Das „Baron“ in der Avenue Marceau im feinen achten Arrondissement von Paris ist der sagenumwobenste und geheimnisvollste Klub der Stadt. Man sagt, hier müsse einfach jeder hingehen, der etwas auf sich hält, vor allem während der Fashion Week in Paris begehrten angeblich alle Einlass. Den zu erhalten ist allerdings nicht so einfach. Denn der exklusive Ruf des „Baron“ gründet nicht so sehr auf seinem Intérieur, dem die roten Ledersofas, die verspiegelten Wände, die schmale Bar und die kleine Tanzfläche jede Extravaganz rauben. Es ist auch nicht unbedingt die Musik, die die Leute hierherzieht, weil es durchaus passieren kann, dass man sich in einem wirklich schlechten Mix aus Jamiroquai und Michael Jackson wiederfindet. Der Ruf des Klubs stützt sich im Grunde ausschließlich auf die Einlasspolitik an der Tür.
Dort stehen drei Jungs, die nur einlassen, wen sie kennen. Wer Zutritt haben möchte, muss also zunächst mit jemanden kommen, der die Türsteher kennt, und dann so lange wiederkehren, bis die drei einen selbst erkennen. Die Psychologie hat für solche Situationen den Begriff der „Frustrationstoleranz“ erfunden, und für das „Baron“ gilt: Je höher die Frustrationstoleranz der Leute, desto besser läuft der Laden.
Er läuft so gut, dass auch die Türsteher nun Profit daraus ziehen können. Einer von ihnen, Bak, 28 Jahre, ein Mann, der mit seinen kurzen Haaren und der großen Brille aussieht, als könnte er auch in einer amerikanischen Krimiserie mitspielen, Bak arbeitet jetzt als Model. Sieht er gut aus? Ansichtssache. „Entdeckt“ haben ihn jedenfalls die drei Brüder Elicha, die Söhne des früheren Besitzers der Modefirma „Comptoir des Cotonniers“. Nachdem ihr Vater die Modekette vor ein paar Jahren verkauft hat, haben die drei Söhne im vergangenen September ihr eigenes Modelabel gegründet. Es heißt „The Kooples“ und hat sich in Frankreich in kurzer Zeit schnell ausgebreitet. In Paris sind seit dem vergangenen Herbst dreizehn Boutiquen eröffnet worden, alle in sehr guter Lage. Hinzu kommen noch ein halbes Dutzend Läden in Städten der Provinz. Die Mode, die „The Kooples“ anbietet, ist weniger alltagstauglich als die von „Comptoirs des Cotonniers“, sie schwankt stilistisch zwischen APC und Brit-Pop-Look. Besonders beliebt war bisher ein schwarzes Sakko, das einen Aufnäher mit Totenkopf auf der Brust trägt und entfernt an eine Schuluniform erinnert. Nicht alles, was man in den Läden findet, sieht allerdings so aus, als wäre es wirklich gut verarbeitet. Preislich liegen die Kleider im Mittelfeld, „haut de gamme accessible“ – erschwingliche Produkte besserer Qualität -, so nennt das der für das Design zuständige Alexandre Elicha.
Ansprechen möchte man, das sagt Alexandre Elicha ganz offen, die Leute des Pariser „Underground“. Der 33 Jahre alte kleine Mann mit dem gepflegten Äußeren und der glatten Haut sieht gar nicht aus, als hätte er den „Underground“, von dem er spricht, allzu häufig selbst besucht. Aber scheinbar reicht es aus, sich seiner Vertreter zu bedienen, um jene Menschen anzusprechen, die man gerne als Kunden hätte. Und so spielen „The Kooples“ mit dem „Baron“ einfach weiter ein bisschen Doppelpass, und schon entsteht der Eindruck schönster Exklusivität.
Exklusivität läßt sich...
Exklusivität läßt sich erzeugen – alle Brands, die sich als Lieferant exklusiver Fashion verstehen, bedienen sich dieses Mittels. Und es funktioniert. Die Menschen lassen sich dadurch „anstecken“.