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Für Demokratie und Menschenrechte – mit dem Geld der Chinesen

Unsere Epoche, ohnehin nicht arm an Paradoxien, wartet dieser Tage wieder mit einigen besonderen Schmankerl auf für all jene, die sich ihren Blick für das Widersprüchliche bewahrt haben: Da stellt sich ein US Präsident Obama hin und spricht dem syrischen Regime in Pausch und Bogen die Legitimation ab, im Hintergrund rasseln schon wieder die Säbel der Freiheit und die ersten Bomberpiloten gucken auf die Uhr, aber wenn’s zum Schwur kommt und man wie zuvor in Libyen wieder losziehen muss, dann ist man auf die Kohle von wem angewiesen? Der Chinesen, ganz genau – der einzig verbliebenen Großdiktatur des Planeten. Es hat schon was, wenn man sich seine Kriege im Namen der Demokratie ausgerechnet von jenen finanzieren lassen muss, denen man bei jeder zweiten Gelegenheit ihre Menschenrechtsverletzungen vorhält, aber hey: ein wenig moralische Flexibilität und alles ist wieder im grünen Bereich.

Das ist das andere Gesicht der aktuellen Staatsschuldenmisere, dass sie politische Konstellationen ermöglicht, die so früher undenkbar gewesen wären; natürlich auch und vor allem deshalb, weil die internationalen Finanzmärkte anonym sind und sich daher niemand wirklich darum schert, welchen Geistes Kind der- bzw diejenigen sind, bei denen man mit 199 Fantastilliarden in der Kreide steht. Geld stinkt nicht, und so finanzieren chinesische Kapitalexporte den Kampf des Westens für die Freiheit der Völker und im Abhörskandal um die Murdoch-Gazette „News of the World“ meldet sich ausgerechnet ein schwerreicher Saudiprinz zu Wort und fordert den Rücktritt der Verantwortlichen, mit gar vehementen Worten, logisch, weil dunkle Abhörmethoden und Missachtung der Privatsphäre stehen bei ihm zuhause bekanntlich auf der obersten Stufe der offiziellen „Pfui deibel!“-Skala. Mobilfunk-Anzapfen und Internet-Zensur – nein: nie würde man sowas dulden im Morgenland, weg daher mit dieser rothaarigen Hexe, dieser Rebecca Brooks, beim Barte des Propheten! 

Mich amüsiert’s, mehr kann man allerdings kaum dazu sagen, weil die Welt ist komplex, da liegt sowas halt in der Natur der Sache. Schwierig wird’s nur, wenn man als Vater seinen Kindern erklären will, wie man im Kampf um das Wahre und Gute noch Freund und Feind auseinanderhalten soll beziehungsweise überhaupt erst mal Position beziehen will. Oder man macht es der Politik nach und ergibt sich einfach der Neuen Oberflächlichkeit, nimmt das Nächstnaheliegende für bare Münze und die Kohle der Chinesen zur Finanzierung von Demokratieliebe und Menschenfreundlichkeit, „first things first“, ein hübsches amerikanisches Sprichwort, das auf diesem Kurs gute Dienste leistet. Irgendwelche Klagen über weggesperrte Künstler und gefolterte Regimekritiker in Peking kann man sich für morgen aufheben, da ist ja auch noch ein Tag. Und so hat alles wieder seine Ordnung und wir alle sind mit unserem Gewissen im Reinen.

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