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An dieser Stelle bloggt Publizist und FAZ-Autor Thomas Strobl über die großen und kleinen Dinge des Lebens. Mal kurz und knapp. Mal mit vielen

Für Demokratie und Menschenrechte – mit dem Geld der Chinesen

| 8 Lesermeinungen

Unsere Epoche, ohnehin nicht arm an Paradoxien, wartet dieser Tage wieder mit einigen besonderen Schmankerl auf für all jene, die sich ihren Blick für das Widersprüchliche bewahrt haben: Da stellt sich ein US Präsident Obama hin und spricht dem syrischen Regime in Pausch und Bogen die Legitimation ab, im Hintergrund rasseln schon wieder die Säbel der Freiheit, aber wenn's zum Schwur kommt und man wie zuvor in Libyen wieder die Flieger schicken muss, dann ist man auf die Kohle von wem angewiesen? Der Chinesen, ganz genau - der einzig verbliebenen Großdiktatur des Planeten.

Unsere Epoche, ohnehin nicht arm an Paradoxien, wartet dieser Tage wieder mit einigen besonderen Schmankerl auf für all jene, die sich ihren Blick für das Widersprüchliche bewahrt haben: Da stellt sich ein US Präsident Obama hin und spricht dem syrischen Regime in Pausch und Bogen die Legitimation ab, im Hintergrund rasseln schon wieder die Säbel der Freiheit und die ersten Bomberpiloten gucken auf die Uhr, aber wenn’s zum Schwur kommt und man wie zuvor in Libyen wieder losziehen muss, dann ist man auf die Kohle von wem angewiesen? Der Chinesen, ganz genau – der einzig verbliebenen Großdiktatur des Planeten. Es hat schon was, wenn man sich seine Kriege im Namen der Demokratie ausgerechnet von jenen finanzieren lassen muss, denen man bei jeder zweiten Gelegenheit ihre Menschenrechtsverletzungen vorhält, aber hey: ein wenig moralische Flexibilität und alles ist wieder im grünen Bereich.

Das ist das andere Gesicht der aktuellen Staatsschuldenmisere, dass sie politische Konstellationen ermöglicht, die so früher undenkbar gewesen wären; natürlich auch und vor allem deshalb, weil die internationalen Finanzmärkte anonym sind und sich daher niemand wirklich darum schert, welchen Geistes Kind der- bzw diejenigen sind, bei denen man mit 199 Fantastilliarden in der Kreide steht. Geld stinkt nicht, und so finanzieren chinesische Kapitalexporte den Kampf des Westens für die Freiheit der Völker und im Abhörskandal um die Murdoch-Gazette „News of the World“ meldet sich ausgerechnet ein schwerreicher Saudiprinz zu Wort und fordert den Rücktritt der Verantwortlichen, mit gar vehementen Worten, logisch, weil dunkle Abhörmethoden und Missachtung der Privatsphäre stehen bei ihm zuhause bekanntlich auf der obersten Stufe der offiziellen „Pfui deibel!“-Skala. Mobilfunk-Anzapfen und Internet-Zensur – nein: nie würde man sowas dulden im Morgenland, weg daher mit dieser rothaarigen Hexe, dieser Rebecca Brooks, beim Barte des Propheten! 

Mich amüsiert’s, mehr kann man allerdings kaum dazu sagen, weil die Welt ist komplex, da liegt sowas halt in der Natur der Sache. Schwierig wird’s nur, wenn man als Vater seinen Kindern erklären will, wie man im Kampf um das Wahre und Gute noch Freund und Feind auseinanderhalten soll beziehungsweise überhaupt erst mal Position beziehen will. Oder man macht es der Politik nach und ergibt sich einfach der Neuen Oberflächlichkeit, nimmt das Nächstnaheliegende für bare Münze und die Kohle der Chinesen zur Finanzierung von Demokratieliebe und Menschenfreundlichkeit, „first things first“, ein hübsches amerikanisches Sprichwort, das auf diesem Kurs gute Dienste leistet. Irgendwelche Klagen über weggesperrte Künstler und gefolterte Regimekritiker in Peking kann man sich für morgen aufheben, da ist ja auch noch ein Tag. Und so hat alles wieder seine Ordnung und wir alle sind mit unserem Gewissen im Reinen.


8 Lesermeinungen

  1. colorcraze sagt:

    Gutes "Streiflicht". So in...
    Gutes „Streiflicht“. So in etwa siehts aus, ja. Ich erwarte für die nächsten 10 Jahre, beginnend ab jetzt, daß sich „der Westen“ von militärischen Auslandsoptionen ziemlich verabschieden wird (werden muß) und sich auf den eigenen zeitgemäßen Umbau konzentrieren muß. Da wird man anderen nichts mehr vorschreiben und ihnen auch nicht mehr lauthals Ratschläge geben können.

  2. colorcraze sagt:

    Und hier so der erste...
    Und hier so der erste Vorschein der Things to Come: https://www.leap2020.eu/Dekade-2020-2030-Willkommen-in-der-Welt-nach-den-Babyboomern-von-Franck-Biancheri_a6881.html (frei herunterladbares „MAP“ anschauen)

  3. Mit Verlaub Herr Strobl,
    das...

    Mit Verlaub Herr Strobl,
    das andere Wort für das obig Beschriebene ist Realpolitik. Denken Sie nur an den Oberrealo Joschi Fischer….alles andere waren lediglich Kollateralschäden.
    Spontan gesagt: Was müßen die Deutschen Plemplem sein, daß sie sich all die Jahre dermaßen zynisch belullern liessen. Er litt an und für Deutschland.
    Ansonsten: Am chinesischen Wesen wird die Welt genesen (Sofern weiterhin Papiergeld / electronic cash geduldig ist).
    https://www.youtube.com/watch?v=Hk4YML7d0G8

  4. ThorHa sagt:

    Ich weiss gar nicht, was Sie...
    Ich weiss gar nicht, was Sie wollen, Herr Strobl. Geht doch Geschäftssinn und Vorrang für Wirtschaftsinteressen (politisch „Rechts“) in nahezu idealer Weise eine Symbiose mit Bequemlichkeitspazifismus (politisch „Links“) ein und erzwingt so eine Fortsetzung der deutschen (und europäischen) Selbstverzwergung. Das entspricht in so idealer Weise demokratischen Idealen, weil es in Deutschland von einer richtig breiten Mehrheit getragen wird. Und so soll es doch sein …
    Gruss,
    Thorsten Haupts

  5. ExKontingent sagt:

    Über Demokratie müssen wir...
    Über Demokratie müssen wir uns wohl bald keine Gedanken mehr machen.
    Ich intressiere mich schon lange für das „Wirtschaftswunder“ China und das was die Chinesen da betreiben ist eine wohl durchdachte sowie geniale Strategie. Zumindest nach meiner Meinung.
    Während die so „starke“ westliche Welt ihr Pulver überall verschiesst, Schulden macht und sich immer mehr verfängt, backen die Chinesen ihr eigenes Brot. Natürlich finanzieren die Chinesen mehr oder weniger unsere Kriege für Recht und Freiheit. Wir hingegen nehmen in unserer „Dummheit“ ihr Geld und begeben uns so in den geplanten Teufelskreis der Chinesen. Langsam fällt der westlichen Welt der Groschen und man merkt, dass die Kriege viel zu teuer sind und dass man die Truppen so langsam mal abziehen sollte. Die USA stehen damit vor einem neuen finanziellen Problem…die Versorgung der Soldaten in der Heimat…die Kasernen platzen schon jetzt aus allen Nähten.. aber China pumpt Obama bestimmt noch ein paar Mrd.
    Wir haben also Schulden bei China… können keine militärischen Manöver mehr fahren und haben damit jedliche militärische Bedeutung verloren…ausgenommen von der Nuklearen „Macht“. China hingegen rüstet fleisig auf. Eine Armee die größer ist als viele EU-Staaten Einwohner hat und die nun auch immer besser bewaffnet ist. China kauft auf der ganzen Welt rüstungs Know how…kauft Schiffe der ehem. Schwarzmeerflotte und modernisiert sie…baut an seiner Küste eine U-Boot-Werft die nie gesehene Ausmaße hat und ein U-Boot nach dem anderen in rekordzeit fertigen kann… zum Verständniss…vor 20 Jahren hatte nichtmal jeder chinesische Soldat ein Gewehr!
    Und wer finanziert China das auf dauer? na wir mit unseren Zinsen für das geliehene Geld mit dem wir unsere Kriege finanzierten. Dazu das enorme Wirtschaftswachstum der Chinesen und der Einbruch der westlichen Wirtschaft…
    Selbst wenn wir zahlungunfähig würden und weder Schulden noch Zinsen zurückzahlen könnten, würde China wesentlich besser aus der Krise kommen als wir…das haben sie zur genüge bei der „kleinen“ Krise bewiesen.
    Wenn die USA zahlungsunfähig wird und es eine neue große Finanzkrise geben wird, wirds das die Machtverhältnisse in der Welt über einen Haufen werfen und die neue „Weltmacht“ China wird den Ton angeben… schon jetzt wagt kaum einer ernste Widerworte gegen Peking zu richten… was wird dann erst während der Krise und danach sein?
    Schon jetzt setzt China sehr stark seinen Fuß nach Afrika…sichert sich Ressourcen, knüpft „Freundschaften“ mit den ärmsten Völkern…
    Was tun wir?

  6. Filou sagt:

    ThorHa (16. Juli 2011, 15:21),...
    ThorHa (16. Juli 2011, 15:21), „Bequemlichkeitspazifismus“ ist ein schoenes Wort. Jetzt hab‘ ich’s gefunden. Meinen Dank.

  7. colorcraze sagt:

    @EXKontingent: endlich mal...
    @EXKontingent: endlich mal wer, der das „was kommt“ mal unter diesem Blickwinkel durchspielt. Ich denke aber, daß man u.U. auch eine ziemlich abrupte Bremsung der chinesischen Volldampfmaschine in die Erwägungen einbeziehen sollte – aus inneren Gründen (wie in China immer), nicht aus äußeren.

  8. ThorHa sagt:

    ""Weltmacht" China wird den...
    „“Weltmacht“ China wird den Ton angeben… “
    Schaun wir mal. Als historisch sehr Interessierter habe ich da meine Zweifel – es gäbe auch in Asien selbst genügend potente Mächte, die – so es China mit Dominanzgehabe übertreibt – sehr wohl in der Lage sind, gemeinsam ein gegengewicht aufzubauen. Chinas Streitkräfte sind extrem weit von Weltmachtstatus entfernt (weiter als z.B. die USA um 1900, als sie auch noch nicht als Weltmacht galten). Und ob China seinen rasanten wirtschaftlichen Wiederaufstieg innenpolitisch als ein land überlebt – colorcraze hat die diesbezüglichen Zweifel schon geäussert. Dass der Westen (Westeuropa + Ableger) seine seit etwa 1500 zunehmende Dominatorrolle in der Weltpolitik ablegen würde, ist bereits seit 1945 sichtbar und an sich kein Grund zur Beunruhigung. Dass grundlegende Menschenrechte fremder Völker beim Westen meistens in genauso schlechten Händen waren (sind?), wie anderswo, haben die Kriege in Algerien, Vietnam oder die Unterstützung arabischer Despoten hinreichend deutlich gemacht …
    Gruss,
    Thorsten Haupts

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