geschichte als solches, Paare trennen sich, das ist ja keineswegs neu. Aber uns passiert das halt nun schon zum zweiten Mal, wie gesagt, und in beiden Fällen hätte ich auf alle anderen Paare eher getippt als ausgerechnet die beiden, oder besser: jeweils ihn, denn die Männer waren ja jeweils die Auslöser, nicht die Frauen. Mag es daran liegen, dass beide Ihr-Leben-plötzlich-ändern-wollende als Unternehmer erfolgreich und fleißig waren und dann von einem Tag auf den nächsten plötzlich realisierten, dass sie irgendetwas versäumt und das Versäumte nachholen müssten; mag es ganz banal am fortschreitenden Alter der Frauen liegen und der Reiz der Jugend gelockt haben: ich weiß es nicht. Aber fest steht, dass der eine der beiden nach kurzer Zeit mit einer deutlich Jüngeren dort weitermachte, wo er mit seiner früheren und nun Nicht-mehr-ganz-so-jungen aufgehört hatte: Man zog zusammen und hatte wenig später zwei Kinder, und seither lebt man offenbar glücklich und zufrieden. Ohne Trauschein allerdings.
Was mich zu diesem FAZ-Beitrag über den „Gay Marriage Act“ in New York bringt – einem Durchbruch für die Homosexuellen-Bewegung, keine Frage, den die FAZ mit „Triumph der Gleichheit“ übertitelt. Formal mag das stimmen, aber darüberhinaus ist mit „Gleichheit“ nicht mehr viel her, denn keine 5 Tage früher las ich im Economist-Magazin über den traurigen Umstand, dass die Ehe zum Randgruppenphänomen zu verkommen scheint und zumindest in den USA kaum mehr die Hälfte der Paare den Bund fürs Leben schließen mag:
„Less titillating are revelations about the sorry state of marriage across the United States. Data from the Census Bureau show that married couples, for the first time, now make up less than half (45%) of all households.
The iconic American family, with mom, dad and kids under one roof, is fading. In every state the numbers of unmarried couples, childless households and single-person households are growing faster than those comprised of married people with children, finds the 2010 census. The latter accounted for 43% of households in 1950; they now account for just 20%. And the trend has a potent class dimension. Traditional marriage has evolved from a near-universal rite to a luxury for the educated and affluent.“
Vor diesem Hintergrund ist es einerseits paradox, dass ein so erbitterter Kampf um die Homosexuellen-Ehe ausgetragen wird, während deren Stern in der übrigen Bevölkerung kontinuierlich im Sinken begriffen ist; andererseits aber wird das Institut als (temporäre) Lifestyle-Entscheidung der „affluent society“ umso verständlicher, denn schießlich hat man die Mittel und die Möglichkeiten für jedweden Ausgang der Geschichte, mag sie dauern „bis das der Tod Euch scheidet“ oder auch nur wesentlich kürzer. Glaubt man dem Economist-Beitrag, dann ist die Ehe eine Art Wohlstandsversicherung, zu zweit lebt es sich offenbar sicherer und kostengünstiger – ein Faktor, der die nun auch in New York neuvermählten beautiful people wohl nicht die zentrale Rolle spielen wird, aber den übrigen Amerikanern, die losgelöst von Heim und Herd auf den Wellen des US Arbeitsmarktes dahintreiben, auch nicht mehr zugute kommt.
Es hätte mich interessiert, wie die Situation in Deutschland aussieht; aber korrespondierende Zahlen konnte ich auf die Schnelle nicht finden. Allerdings signalisiert dieser Chart, den ich mir aus destatis-Daten gebastelt habe, nichts Gutes:
Weil alles Gute ja früher oder später aus Amerika zu uns rüberschwappt, werden auch wir vermutlich in nicht allzuferner Zukunft feststellen, dass nur noch Minderheiten vor den Traualtar treten wollen. Spätestens dann werden liebgewonnene bürgerliche Errungenschaften wie zum Beispiel das Ehegatten-Splitting im Steuerrecht als Anachronismus erscheinen – man darf auf die politische Debatte darüber schon jetzt gespannt sein.
Bis dahin trösten wir uns mit der Einsicht, dass man es mit der Heirat ja auch so halten könnte wie mit dem Sport: Lieber den Profis dabei zusehen statt umständlich selber machen! Da trifft es sich, dass die nächste Monarchen-Hochzeit kurz vor der Tür steht…