Einige Leser wollten wissen, worauf sich im Gespräch mit Peer Steinbrück mein Verweis auf Thomas Mann bezog. Ich hatte darin gesagt:
„Thomas Mann hat 1945 vor dem Kongress in Washington gesagt, es gebe einen deutschen Freiheitsbegriff, der sei nach außen gerichtet, die Deutschen seien nicht im Sinne der Franzosen eine Nation, weil sie keine Revolution hatten; daher sei ihr Freiheitsbegriff notwendigerweise antieuropäisch.“
Die Quelle dieses sinngemäßen Zitats ist Thomas Manns berühmte Rede „Deutschland und die Deutschen“, die er am 6. Juni 1945 anlässlich seines 70. Geburtstags in der Library of Congress in Washington hielt. Thomas Mann blieb Deutschland ja trotz Nazis und US Emigration herzlich verbunden, trotz des „Unsäglichen, das dieses unglückselige Volk der Welt angetan hat.“ Und in diesem Sinne verfasste er auch seine Rede. An besagter Stelle, auf die ich mich bezog, heißt es:
„Warum muss immer der deutsche Freiheitsdrang auf innere Unfreiheit hinauslaufen? Warum musste er endlich gar zum Attentat auf die Freiheit aller anderen, auf die Freiheit selbst werden? Der Grund ist, dass Deutschland nie eine Revolution gehabt und gelernt hat, den Begriff der Nation mit dem der Freiheit zu vereinigen. Die „Nation“ wurde in der Französischen Revolution geboren; sie ist ein revolutionärer und freiheitlicher Begriff, der das Menschheitliche einschließt und innenpolitisch Freiheit, außenpolitisch Europa meint. Alles Gewinnende des französischen politischen Geistes beruht auf dieser glücklichen Einheit; alles Verengende und Deprimierende des deutschen patriotischen Enthusiasmus beruht darauf, dass diese Einheit sich niemals bilden konnte. Man kann sagen, dass der Begriff der „Nation“ selbst, in seiner geschichtlichen Verbundenheit mit dem der Freiheit, in Deutschland landfremd ist. Man kann es fehlerhaft finden, alle Deutschen eine Nation zu nennen, mögen nun sie selbst es tun oder andere. Es ist verfehlt, auf ihre vaterländische Leidenschaft das Wort „Nationalismus“ anzuwenden, – es heißt französieren und Missverständnisse schaffen. Man soll nicht zwei verschiedene Dinge mit demselben Namen zu treffen suchen. Die deutsche Freiheitsidee ist völkisch-antieuropäisch, dem Barbarischen immer sehr nahe, wenn sie nicht gerade in offene und erklärte Barbarei ausbricht wie in unseren Tagen.“
Und über Goethe sagte er:
„Es war sein Los, einem Volk anzugehören, dem die Freiheitsidee, weil sie nur nach außen, gegen Europa und gegen die Kultur gerichtet ist, zur Barbarei wird.“
Nun wüten die Deutschen heutzutage Gottseidank nicht mehr wie die Barbaren. Aber wieweit sind wir davon entfernt, wenn uns kulturell zu Europa so gut wie gar nichts mehr einfällt, und wir bereit sind, seine Idee für nichts Bedeutenderes zu opfern als die Frage: „Wer zahlt?“ Und das kurioser Weise in einem Umfeld, in der alle Welt den „Primat der Ökonomie“ beklagt und den omnipräsenten Utilitarismus, und eine Rückbesinnung auf die „wahren Werte“ fordert? Will mir nicht in den Kopf. So jedenfalls die Gedanken, mit denen ich in das Gespräch mit Peer Steinbrück ging. Und um ehrlich zu sein: Wesentlich optimistischer bin ich in dieser Frage im Nachhinein auch nicht. Dass die Politik es nicht schafft, die „neue Geschichte“ von Europa zu erzählen, die Steinbrück anmahnt, mache ich ihr nicht zum Vorwurf; dass sie es allerdings noch nicht mal versucht schon. Stattdessen Chauvinismen allenthalben, bis in die höchsten Regierungskreise.
Daher befürchte ich, dass Thomas Manns düstere Einschätzung auch heute noch, über ein halbes Jahrhundert später, zutrifft:
„Hier waltet ein Unsegen, ein Fluch, etwas fortwährend Tragisches“
Danke, Jordanus, für die...
Danke, Jordanus, für die klaren Worte zu Th. Mann.
(und das ist nicht ironisch gemeint). Genau DAS störte mich jedesmal, wenn ich wieder mal anfing, einen der großen Romane von ihm zu lesen und nach ein paar Seiten wieder aufgab: „…Sätze aufblähen und einfach nicht zum Punkt kommen.“ Manchmal.
"... Thomas Mann blieb...
„… Thomas Mann blieb Deutschland ja trotz Nazis und US Emigration herzlich verbunden“ – er blieb ihm verbunden, aber gewiss nicht „herzlich“, zumindest waere das das letzte Praedikat, das mir, nach Lektuere etwa der Tagebuecher, auch der zitierten Rede, einfiele, um diese Verbundenheit zu charakterisieren.
Oder mit unseren...
Oder mit unseren Worten:
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Hitler würde heute, darin ganz deutsch, höchstwahrscheinlich nicht „Mein Kampf“ schreiben, sondern – und darin wohl ganz deutsch-zeigeistmässig – „Meine Kapitulation“; auf diese Art und Weise – und mit unendlichem Gewinn für die Menschheit (genau die, nicht mehr und nicht weniger), „um damit immerhin kleinbürgerlich-psychologisierend zeitlich auf der Höhe zu sein“ sozusagen – und gleich ganz bis zum Ende vorzudringen, sogar ohne jede Tat, also auch ohne böse Tat. Immerhin das würden wir erwarten. Für erwartbar halten. Und mit wunderbarstem Erfolg für die Menscheit, wie gesagt.
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An Schiller, Goethe und Thomas Mann gemessen ganz sicher aber immer noch derselber verquaste dumme Mist in schiefen Bildern – und womöglich eben doch weiterhin latent neurotisch und gefährlich.
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Und klar haben Deutschland und deutsche Politik heute gefühlt auch etwas mit von nämlichem Psychomechanismus, so gesehen: Wo ist ihr einsichtsvoller und welttauglicher, verantworteter und verantwortlicher Humanismus im Großen (gibt es einen anderen?), wo ist unser Nutzen für die Welt? Und zwar der, den, den die Welt anerkennen würde natürlich … .
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Selbstbild- u. Fremdbild scheinen aber eher weiter so – und auseinander zu fallen: Die Doppel-Ehrendoktorwürden für A. Einstein und TM von Oxford und Cambrigde – und nur für diese beiden in letzter Zeit – höchste Anerkennung der angeselsächsischen Welt (denn man bekommt, so die Gepflogenheit, normalerweise nur einen der beiden, entweder/oder) sind bis auf weiteres auch heute noch für sehr viele Deutsche und Deutschland „eigentlich gar nicht so viel wert“, „sind am Ende eher doch bloß fast „angelsächsische Fehleinschätzung“ gewesen“, bleiben bloß bald „Sonderwissen für Spezialspezialisten nur“, „braucht man auch nicht wirklich zu wissen, um hier bei uns gute und verantwortliche Politik machen zu können“. Usw., usf..
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Man soll aber bei „Leiden an Deutschland“ nicht stehen bleiben. Gut also, dass führende Köpfe der FAZ das Thema jetzt und hier aufgreifen:
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„Deutschland ist mehr, als es weiß. Deutschland muss mehr, als es ahnt.“
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„Der Friede Gottes aber, welcher höher ist, als alle Vernunft, … .“
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Und: Es stand geschrieben, dass „Breivijk“ den Film „Baader-Meinhof“ besonders oft, ausführlich und intensiv gesehen hätte. Wohlan, wir tun hiermit öffentlich kund, dass wir es genauso gehalten haben: Wir waren zwar nur 1x im Kino, den genannten Film zu sehen, hatten aber Teile unseres Gedächtnisses fürs quasi-inwendige Zurück- u. Vorspulen des Filmes ausgiebig genutzt, ihn uns immer wieder einmal in Ausschnitten vielfältig und neu zu vergegenwärtigen.
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Besonders auffällig erscheint aber zu sein, dass es außerdem eine namentlich bekannte Gruppe von Männern gibt, die den genannnten Film sogar noch häufiger gesehen haben. Sie heißen Bernd Eichinger, Produzent, Ulli Edel, Regisseur, Rainer Klausmann, Kameramann und Alexander Berner.
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„Deutschland“ – ein friedliches Anhängsel zu „Loveparade“ und „Fußball-WM“, dass ist unsere Vision von Freiheit und Verantwortung, unsere Beste und Einzige, nicht wahr?
wobei solche blogs nach allgm....
wobei solche blogs nach allgm. lesart entweder am ende einer kanzlerschaft auftauchen, das nahende ende also markieren würden – oder aber begleiterscheinung einer klugen weiblichen kanzlerschaft sein könnten, einer kanzlerschaft, die vollendete freiheit eben genau so sähe, dass eben keine vorgaben zu machen wären, – gewinn maximaler freiheit erreicht – und dass es sich dann eben eher um ein problem mangelnder einsicht/intellektualität/emanzipation bei vielen männern handelte, die eben – „quasi noch gestrig und mangelemanzipiert“ immer noch vorgaben erwarteten, statt selber erfüllt und erfüllend zu sein .. .
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time will tell. (etwas von beidem wahrscheinlich, nehmen wir an: ein scheitern von merkel würde dann, so gesehen, im nachhinein die emanzipation heute noch jüngerer politisch-journalistischer männer fördern. oder so. (man befrage ggfls. andere emanzipierte frauen))
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warum aber die gesellschaft insgesamt zur zeit „denkerisch irgendwie so dumm erscheint“, ist auch uns unklar. denken ist doch leicht. aber wir können das zugegebenermassen auch nicht wirklich beurteilen, sind wir ja vor allem selber wie bekannt nicht so besonders intelligent.
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(„… fortan muss eigenes Feuer uns erleuchten… „. auch das steht schon geschrieben, wahrscheinlich irgendwo. nichts neues unter den sonnen also.)
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(und wir hatten letzte woche irgendwann noch so bei uns gedacht „reents hat wahrscheinlich inzwischen auch schon so ungefähr den achtzigsten versuch über schiller hinter sich“. but anyway.)
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(„Was sind wir, wenn staatliche Huld sich von uns wendet?“ fragt die frau von damals uns heutige, zumal der staat heute ja wir alle selber sind. https://www.zeno.org/Literatur/M/Schiller,+Friedrich/Dramen/Wallenstein/Die+Piccolomini/2.+Akt/2.+Auftritt „Man zeihe Sie verwegner Überschreitung der anvertrauten Vollmacht, freventlicher Verhöhnung höchster, staatlicher Befehle …“ Auch so kanns kommen, und die Adepten müssen ins Exil, in die Schweiz, nach Frankreich oder in die USA…)
...wie in unseren Tagen was...
…wie in unseren Tagen was wuerde er zum heutigen Tohuwabohu sagen und das nicht nur in Israel auch in der arabischen Welt?