Ich kann mich der Einschätzung von FAZ-Kritiker Michael Hanfeld nicht ganz anschließen: In der gestrigen Premiere von Günther Jauch als Talkshow-Host bei der ARD erschien mir Jürgen Klinsmann neben Jürgen Todenhöfer noch am erfrischendsten. Ansonsten fand ich die Runde mau, mauer, am mauesten, die übrigen Gäste waren Langeweiler vor dem Herrn und das Konzept der Sendung … naja, dass man das nicht schon mal ähnlich gesehen hätte, kann man nicht gerade behaupten. Auch die optische Gestaltung des Studios ist eher kurios geraten, mich erinnerte es frappant an die „Donnerkuppel“ aus der gleichnamigen Folge von „Mad Max“, nur dass seinerzeit nicht der biedere Herr Jauch im dunklen Anzug den Zeremonienmeister gab sondern eine kesse Tinar Turner im knappen Röckchen.
Warum Döpfner? Warum Heidenreich? Wer weiß… Letztere wurde angeblich von Harald Schmidt vor dem New Yorker Inferno „gerettet“, weil er sie am 11. September 2001 in seine Show geladen hatte; ihm verdanke sie also gewissermaßen ihr Leben, so Heidenreich. Aha. 8 Millionen New Yorker waren an besagtem Tag zwar nicht in die Schmidt-Show geladen und daher in der Stadt zugegen, als die Flieger in die Türme krachten – überlebt haben sie es aber trotzdem irgendwie.
Jürgen Todenhöfer wie gesagt überzeugend, als Jürgen Todenhöfer, der Araber-Kundige, der Pazifist, der Engagierte, der Bewegte, der Bewegende – in der Rolle seines Lebens also. Immer wieder interessant zu sehen, aber im Grunde natürlich auch altbekannt.
Kommen wir damit zu Klinsmann: WTF?, so mein erster Gedanke, als ich ihn im Talksessel sitzen sah. Was hätte der ehemalige DFB-Bundestrainer großartig zum 11. September zu sagen? Aber dann die Überraschung: Das Entscheidende! Wie stellt sich das Ganze nämlich aus der Sicht von Otto-Normalamerikaner dar, der gar keine Zeit hat fürs Kontemplieren und Philosophieren? Die USA wurden angegriffen und schlugen zurück! Period. Mehr gibt’s nicht zu sagen, schließlich lebt man in God’s own country und da kann schließlich nicht jeder einfach mal so ins Flugzeug steigen und 2000 Leute umbringen. Einfach gesagt. Und einfach muss es sein, weil schließlich muss die Chose im Frühstücks-TV abgehandelt werden können und zwischen einer Schüssel Cornflakes und einem Rührei Platz finden, weil schließlich muss das Leben weitergehen und der Unterhalt für dieses Leben verdient werden und hey: Das ist ohnehin schon schwer genug!
Period. So einfach ist das. Und Klinsi hat’s genau so beschrieben. Und dafür muss man ihm bei all dem Pathos und schnell gebastelten „Angriff auf die Freiheit“-Parolen eigentlich dankbar sein. Klinsmann war für mich der Winner des Abends, die ARD-Oberen sollten darüber nachdenken, ihm seine eigene Talkshow zu geben!
Das Bild, das Klinsmann über die Einstellung der Amerikaner zeichnete, erinnert mich übrigens an den Einwand, den ich früher oder später immer zu hören kriegte, wenn ich mich mal aus Versehen mit amerikanischen Freunden in eine Diskussion über den 2. Weltkrieg verloren hatte: „We won!“. Ja, genau: Was sollen da eigentlich lange Debatten über das Für und Wider und was die Nazis gemacht hätten und die Japaner und die Russen, oder was die Engländer für Ängste hatten und warum sie zunächst aber dann wieder nicht… Müßig! We won! Was gibt’s da noch groß zu diskutieren?
Und im Grunde liegt da das Problem, dass „We won!“ heute nicht mehr so leicht über die Lippen geht, angesichts der ganzen Merde in der man bis zum Hals im Irak und in Afghanistan steckt. Aber hey: Damit wird es schon wieder tiefsinnig, und dafür reicht die Zeit einfach nicht. Das Leben geht schließlich weiter und Sorgen hat man zwischen Atlanta und Milwaukee auch so schon genug. Und in Kalifornien auch, da wo Klinsi zuhause ist.
Hat sich gelohnt, ihn einzuladen.
PS: Ein schönes Transcript der Klinsi-Wortmeldungen, im Blog von Leser Johannes.
schwachsinn...
schwachsinn
...Leuten, die ernsthaft...
…Leuten, die ernsthaft mehrfach „aber hey“ schreiben und nicht dem Prekariat angehören oder ihm angehören wollen, kann ich keine guten Noten geben, aber immerhin „Gute Besserung“ wünschen…
Schhlimm dass Klinsmann nie...
Schhlimm dass Klinsmann nie weiß wenn er, wegen Ahnung unter dem Gefrierpunkt, einfach mal die Klappe halten sollte und zu Hause bleiben.
Die Amis haben keine Zeit, das geht dort ja gar nicht anders. Mhm. Das ist alles quasi gottgegeben.
Dieter-Nuhr-Zitat
Mir hat Klinsi als Ethnologe...
Mir hat Klinsi als Ethnologe auch blendend gefallen. Ich hab seine Beiträge bei Günther Jauch mal aufgeschrieben: https://www.soccercorner.de/Joe/wordpress/gunther-jauch/zehn-jahre-11-september-war-es-richtig-in-den-krieg-zu-ziehen/
Nach Lektüre der...
Nach Lektüre der Transkription bin ich etwas sprachlos angesichts von Strobls Bewertung. Man kann sich natürlich auch hinstellen und sagen, von den Gescheiten sei eh schon alles gesagt worden, nichts was es noch hinzuzufügen gäbe. Dann wiederum strahlen Goldjunges platidüdenhafte Dümmlichkeiten, ob richtig oder falsch, als Essenz dessen, was hierzulande beim TV-Gucken am Frühstückstisch hängen bleibt.
Tut mir Leid, das Loblied auf diesen Unfug nehme ich wahr als gescheiterten Versuch originell zu sein. Empor- nicht runterziehen lassen, sollt Ihr Euch!
@beckmesser
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Aber warum denn?...
@beckmesser
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Aber warum denn? Klinsmann ist weder Universitätsprofessor noch Habermas-Intellektueller; er ist Fussballtrainer! Und was machen Fussballtrainer? Sie reden wie Fussballtrainer! Sie denken wie Fussballtrainer! Insofern muss man das Transkript natürlich cum grano salis lesen, wie es bei uns feuilletonistischen Betschwestern so schön heißt. Ich mein, hey (Frau Piepengrün, sind Sie noch da?): Nur so entsteht Authentizität! Und das mag ich. Hätte Klinsmann über seine kalifornischen Nachbarn doziert wie Reich-Ranicki über Martin-Walser-Romane, dann hätte man ihm das nicht abgekauft, oder?
"We won"?
Which war?
Ich...
„We won“?
Which war?
Ich hatte Verwandten in LA (mittlerweile sind alle zurück in GB und in der Schweiz) und habe sie ein paar Male besucht. Ein Onkel hatte ein Haus near the beach. „Don’t worry if you hear gunshots during the night“ hat er mir gesagt „it’s only gunfights between gangs“.