Ein Treppenwitz, dass diese fußkranken Griechen mit a little help from their friends dem ganz großen Schuldendebakel entgehen, während eine der größten und dynamischsten Wirtschaftsnationen der Welt, die USA, immer tiefer rein schlittern. Und zwar nicht, weil böse Ratingagenturen dieses und noch bösere Finanzmärkte jenes getan hätten, hinterrücks und in grenzenloser Niedertracht, sondern aus selbst gewolltem Institutionenversagen, einem „political decay“, wie wir Transatlantiker das gerne nennen. Bei Kalifornien haben wir noch alle gelacht, dass ein Land alleine so dämlich sein kann, sich in den Tücken seiner eigenen Verfassung zu verheddern; im Fall der USA als Ganzes bleibt das Lachen im Halse stecken, zu groß die Gefahr, zu unberechenbar das Risiko. Man muss es sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen: Während alle Welt noch immer darüber spekuliert, ob es richtig war, Lehman seinerzeit pleite gehen zu lassen, ob nicht gerade deswegen die Finanzkrise ihre zerstörerische Dynamik entfalten konnte, finden die ehrwürdigen Damen und Herren Abgeordneten im Hohen Haus offenbar nichts dabei, gleich mal das ganze Land in die Zahlungsunfähigkeit zu schicken. Don’t get me wrong: Dafür mag jeder seine individuelle Überzeugung haben, und die mag man teilen, von mir aus sogar gut und richtig finden, oder auch nicht; aber dessen ungeachtet muss das heilige Wort vom „Right or wrong, my country“ auch hier als ultima ratio herhalten, schließlich ist man immer noch die USA, das spricht ja wohl für ein bisschen Verpflichtung. Nicht nur der Welt gegenüber, den Chinesen und Japanern und ihren Dollarforderungen, sondern auch dem eigenen Ansehen, besser: dem bisschen, was noch davon übrig ist. Und viel ist es nicht, wahrlich, angefangen beim sogenannten „Mächtigsten Mann der Welt“, dem US Präsidenten, der wenn’s zum Schuldenschwur kommt offenbar auch nicht mehr auf die Waagschale bringt, als ein eingewanderter Bodybuilder aus Österreich, der sich an den kalifornischen Finanzen versuchen wollte, wofür er unwesentlich mehr Kompetenzen mitbrachte, als zuvor auf der großen Leinwand ordentlich Balla-Balla gemacht zu haben. Balla-Balla-Machen, ja, das können die Amis, da gilt keine Budgetbeschränkung und keine Schuldenhöchstgrenze, da fanden Regierung und Opposition mühelos zum Gleichklang, weil immerhin: „The world, you know…“, da kann man doch nicht einfach kneifen, nur weil daheim die Kohle knapp wird. Aber democracy-technisch gibt’s halt aktuell nicht viel zu tun, zumal die Araber den Job offenbar lieber selbst erledigen und die Franzosen dankenswerter ein paar Sous gefunden haben, mit deren Hilfe sie den Sprit für ihre Jagdgeschwader bezahlen können. Ergo kann man sich zuhause in Sachen Sozialversicherung und Steuerfinanzierung einen spannenden kleinen Stellungskrieg liefern, parteipolitisch sozusagen die Schlacht von Verdun nachspielen, und wenn dabei das ganze Land hopps geht, dann gibt man sich sportsman-like: „Sorry, mein Fehler!“ Damit mag man zwar die Weltwirtschaft zurück ins Koma schicken und alle Finanzprobleme, die man noch gar nicht hatte, dramatisch verschlimmern; aber hey: Wenigstens uns Europäern bleibt der schwache Trost, dass es sooo schlecht bei uns zuhause dann ja doch nicht zugeht, dass angeblich so nationalegoistische Ministerpräsidenten und Bundeskanzlerinnen den angeblich so pragmatisch zur Sache gehenden Amis im Zweifel zeigen, wo der Hammer hängt, und der von uns Managern immer wieder gerne ins Rennen geschickte Werbeslogan einer US Turnschuhfirma („Just do it!“) in Wahrheit doch auf niemand besser gemünzt ist, als unsereins, die ach so strukturkonservativen Vertreter von „Old Europe“. Da mag in der Verfassung und in den EU-Verträgen stehen, was will, es sind eben schwierige Zeiten und kompliziert sind die Dinge obendrein, da muss man handeln, handeln, handeln – mögen die Verfassungsgerichte darüber in 10 Jahren auch so oder so befinden. Denn wenn der Staub sich erst einmal gelegt hat und die strahlenden Sieger uns mit ihren Reden erfreuen, wen interessieren dann noch die Bedenken von gestern? Das nenne ich Entschlossenheit, da offenbart sich wahre Politik, kontingente Normen für eine kontingente Welt, die Kanzlerin macht’s vor! Ich sag da nur noch: Europa, du hast es besser!