Lese gerade zum x-ten Mal „Narziss und Goldmund“, eines meiner Lieblingsbücher von Hermann Hesse. Und ich muss sagen, dass ich nach Odenwaldschule und diversen kirchlichen Missbrauchsskandalen die ersten 25 oder so Seiten anders aufnehme als früher. Nun ist natürlich in diesem Werk viel von „Liebe“ unter Männern die Rede, in einem platonischen Sinn, keine Frage; aber die Grenze zum Homoerotischen scheint mir fließend. Und dann gibt’s da natürlich auch noch Passagen wie die hier, in der Narziss den Finger in die Wunde legt:
„Viel mehr, als der Knabe ahnte, waren Narzissens Gedanken mit ihm beschäftigt. Er wünschte sich diesen hübschen, hellen, lieben Jungen zum Freunde, er ahnte in ihm seinen Gegenpol und seine Ergänzung, er hätte ihn an sich nehmen mögen, ihn führen, aufklären, steigern und zur Blüte bringen. Aber er hielt sich zurück. Er tat es aus vielen Beweggründen, und sie waren ihm beinahe alle bewusst. Vor allem band und hemmte ihn der Abscheu, den er gegen jene nicht seltenen Lehrer und Mönche fühlte, welche sich in Schüler und Novizen verliebten. Oft genug hatte er selbst mit Widerwillen die begehrenden Augen älterer Männer auf sich ruhen gefühlt, oft genug war er ihren Freundlichkeiten und Hätscheleien mit stummer Abwehr begegnet.“
Nun kenne ich Hesses persönlichen Hintergrund zu wenig, um beurteilen zu können, wieviel Realität er selbst meinte, in sein Werk eingeflochten zu haben. Angeblich verarbeitet er darin ja seine Zeit im Evangelischen Seminar des Klosters Maulbronn, eine Erfahrung, die ihn „traumatisiert“ hat, wie es heißt.
Wie auch immer, Narziss und Goldmund deutet mehr als deutlich an, was wir in den letzten Jahren an Abscheulichkeiten mitbekommen haben, und das wie gesagt bereits auf den Einführungsseiten. Danach entwickelt sich die Geschichte ja eher zu einem Wechselbad der Gefühle, dem die beiden Protagonisten jeweils für sich ausgesetzt sind; doch mit seinen Auftaktzeilen, in denen Hesse das Terrain absteckt und die Charaktere einführt, liefert er gleichsam Hinweise, warum in derartigen Gemeinschaften der sexuelle Missbrauch zumindest latent stets präsent ist, ja präsent sein muss. Und das nicht wegen grundsätzlich „böser“ Menschen, die bei der ersten Gelegenheit lüstern ihren Schutzbefohlenen hinterherstellen; sondern wegen der spezifischen Atmosphäre, der sich auch ein vorbildlicher Asket wie Narziss kaum entziehen kann, worauf etwa diese Stelle hindeutet:
„Auch er sah eine Verlockung darin, den hübschen Goldmund liebzuhaben, sein holdes Lachen hervorzurufen, mit zärtlicher Hand durch sein hellblondes Haar zu streichen. Aber nie würde er das tun, niemals.“
Im Roman klingt das noch unschuldig, in der Realität war es das längst nicht mehr.
Verdrängte Homoerotik
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Oh,...
Verdrängte Homoerotik
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Oh, das ist jetzt wirklich ein glitschiger Boden. Ist das jetzt Literaturkritik oder Sozialkritik, oder gar beides? Ich behaupte, dass die Homoerotik, jetzt mal unterschieden von der Homosexualität (theoretisch, in der Praxis lässt sich das kaum unterscheiden), der Literatur (und Kunst) im Patriarchat unterliegt, wie eine Moltontuch dem Bettlaken eines Inkontinenten (oder eines Kindes). Gewissermaßen unverzichtbar, dennoch in aller Regel verschwiegen. Im Orient gar lebt ein ganzes Genre von der Homoerotik – von deren allegorischen Verschraubung. In meiner Hafizkritik (Hafiz – die Homoerotik – der Nihilismus, https://blog.herold-binsack.eu/?page_id=17) setze ich mich damit auseinander. Im Iran gibt es für diese Kritik keinen Raum. Mir liegt die Doktorarbeit eines Iraners vor (sie wurde mir als Antwort auf meine Kritik von einem persischen Germanistikstudenten zugesandt, in der Hoffnung, ich könnte was damit anfangen), die genau diese Aussage treffen soll. Der Professor musste diese widerrufen. Sein Buch wurde nie veröffentlicht, geschweige denn übersetzt. Auch ich kann es somit nicht mal lesen.
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Die Kritik an der verschwiegenen Homoerotik wird somit zur Kritik am Verschweigen selber. Zur Kritik an der Unterdrückung der Offenbarung derselbigen.
Die Frage lautet warum? Ist das doch eigentlich bekannt. Wohlleben, auf den ich mich da weitestgehend berufe, hat es auch gesagt: In der Poesie herrscht die Homoerotik. In der Prosa hingegen nicht. Leyli und Madjnun (https://www.nmsandrae.at/muttersprachen/persisch/persisch1.htm) ist Prosa. 1001 Nacht ist Prosa. Auch in den ersten Übersetzungen Hafiz, die da zum Beispiel einem Goethe vorgelegen haben und diesen zu seinem West-östlichen Diwan (https://de.wikipedia.org/wiki/West-%C3%B6stlicher_Divan) anregten, wird die Homoerotik in der Dichtung Hafiz’ unterschlagen. Die Schwarzgelockten, die Mandeläugigen, die Mondgesichtigen, werden einfach im Geschlecht gewandelt.
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Bei uns wird niemand hingerichtet, wenn er nun solches aufdeckt. Dennoch gerne gesehen wird es auch nicht.
Was ist los mit dem Patriarchat? Das ist doch die Frage, die zu stellen ist. Nicht erst mit den Skandalen um die Odenwaldschule. Bornemann hat das in seinem Werk – Das Patriarchat – am Beispiel der Griechen in der Antike aufgedeckt.
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Die Homoerotik ist die Kehrseite der Frauenunterdrückung. Auch daran erkennbar, dass der passive Homosexuelle – und jetzt kommen wir zur Praxis – schon im alten Griechenland genau so unterdrückt wurde, wie die Frau eben auch. Im Unterschied zum Aktive Homosexuellen. Zu dieser Leidenschaft bekannte sich ungeniert geradezu jeder griechische Held. Gleich ob in Wirklichkeit oder im Mythos. Solon gar, soll das Einölen der Körper bei den gymnastischen Spielen verboten haben.
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Mag sein, dass man das heute nicht mehr so gerne hört, weil man die Homosexualität integriert glaubt, sie gar gleichgestellt sieht. Ja, das mag so sein! Die Homoerotik dennoch bleibt im Untergrund. Unter der Kunst verborgen. Irgendwie subversiv, dennoch wie eine Art schlechtes Gewissen. Verderbend, nicht offenbarend. Nicht aufklärend.
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Mit diesem Thema müssen wir uns beschäftigen. Und darauf aufbauend mit der ganzen bürgerlichen Bildungsethik. Dem Männerbündischen. Und dessen Beziehung zur (männlichen) Macht. Zu den Kirchen, dem Militär und eben zu den Schulen. Zu den Schulen, wo das Bürgertum seinen Kader, seine Kinder, ausgebildet. Denn diese Kinder erben die Macht. Pervertieren diese weiter.
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Was hat die homoerotisch konnotierte Libido zu tun mit dieser Macht. Ist die Macht qua kompensierte Homoerotik.
Woher kommen die vielen Päderasten gerade in großbürgerlichen Kreisen? Ist die Züchtigung per se schon ein sexueller Akt – ein verdrängter? Ist sie die Umkehrung des griechischen Körperkultus, den um den männlichen Körper? Ist jede Bildung im Patriarchat daher quasi eigentlich männlich – homoerotisch? Der Bildung eines (schönen) männlichen Körpers wie auch Geistes zugetan?
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Und ist es nicht die griechische Antike, die uns das so klar vor Augen führt.
So besehen, war der Ausschluss der Frau aus dieser Bildung (welche ja bis in unsere Zeit hineinreicht) kein Zufall, kein Akt der Barbarei, sondern ein Akt eben genau einer solchen Kultur.
Und ganz offensichtlich kommt diese Matrix immer dann zum Vorschein, dieses Moltonlaken, wo Männer unter sich bleiben (müssen). In gewissen Schulen der Elitebildung wie auch in den Bildungsstätten der Kirchen.
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Das Moltonlaken müffelt mittlerweile. Denn zu selten wurde es gelüftet oder gewaschen gar.
Das zu tun, ist die Aufgabe der Zeit. Nicht nur in der Kritik der Pädagogik, der Sozialkritik. Und auch nicht nur in der Kritik der Literatur (des Patriarchats). Sondern ganz generell in der Kritik der bürgerlich-patriarchalen Gesellschaft. Wo sie das nämlich immer noch ist, die bürgerliche Gesellschaft – patriarchal, verdrängte Homoerotik.
Sorry Herr Strobl, ist mir zu...
Sorry Herr Strobl, ist mir zu einfach gestrickt, ihr latent stest präsenter Missbrauch. Völlig unabhängig davon, ob und wie Begehren wo entsteht, unterscheidet Erwachsene von Kindern, dass sie ihre Triebe unter Selbstkontrolle halten können. Wenn sie wollen. Und nur Erwachsene sollte man auf Kinder loslassen.
Im Falle der Odenwaldschule und der „Reformpädagogik war der Missbrauch für mich im System angelegt und beabsichtigt!
Reformpädagogik = Anything goes!Das erklärt alles und das auch noch einfach: Beliebte Lehrer, sie hatten ja (ausser Missbrauch) keine Gelegenheit, sich unbeliebt zu machen. Glückliche Schüler (ausser den missbrauchten) – sie fanden ja keinen Widerstand nirgendwo, der sie unglücklich machen konnte (ja, Menschen sind erst einmal unglücklich, wenn sie nicht sofort bekommen, was sie wollen). Und in diesem wabernden Bequemlichkeitsnebel der Nichterziehung, Nichtausbildung gab es massiven und massenhaften Missbrauch. Logisch. Er war einfach, er lag in der Natur dieser Art von „Pädagogik“ (wenn Kinder alles dürfen …), er wurde durch das „Alles geht“ perfekt gedeckt (wenn die Kinder eh rumvögeln …). Der Missbrauch lag NICHT im System, er WAR das System. Alle verdrucksten Erklärungsversuche ehemaliger wie heutiger Reformpädagogen sind nichts als Nebelkerzen. Die Nichterziehung, die Nichtausbildung, das Nichtgrenzensetzen war System. Und inzwischen weiss man, warum. Weil die Erfinder dieser „Pädagogik“ genau das für sich selbst erstrebten. Wenn nichts mehr verboten ist, dann darf ich eben auch kleine Jungs (oder Mädchen) … Ich habe diese Pädagogik schon immer verachtet. Sie ist im Wesenskern menschenverachtend.
Nur sollte man sich hüten, erotische Hintergedanken mit Missbrauch in einen Topf zu werfen. Bei Missbrauch gehts nicht um Erotik, nicht einmal um Sex. Sondern um Macht.
Gruss,
Thorsten Haupts
@Devin08
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Wie stets ein sehr...
@Devin08
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Wie stets ein sehr interessanter Kommentar. Speziell im Hinblick auf Narziss und Goldmund ist „Macht“ sicherlich ein Faktor, bisweilen im Gewand der Bewunderung und Respekt hervorrufenden „Autorität“, und das Werk bringt meiner Ansicht nach sehr gut zum Ausdruck, warum in einem solchen Kontext die „Täter“ ein ziemlich leichtes Spiel haben. Wieweit die anderen Punkte, die sie anschneiden, zutreffen, vermag ich nicht zu sagen.
Die japanischen Heroen,...
Die japanischen Heroen, Machthaber der Iyeasu-Tokugawa-Zeit waren bi, einschl. dem Shogun selber. Die unserer Antike wohl auch. Gern tätschelten sie wohlgewachsene Knäblein. Die, ach, so schwache Seite der Macht. Erinnert sei in dem Zusammenhang an die männlichen Mignons am Louvre, später in Versailles.
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Der Großschriftsteller TM soll zumindest…am Tod zu Venedig herumgeschrieben haben.
Mir gefällt im Artikel das...
Mir gefällt im Artikel das Wort „Abscheulichkeit“ nicht, es klingt wie eine phärisäische Abgrenzungsvokabel: Wir hier sind anständig und die da sind pervers.
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Aber so ist es ja nicht.
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Denken wir an Thomas Manns „Tod in Venedig“. Dort gibt es weder eine Institution noch die Reformpädagogik aber doch sehr ein sehnsuchtsvolles Verlangen, eine Ahnung von Liebe und Erotik, die wohl (dem stimme ich zu) von der Gesellschaft wohl zwar zu Recht verboten und geächtet und bestraft wird, aber alleine darum eben noch lange nicht „abscheulich“ sein muß, weder für den einen noch für den anderen Teil. Gerade das Verbotene hat ja stets seinen eigenen Reiz, auch das zu Recht Verbotene.
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Und trägt vom Standpunkt der christlichen Klostermoral aus gesehen nicht jede Form der körperlichen Liebe den Makel des „Abscheulichen“?
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Da gibt es eben keine klaren, eindeutigen Grenzen: Den 18. Geburtstag, oder den Tag der Eheschließung (Verlobung) oder Brustwarzen oder Jungfernhäute oder womit sich Gesetzgeber irgendwie behelfen müssen.
Die Gewalt liegt in der...
Die Gewalt liegt in der Kompensation
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Ich empfehle Bornemanns Werk. Sie erfahren alles was Sie wissen müssen/was Sie wissen sollten. Im Übrigen habe ich so meine Theorie bzgl. eben jenes männlichen Körpers. Ich behaupte – und auch da gehe ich mit den Intentionen eines Bornemann daquor -, dass der männlich Köper, wie die Antike ihn anbetete, eigentlich dem weiblichen nachempfunden ist. Man schaue sich nur die überdimensionalen Hintern und Brustpakete an. Alles Muskeln? Ja, dennoch den Formen nach eher weiblich. Das muss kein Widerspruch sein, zu dem von mir oben gesagten. Denn darin zeigt sich weniger eine gewisse erotische Vorliebe (die eh auf den Mann bezogen wäre), als eben männliche List. Und diese wäre dann bezogen auf die Frau. Die zu täuschende.
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Ein wichtiger Aspekt, den ich in meiner Hafizkritik auch schon angedeutet habe, ist nämlich der der List. Vor dem Hintergrund der Vergewaltigung eines an und für sich nicht begehrten Körpers, nämlich des weiblichen (dessen Penetration diente ja hauptsächlich der Familiengründung und natürlich auch der Befriedigung primitiver Lüste, aber eben nicht eben der Anbetung des EROS, vgl.: „Was dem Manne sein Orakel“, https://blog.herold-binsack.eu/?page_id=17), hat die Lyrik, resp. die Liebeslyrik (aber natürlich auch die Prosa, nur eben ganz anders, weniger subversiv, denn direkt verlogen) die Aufgabe genau das zu vertuschen. Das weibliche Wesen diesbezüglich zu täuschen. Der schöne männliche Körper, der der Frau nachempfunden ist, soll dieser die Nähe dieses ihr doch so fremden Mannes vorspiegeln. Ihr Vertrautheit einflößen helfen, im Umgang mit dem, der sie da ständig vergewaltigt. Am Beispiel des berüchtigten Kriegerfürsten aus der Ilias – Agamemnon – und der von ihm mit Gewalt genommenen Klytaemnestra, führt uns Homer vor, wie das nicht funktioniert. Doch am Beispiel des Odysseus und seiner Penelope (https://blog.herold-binsack.eu/?p=632) erfahren wir, wie die Griechen sich das im Idealfall gedacht haben: 20 Jahre wartet da die Frau auf den Angebeteten, ohne ihm auch nur für eine Sekunde untreu zu werden. Während der männliche Held sich gar mit göttlichen Gestalten amüsiert.
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Die Liebeslyrik hat die Aufgabe diese Lücke zwischen den Geschlechtern, die ja in Wahrheit einen antagonistischen Widerspruch ausmacht, zu kaschieren. Und so wie Mann sich diesbezüglich perfektionierte, im Laufe der Jahrtausende, innerhalb derer er die Macht inne hat, so vervollkommnet er auch diese Lyrik. So sehr, dass er sie am Ende selber für Wahrheit hält. Ihr selbst zum Opfer fällt. Sich im Angesicht der solchermaßen idealisierten Frau (als Gegenstück zum idealen Mann, für den er sich ja hält, und der ja ebenfalls eine Lüge ist) zum Narren macht. Wahrhaft „komisch“ (vgl. hierzu Zizeks Definition des Komischen im Gegensatz zum Tragischen) ist doch der, der seine eigenen Lügen glaubt.
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Und genau vor diesem Hintergrund sind diese Skandale um die Odenwaldschule und andere so unglaublich „ideal“. Zerstören sie doch nicht nur auf einen Schlag das ganze Lügengespenst, denn offenbaren sie vor allem jene komische Tragik, innerhalb derer sich Opfer wie Täter in Fassungslosigkeit begegnen.
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Denn wie wenig begriffen all das dann doch bleibt, bleiben muss, zeigt der Kommentar von ThorHa. Denn auch ThorHa glaubt an das, was er sagt, wenn er sagt: „…unterscheidet Erwachsene von Kindern, dass sie ihre Triebe unter Selbstkontrolle halten können.“ Das ist genau jener uralte patriarchalische (Selbst-)Betrug. Ein zu komischer vor dem Hintergrund, dass die Vergewaltigungen in aller Regel ein männliches Delikt sind.
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Wahr, allerdings darin auch unbegriffen, ist, dass Mann seine Triebe kompensiert. Eben durch Züchtigung, oder durch eine entsprechend „gezüchtete“/verdeckt unzüchtige/nur schlecht kaschierte (gewaltsame) Lyrik. Wie auch Prosa, ist doch das Thema „Odenwaldschule“ genau diese Prosa – Alltagsprosa. Narziss und Goldmund hingegen ist die idealisierte Form dieser Prosa. Die in die Watte der Kompensation eingepackte. Und darin gar „besser“ als die Realität, denn deren Gewalttätigkeit gewissermaßen auf den Punkt bringend. Allerdings in die Allegorie so geschickt verhandelt wie in die eigene Seele eingeschlossen. Und damit eine Zeitbombe. Ein Wechsel auf die Zukunft all der noch folgenden Geschlechter.
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Die (kulturelle) Kompensation ist nämlich die Leistung des „reifen“ Mannes, nicht die Selbstkontrolle. Denn in der Kompensation finden wir das ganze Ausmaß der sexuellen Aggression, nämlich wie hier als perverse Pädagogik, als irre Liebe. Die Kompensation ist folgendermaßen mindestens so pervers wie das kompensierte Delikt. Auch in Narziss und Goldmund deutlich erkennbar. Der Asket ist nur ein in Watte/in Liebe gepackter Gewalttäter. Jedes Wort eine Gewalttat. Und eine Droge. Eine für sich selbst, wie auch für den „Angebeteten“. Eine Droge, die das Opfer stimulieren soll, den Täter hingegen hemmen. Teil eines im Patriarchat so raffiniert entwickelten Liebesspiels. Am Ende soll das potentielle Opfer der Täter sein. Und genau daher liegt die ganze Gewalt, und in folgenden Worten: „Auch er sah eine Verlockung darin, den hübschen Goldmund liebzuhaben…“ Das ist keine Liebeserklärung, sondern eine Drohung.
Wie oft hört Frau das, von ihrem Vergewaltiger? In dem Wort „liebhaben“ liegt die ganze listenreiche Verführung (das Wort „liebhaben“ ist der Gefühlswelt der Mutter entlehnt, der zum Kind) wie die unterdrückte Penetration, denn die Absicht zum sexuellen Akt, wird hier gewissermaßen nur kastriert angedeutet.
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Und es ist eben nicht das Thema von Reformschulen schlechthin, qua als Reformschule. Sondern dies eben nur, weil auch das Thema Reformschule der Kompensation dient. Die Reformschule dient regelmäßig der Heranzüchtung und eben Heranzüchtigung der Kader des Systems der Herrschenden, des herrschenden Nachwuchses. Sexuelle Unterordnung ist Teil des Herrschaftssystems. Genau das zu begreifen, das ist wohl die erste Aufgabe solcher Reformschulen.
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Die Reformschule ohne sexuellen Missbrauch, die wird es wohl in der Klassengesellschaft nicht mehr geben. Das ist Zukunftsmusik. Teil der sozialistischen Zukunft. Jenseits des Patriarchats. Teil einer Nicht-mehr-Pädagogik. Teil der Bewegung für die Befreiung der Geschlechter von der sexuellen w i e ökonomischen Ausbeutung. Es gibt keine sexuelle Befreiung ohne die ökonomische und vice versa. In der Verbindung liegt die „Reform“, mit dieser beginnt die Revolution.
Devin08@ So ist er eben der...
Devin08@ So ist er eben der Sexus gepaart mit Eros. Unzähmbar. Sie glauben dem
mit psychodeutelnder Tiefenanalyse beizukommen, sozusagen mit sozialistisch geschärfter Lupe? Die sozialistische Variante der Kompensation landete für das Gros „der Frau“ in den Traktorfabriken und Großkolchosen mit angeschlossenen Kinderverwahranstalten. Sicherlich war die Odenwaldschule eine hypokritische
Lee(h)rveranstaltung. Etwas für das Poesiealbum wie für Leute vom Schlage Cohn Bendits. Das unabgeschlossene und variantenreiche Thema f/m hat noch eine große Zukunft vor sich, da muß ich Ihnen allerdings Recht geben. Wie das allerdings mit einer ev. aufgehobenen Ökonomie korrelieren soll, ist mir schlicht schleierhaft.
Der innere Konflikt, den...
Der innere Konflikt, den Goldmund erlebt, das Wechselbad von Versuchung und Abscheu, ist weder spezifisch homosexuell noch pädophil, sondern typisch für jede beliebige Konstellation von „verbotener Liebe“: Die soziale Norm fordert das eine, der innere Trieb etwas anderes. Spürt man die Versuchung zum ersten Mal, muss man über sich selbst umdenken: Von der Seite kannte man sich noch gar nicht, niemals hätte man sich selber zugetraut, an dieser Stelle mit der (auch von einem selbst bis dahin für richtig gehaltenen) Moral in Konflikt zu geraten.
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Nun waren zu Hesses Zeiten aber ALLE sexuelle Beziehungen verboten und tabuisiert. Schon der übermächtige Wunsch, sich selbst zu befriedigen („abscheulich!“), verursachte vielen wohlerzogenen Schulbuben des 19. und 20. Jahrhunderts heftige moralische Qualen, und heute lachen wir darüber.
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Heutige Jugendliche leben nicht mehr im Jahr 1896 oder 1966:
Masturbation ist Pflicht, vorehelicher Sex im Grunde auch, Oral- und Anal Teil des Curriculum, Pornokonsum Teil der Jugendkultur und die Homosexualität längst auch bei Heteros akzeptiert. Da kommt heute kein junges MÄdchen dran vorbei, zumindest muss sie da mitreden können, um von der peer group nicht ausgegrenzt zu werden. Und wenn Muslime das nicht ganz so sehen, bezeichnen wir sie als mittelalterliche Barbaren.
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Nur das, was Daniel Cohn-Bendit gemacht hat, gilt immer noch (oder schon wieder) als verboten. Tja, Pech gehabt, dann dürfen wir auch auf ihn draufschlagen. Wir schließlich haben es doch immer gewußt, dass diese 68er alle pervers sind.
"Nur das, was Daniel...
„Nur das, was Daniel Cohn-Bendit gemacht hat, gilt immer noch (oder schon wieder) als verboten. Tja, Pech gehabt, dann dürfen wir auch auf ihn draufschlagen.“
Klingt wie „Könnte ja irgendwann wieder erlaubt sein, ist nur eine vernachlässigbare gesellschaftliche Konvention. Wenn dieses Verständnis richtig ist, erlauben Sie mir den freundlichen Einwand, dass sexuelle Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern schlicht nicht existieren, dabei geht es immer um Missbrauch. Das Gesagte gilt nicht mehr automatisch ab Geschlechtsreife eines Jugendlichen. Und auf den Einwand, wer könne das trennscharf definieren, antworte ich mit dem (angeblichen) Wort eines Richters zu Pornographie: Er könne vielleicht nicht definieren, was das sei, aber er erkenne, wenn er welche vor sich habe.
Es gibt auch zwischen und unter Menschen ewig gültige Gesetze. Dass Sex zwischen Kindern und Erwachsenen immer und ausnahmlsos Missbrauch des Kindes ist, gehört dazu.
Gruss,
Thorsten Haupts
"Denn wie wenig begriffen all...
„Denn wie wenig begriffen all das dann doch bleibt, bleiben muss, zeigt der Kommentar von ThorHa. Denn auch ThorHa glaubt an das, was er sagt, wenn er sagt: „…unterscheidet Erwachsene von Kindern, dass sie ihre Triebe unter Selbstkontrolle halten können.“ Das ist genau jener uralte patriarchalische (Selbst-)Betrug. Ein zu komischer vor dem Hintergrund, dass die Vergewaltigungen in aller Regel ein männliches Delikt sind.“
Pruuuust. Ich lasse mir von jemandem, der mir intellektuell überlegen ist, im Ausnahmefall (!) erklären, was ich nicht begriffen habe. Also von Ihnen nicht. Und das schale Bonmot mit dem patriarchalischen Selbstbetrug ist angesichts der Tatsache, dass schlimmstenfalls ein einstelliger Prozentsatz aller Männer zum Mittel der Vergewaltigung greift, also eine Frau ausschliesslich zur Selbstbefriedigung be-nutzt, nichts anderes als üble Nachrede in grossem Stil.
Gruss,
Thorsten Haupts