Formfrei

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An dieser Stelle bloggt Publizist und FAZ-Autor Thomas Strobl über die großen und kleinen Dinge des Lebens. Mal kurz und knapp. Mal mit vielen

Besser scheitern

| 17 Lesermeinungen

Wie jedes Jahr gehen drei Freunde in Kanada auf Elchjagd.Sie lassen sich in ein kleines Tal mit einem See fliegen, in dem das Wasserflugzeug landen kann. Nach drei Tagen kehren sie zurück. Jeder hat einen Elch erlegt. Sie beginnen das Flugzeug voll zu packen, binden den einen Elch an den linken Schwimmer, den anderen an den rechten und den dritten verstauen sie im Gepäckraum. Würde das so beladene Flugzeug noch abheben können und es über die nahen Baumwipfel schaffen? Egal: Den 3 Freunden geht es um etwas anderes...

In einem Buch des österreichischen Managementtrainers Roman Braun las ich gestern folgende Anekdote:

„Wie jedes Jahr gehen drei Freunde in Kanada auf Elchjagd.Sie lassen sich in ein kleines Tal mit einem See fliegen, in dem das Wasserflugzeug landen kann. Nach drei Tagen kehren sie zurück. Jeder hat einen Elch erlegt. Sie beginnen das Flugzeug voll zu packen, binden den einen Elch an den linken Schwimmer, den anderen an den rechten und den dritten verstauen sie im Gepäckraum. Der Pilot, der das alles ruhig beobachtet, empfiehlt ihnen, zweimal zu fliegen, weil mit voller Bepackung und Besetzung das Flugzeug zu schwer und der See als Startbahn zu kurz wäre. Daraufhin erklärte ihm einer der drei Freunde: „Guter Mann, wir tun das nun schon seit zehn Jahren und es ist immer der gleiche See, wir drei sind die gleichen, es sind immer drei Elche und es ist immer das gleiche Flugzeug. Nur der Pilot ist dieses Jahr jemand anderer, nämlich Sie!“ Der Pilot fühlte sich bei seiner Ehre gepackt, startete das überfüllte Flugzeug, setzte so weit wie möglich zurück, ließ die Motoren auf Hochtouren laufen und glitt mit dem Wasserflugzeug über den See, zog es im letzten Moment hoch, kam über die ersten Baumwipfel hinweg … Doch dann verfing sich ein Schwimmer in einem Baumwipfel, das Flugzeug stürzte ab und alle fielen heraus. Der erste der drei rappelte sich auf und rief einen seiner Freunde: „Hallo Paul! Wo sind wir da?“ Paul rappelte sich auf und antwortete: „Ich weiß nicht genau, aber ich glaube circa zwanzig Meter weiter als voriges Jahr.“

Eine hübsche, kleine Geschichte wie ich finde, die mich sehr an die aktuelle Politik erinnert. Statt klarer und verbindlicher Ziele, auf deren Erreichung hingearbeitet wird, verfährt man seit geraumer Zeit nach der Maxime des „besser Scheiterns“, vergeudet seine ganze Kraft im Kampf um die Haltungsnoten, während in der Hauptdisziplin die Alternativlosigkeit zum Leitmotiv erklärt wird. „Wir können’s zwar nicht, aber die anderen auch nicht“, keine Visionen und keine Ideen, kein Charisma und keine Führungsstärke, keine mitreißenden Reden und kein energisches Einstehen für Erneuerung. Egal ob Steuern, Sozial-, Energie- oder Wirtschaftspolitik, überall scheint zu gelten:„Wir wollen nicht alles anders machen, aber dafür vieles besser“. Ein leerer Spruch, den wir jetzt schon des Öfteren zu hören bekommen haben, von Leuten, die im Wahlkampf noch als Tiger sprangen, es sich aber dann in der Rolle des Bettvorlegers so richtig kuschelig machten, noch bevor sie die erste Regierungserklärung abgegeben haben.

„Besser Scheitern“ – ein Motto, das sich die schwarz-gelbe Koalition und darin insbesondere die FDP auf die Fahnen schreiben sollten. Diese Regierung hat zwar keinen Kurs, aber den hält sie mit Bravour. 

 


17 Lesermeinungen

  1. kcw1 sagt:

    Gut gebrüllt Löwe! Doch...
    Gut gebrüllt Löwe! Doch besser machen? Lead, follow oder verdrück dich, das hat mir gefallen. Wissen wir doch alle am Stammtisch was wir nicht wollen. Doch verlangt die „intellektuelle Redlichkeit“ nicht auch, das wir eine Vorstellung von dem vorweisen können was wir wollen, besser machen würden? Schön zu scheitern ist doch längst eine Zeitgeisttugend der sich die Politiker, Aktivismus ist alles, nicht entziehen können und welche vom Souverän Wähler oft auch positiv sanktioniert wird.

  2. fionn sagt:

    Schon wieder Freitag!
    Auch...

    Schon wieder Freitag!
    Auch „POETS Day“ genannt im Londoner Finanzviertel
    (Push Off Early, Tomorrow’s Saturday – Leave the office early, tomorrow is Saturday).

  3. fionn sagt:

    Scheitern? Doch es gibt...
    Scheitern? Doch es gibt Leute in der Eurozone, die heute prächtig verdienen, NUR weil der euro so schwach ist. Es sind les frontaliers, die Franzosen, die taglich nach Genf pendeln und dort in CHF bezahlt werden. Friseurs, Büroangestellten, Handwerker usw.

  4. Laurence Stern "Tristram...
    Laurence Stern „Tristram Shandy“, Viertes Buch, 13. Kapitel:
    „Der Himmel segne die Papierfabrikanten unter der glücklichen Regierung, die sich jetzt vor uns eröffnet hat!-wie ich hoffe, daß die Vorsehung auch jedes andere Ding, das unter dieser Regierung vorgenommen wird, segnen werde.“
    (Der FAZ und allen anderen seriösen Zeitungen zugedacht)

  5. colorcraze sagt:

    @fionn: die Schweiz als in der...
    @fionn: die Schweiz als in der Eurozone schwimmendes Fettauge ist ein Sonderfall. Gewissermaßen die Zitadelle der Burg. Wie es jedoch mit der großen Insel vor den Toren weitergeht, steht in den Sternen, und die Burg ächzt und krächzt auch.

    Ansonsten, „schöner scheitern“ oder „besser scheitern“: das ist so nifty Nineties. Ist das alles, was von jener Zeit bleibt? (Von den 80ern wars „gut gemeint ist nicht gut“).

  6. colorcraze sagt:

    @Vroni: Scheitern als Ziel...
    @Vroni: Scheitern als Ziel wäre identisch mit tiefgreifender Bewußtseinsstörung. Da wäre dann die Überlebensfähigkeit der Menschen kaputt.

  7. Epicurea sagt:

    schoener scheitern ist doch...
    schoener scheitern ist doch auch schon eine verbesserung… und mehr braucht die politik anscheinend nicht, um die leute zu blenden.

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