Harald Schmidt in der FAZ mit einer sehr treffenden Bemerkung, die meiner Ansicht nach weit über die Liderlichkeiten des Showbizz hinausreicht:
„Das ist die Grundhaltung: Toll! Schuldenschnitt? Warum nicht? Transferunion? Schön. Bundesliga. Im Zweifel wichtiger. Es ist auch alles gleich bedeutend, keine Gewichtung. Das ist die hysterische Wirklichkeit: alle fünf Minuten derselbe Beitrag mit neuem Foto auf Spiegel Online. Wo das alles hinführt, das ist vielleicht die Frage, aber nicht unsere. Wir sagen: alles supi, noch mehr Apps, noch mehr Online, noch mehr Geräte.“
Ist sie das nicht – die Realität des Jahres 2011? Reduziert sich nicht das gesamte Geschehen, politisch, kulturell und ökonomisch sowieso, auf diese eine Formel? Wir wissen zwar nicht, wo es hinführt, aber hey: Bis dahin ziehen wir es auf jeden Fall durch? Hauptsache, wir fühlen uns gut dabei?
Die einzige Ergänzung, die man an diese Reinterpretation des schmidtschen Statements anfügen sollte, ist die: „Was sollten wir auch sonst machen?
Das ist das Problem. Nennt es Ideologie oder nennt es Phantasielosigkeit, beides läuft auf das Gleiche raus: Wir machen weiter wie bisher und singen fröhlich bumsvallera! Was sollten wir auch sonst tun? Ich meine: Welcher Normalbegabte sollte angesichts der Weltnachrichtenlage auf die Idee verfallen, ausgerechnet jetzt den „bewährten“ Kurs zu verlassen, um sich zu Experimenten hinreißen zu lassen? Nein. Gute Miene zum wie-auch-immer-gearteten Spiel, böse, vielleicht, aber das klingt ja gleich wieder so hochtrabend. Böse also nicht unbedingt, aber kurzsichtig, ja, kurzsichtig auf jeden Fall. Wo wird das alles hinführen? Ich will es gar nicht wissen, weil dann geht’s mir schlecht, und ich will, dass es mir gut geht. Optimistisch bleiben, dann kommt der Rest von ganz alleine. Im Griff haben wir die Sachen allemal, wir bauen die weltbesten Autos, damit sie lange und zuverlässig halten, aber wenn sie zu lange und zu zuverlässig halten, dann setzen wir halt Prämien aus, um sie mutwillig kaputt zu machen. Und wir machen Schulden, Schulden, Schulden – und wenn uns die Schulden bis zum Hals stehen, dann machen wir noch mehr Schulden, um aus den Schulden wieder rauszukommen… Kann das funktionieren? Wohin wird das führen? Tja, wer weiß. Sicherlich alles gute Fragen, aber nicht hier und heute, weil da regen sie uns nur auf.
Es führt zur...
Es führt zur Wiederherstellung feudaler Verhältnisse.
Und das ist auch gut so.
@HansMeier555 - Darf ich...
@HansMeier555 – Darf ich annehmen, dass „HansMeier“ in Wirklichkeit „Hausmeier“ heißen soll – jener frühmittelalterliche Major Domus, der allerdings von den Karolingern abgeschafft wurde?
Das ließe tief blicken …
Tja. Das Kernproblem jeder...
Tja. Das Kernproblem jeder Demokratie. Sie braucht (in grosser Zahl) engagierte Bürger, damit sie funktioniert. Und nicht bequeme Konsumenten. Wie jemand das schon mal viel besser ausgedrückt hat – Demokratie und Marktwirtschaft leben von Voraussetzungen, die sie selber nicht herstellen können.
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Kann das auf Dauer gut gehen? Klar. Die USA funktionieren schon seit 1789 so, zumindest bisher haben Krisen das System niemals vollständig ausser Kraft setzen können. Vielleicht ist der naive Optimismus also berechtigt. Ja geboten, weil kräftiges (radikales) Einmischen und Verändern aus einer Krise eine menschliche Katastrophe machen könnte? Die menschlichen Erfahrungen mit Revolutionen sind selbst bei rosaroter Betrachtung gemischt.
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Ich weiss es nicht. Was ich weiss, ist, dass die Voraussetzungen zum aktiven Einmischen in der modernen Mediendemokratie abschreckend für jeden sind, der einen IQ höher als ein totes Schwein hat. Und nicht mindestens die Sensibilität eines Panzers. Dann mag die Ablenkung durch sinnlose Beschäftigung mit überflüssigen Dingen das einzige sein, was bleibt.
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Gruss,
Thorsten Haupts
@HansMeier555
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Ich weiß...
@HansMeier555
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Ich weiß nicht, warum das zur Wiederherstellung feudaler Verhältnisse führen sollte. Mögen Sie das ein wenig mehr erläutern?
Die „kontemporäre...
Die „kontemporäre Geschichte“ des Kapitals
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@ThorHa: „Demokratie und Marktwirtschaft leben von Voraussetzungen, die sie selber nicht herstellen können.“ Der Spruch ist gut. Von wem ist der? Im „Kapital“, bzw. in „Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie“ spricht Marx von einer „kontemporären Geschichte“ des Kapitals. Einer also nicht wirklich historischen Geschichte, sondern einer, die so aussieht, als würde sie sich ständig ihre eigenen Voraussetzungen schaffen. (vgl. „Grundrisse, MEW 42, S. 372, https://dhcm.inkrit.org/wp-content/data/mew42.pdf)
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Darin liegt vielleicht das Geheimnis der Marktwirtschaft (wie das der durch diese sich rechtfertigenden „Demokratie). In der Tat beutet hier das Kapital seine Vorgeschichte aus und erweckt infolge seiner (ideologischen) Macht, resp. mit Hilfe des von ihm selber in die Welt gesetzten „Phantasma“ (vgl. hierzu Marx zum „automatischen Subjekt“, MEW 23, S. 170, https://www.mlwerke.de/me/me23/me23_161.htm ) den Anschein, als wäre es genau das, was das Kapital erst geschaffen habe. Selbst also in Zeiten, wo es diese seine Voraussetzungen zu ruinieren scheint, bleibt dieser Eindruck bestehen.
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Und genau darin liegt letztendlich der Grund für die Notwendigkeit des Marxismus als Theorie. Ohne diese ist es nicht möglich diesem Phantasma auf die Schliche zu kommen. Und es wird daher auch nicht möglich sein, eben ohne diese Theorie, die vom Kapital eben nicht geschaffene Demokratie – gegen dieses – zu retten, resp. weiter zu entwickeln.
Auf einer bestimmten Stufe der Entwicklung wird die Demokratie sich gegen die Marktwirtschaft richten. Allerdings wird dann die Marktwirtschaft selber nur noch ein Schatten ihrer selbst sein. Und die Demokratie wird eine Massenbewegung sein.
@ThorHa
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Natürlich ist das...
@ThorHa
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Natürlich ist das kein neues Problem. Vom seligen Willi Röpke der legendäre Spruch aus 1956: „Der Wettkampf gegen den Kommunismus kann nicht länger mit Radiotruhen, Kühlschränken und Breitwandfilmen gewonnen werden.“
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Röpke war gewissermaßen der frühe Vorläufer heutiger Systemzweifler, die sich fragen, ob die Linken nicht vielleicht doch recht gehabt haben könnten. Und wenn man sich die Segnungen des Konsumzeitalters mal alle wegdenkt, dann schließt man sich der Frage ja womöglich an.
Der Meudalismus bildet die...
Der Meudalismus bildet die zukünftige Reform der gesellschaftlichen Verhältnisse ab.
https://www.meudalismus.dr-wo.de/
Seit 1789 mit Vorläufern, das bewährte Modell: High noon.
https://www.youtube.com/watch?v=qZil728hUy0&feature=related
"Und es wird daher auch nicht...
„Und es wird daher auch nicht möglich sein, eben ohne diese Theorie, die vom Kapital eben nicht geschaffene Demokratie – gegen dieses – zu retten“
Über Marxismus diskutiere ich (wie bekannt) nicht mit Ihnen, u.a. weil ich nicht bereit bin, erst die Geheimsprache der Eingeweihten lernen zu müssen. Über Geschichte dagegen jederzeit. Und für die bleibt wahr, dass Demokratie von typischen „Kapitalisten“ gegen die Fürsten wesentlich mit durchgesetzt wurde. Und nicht etwa ohne oder gar gegen die Kapitalisten. Marx selber hat das noch gewusst. Und geschrieben :-).
Gruss,
Thorsten Haupts
Hier übrigens der Link zum...
Hier übrigens der Link zum Interview: https://www.faz.net/artikel/C30280/im-gespraech-harald-schmidt-und-fred-kogel-es-wird-alles-verheizt-alles-30498784.html
@Thomas Strobl
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Private...
@Thomas Strobl
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Private Kapitalgesellschaften scheinen sich unbegrenzten Zugriff auf die Staatsfinanzen verschafft zu haben.
Und eine soziale Ordnung, in der der Staatsapparat (Polizei, Armee, Beamten) und deren hoheitliches Handeln (z.B. Eintreiben der Steuer) nicht dem Allgemeinwohl, sondern privaten Interessen dient, muß wohl als „feudal“ bezeichnet werden.
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Vielleicht kann man das aber auch ganz anders sehen.