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An dieser Stelle bloggt Publizist und FAZ-Autor Thomas Strobl über die großen und kleinen Dinge des Lebens. Mal kurz und knapp. Mal mit vielen

Das "Deutschen-Gen" hat wieder zugeschlagen!

| 82 Lesermeinungen

Nicht, dass uns die Ergebnisse des Mikrozensus 2010 zur Neuen Deutschen Kinderlosigkeit umhauen würden - das Problem ist ja seit Jahren bekannt. Interessant scheinen mir vielmehr die unterschiedlichen Deutungen zu sein, woran es wohl liegt, dass die Deutschen lieber bei RTL "Superstar" oder "Top Model" werden wollen, statt Babywindeln zu wechseln.

Interessant, was wir da vom Mikrozensus 2010 zu hören kriegen:

„Nur 16,5 Prozent der über 81 Millionen Menschen in der Bundesrepublik sind jünger als 18 Jahre. Dies geht aus einem am Mittwoch in Berlin vorgestellten Bericht des Statistischen Bundesamtes über die Lebenssituation von Kindern in Deutschland hervor.“

Ich meine: Nicht, dass uns die News jetzt umhauen würden, das Problem ist ja seit Jahren bekannt. Interessant scheinen mir vielmehr die unterschiedlichen Deutungen zu sein, woran es wohl liegt, dass die Deutschen lieber bei RTL „Superstar“ oder „Top Model“ werden wollen, statt Babywindeln zu wechseln. Die gängigen Erklärungen kennen wir alle aus dem ff, sie folgen dem Befund ähnlich schnell wie der Donner auf den Blitz beim herannahenden Gewitter: familienunfreundliche Gesellschaft, Kindergärten zu teuer oder überhaupt nicht vorhanden, Steuern und Abgaben zu hoch, usw. usw. Wenn ich dann aber lese, das wir nicht nur unterdurchschnittlich begabte Nachwuchsproduzenten sind, sondern sogar Schlusslicht, dass wir also parallel zum „Exportweltmeister“ auch noch ins Rennen um den zweifelhaften Titel des „Infertilitätsweltmeisters“ gegangen sind, dann frage ich mich natürlich schon, ob wir nicht über ein spezifisch „deutsches“ Problem reden. Und zwar nicht eines der Steuern, der fehlenden Kindergärtenplätze oder des zu niedrigen Elterngelds, sondern eines der Köpfe. Das deutsche Demografieproblem sind nicht die migrantischen Produzenten von „Kopftuchmädchen“ ((c) Sarrazin), sondern zuallererst sie selbst. Die „deutsche Depression“, wie Nietzsche es nannte, war offenbar weniger dem 30-jährigen Krieg geschuldet, als der Vordenker des Vitalismus dachte. Vielleicht gibt es diesbezüglich ja ein „Deutschen-Gen“, wer weiß? Die These lautet nämlich: Wer Kinder will, der kriegt auch welche. Der Rest sind Ausreden.


82 Lesermeinungen

  1. ThorHa sagt:

    Tja. Ich habe - unter...
    Tja. Ich habe – unter lautstarkem Protest meiner Umgebung und Diskussionspartner – vor Jahren eine steile These zur deutschen Kinder-Unlust vertreten. Die wissenschaftlich nicht überprüfbar ist. Und die lautet – wer glaubt, keine (oder nur eine schreckliche) Zukunft zu haben, der setzt keine Kinder in die Welt. Das entschuldigt nicht jedes Versagen vernünftiger Familienpolitik. Wie die deutsche „Mutter“-Ideologie, die fehlende oder unbezahlbare Kinderbetreuung etc. Dennoch reicht der Erklärungsansatz „verfehlte Familienpolitik“ genau nur soweit. Den Rest besorgt eine spezifisch deutsche Untergangslust, gepaart mit dem im lustfixierten Westen gesellschaftlich verpönten Leitbild einer langfristigen Selbstverpflichtung auch in schwierigen Zeiten. Die Ehe wie Familie brauchen, um zu gedeihen.
    Gruss,
    Thorsten Haupts

  2. stroblt sagt:

    @ThorHa
    .
    >Den Rest besorgt...

    @ThorHa
    .
    >Den Rest besorgt eine spezifisch deutsche Untergangslust
    .
    Untergang wohl kaum. Aber „Verschlechterung“, darauf läuft’s in meinen Augen hinaus. Die Deutschen fürchten sich offenbar so wie kein Volk auf dem Planeten, dass es ihnen morgen nicht mehr so gut gehen könnte wie gestern oder heute. Mit anderen Worten: Den Deutschen geht es offenbar viel zu gut.

  3. Epe sagt:

    @Thomas Strobl. Naja, endlich...
    @Thomas Strobl. Naja, endlich mal ein Wandergen. Denn in den letzten Jahrzehnten war dieses Gen eher in Italien zuhause (und ist es immer noch). Die Italiener haben sich ihre Bambini schon im starken Ausmaß seit den 80e Jahren verkniffen. Aber dafür haben die dortigen Welterklärer dann eher italienische Gründe für gefunden.

  4. Beides lieber Herr Strobl,...
    Beides lieber Herr Strobl, beide Argumente zählen und verhunzen die demographische Gaußsche Kurve der Nation:
    1.) In diese furchtbare Welt kann man KEINE Kinde setzen, so die feinsinnigen, gebildeten, modisch aufgehübschten Agnostiker & Selbtverwirklicher! (In welche denn sonst?)
    2.) Die Sarrazinschen Statistiken, da beißt das Mäus´chen kein Schwänz´chen ab.
    Deswegen braucht man sich nicht als Rassist beschimpfen lassen. Gegen die Immigranten und erfolgreichen Absolventen der Istanbuler oder Ankaraner Unis wäre überhaupt nichts einzuwenden, auch nicht gegen die von Lagos, Algier oder von Bombay, Calcutta, Peking. Nur die kommen nicht, die wollen lieber nach Australien, in die USA oder nach Canada. Die wollen keine HartzIV-Almosen oder sonstigen Transferleistungen, sondern nach Leistung bezahlt werden und an Vermögen kommen. Basta!
    Apropos: Die Deutschen: Sie sind ein Volk von kleinmütigen Rentenansparungs-verwaltern (ohne Cujones) geworden. Motto:…… nach uns die Sintflut. Die F. Schirrmacher´sche Alterskohorte winkt liebevoll zurück.

  5. Vroni sagt:

    Vor allem, Thorha, braucht...
    Vor allem, Thorha, braucht einer, der eine Familie gründen will, Perspektive.
    Die hat man heute als Normalverdiener nicht mehr.
    .
    Und ein Mindestmaß an Sicherheit, dass man die Kinder auch durchbringt. Gibt es auch nicht mehr. Selbst bei Akademikern nicht.
    .
    Wer mag da schon Kinder kriegen. Würde heutzutage auch keine mehr kriegen wollen. (obwohl ich früher noch durchaus …) Habe kein Vertrauen mehr in diese Zeitläufte des Wandels, in der zwar marode Banken und Länder bedient werden, aber Leute massenhaft rausgeschmissen werden. Geht jetzt wieder los damit …

  6. Vroni sagt:

    Lieber Thomas Strobel,
    "Den...

    Lieber Thomas Strobel,
    „Den Deutschen geht es offenbar viel zu gut.“
    .
    Leider auch nur ein dummer Slogan.
    Sie sagen doch sonst so kluge Dinge.

  7. schlaufrau sagt:

    Lieber Thomas, wen meinst Du,...
    Lieber Thomas, wen meinst Du, wenn Du von „wir“ und „uns“ redest? Hast Du die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen?

  8. colorcraze sagt:

    @ThorHa: Ja, durchaus, man...
    @ThorHa: Ja, durchaus, man könnte sich jetzt nur anfangen zu fragen, warum.

  9. ThorHa sagt:

    @colorcraze:
    Ich liebe "Warum"...

    @colorcraze:
    Ich liebe „Warum“ Fragen … Und biete drei Antworten an: 1) Weil die Welt unaufhaltsam auf den Untergang zutaumelt. 2) Weil es der Welt auch zukünftig ganz gut gehen könnte, aber eine wilde Mischung von Alt-68ern, Moralerziehern, Kulturkonservativen, Maschinenstürmern, Steinzeitanhängern und Sensationsjournalisten uns täglich das Gegenteil erzählt (wann haben Sie in der deutschen Prsse das letzte Mal einen optimistischen Ausblick gelesen oder gesehen?).
    Und 3) meine Antwort. Die da lautet, dass im Kern die genetisch veranlagt etwas Härteren, Mutigeren und Optimistischeren im Ersten und Zweiten Weltkrieg verheizt wurden. Von den Verlusten haben wir uns bis heute nicht erholt. Was danach noch übrig blieb, ist verstorben, was heranwuchs, passte sich dem Druck an, grünen Tee zu trinken und auf Bastmatten „Omm “ zu singen und auf spirituelle Wiedergeburt zu hoffen.
    Gruss,
    Thorsten Haupts

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