Nun soll die Fnac, das mythische französische Kaufhaus für Bücher, CDs und elektronische Geräte, das in keiner mittleren bis großen Stadt des Landes fehlen darf, also wieder verkauft werden. Um es gleich vorweg zu sagen: Ich finde das nicht besonders schade. Die Fnac ist ein Laden, in dem sich jede Menge brauchbarer und unnützer Dinge kaufen lassen, sie unterscheidet sich also überhaupt nicht von beinahe allen anderen Geschäften dieser Erde. In der Fnac verbergen sich in grün-gelbe Jäckchen gekleidete Verkäufer hinter kleinen Computerbildschirmen und blicken genauso mürrisch von ihnen auf wie die Angestellten in anderen Kaufhäusern. Die Fnac ist schlecht gelaunt, langweilig und ungemütlich. So gesehen wird es Zeit, dass sie untergeht.
Erst vor kurzem habe ich bei Fnac (das für „Fédération nationale d’achat des cadres“ steht) in der Nähe des Bahnhofs Saint-Lazare in Paris ein bisschen gestöbert. Nach Platten geschaut, ein paar Bücher in die Hand genommen und dann nach einem Platz gesucht, an dem man sich niederlassen und lesen könnte. Aber anders als in jeder vernünftigen Buchhandlung, war da kein einziges Sofa, kein Sessel, einfach gar nichts zu entdecken. Nur in einer Ecke im zweiten Stock hatte man eine kleine Cafeteria eingerichtet, in der in Plastik verpackte Sandwiches und Kaffee aus Pappbechern angeboten wurden. Drumherum standen ein paar Plastiktische mit dünnen Beinen und Stühle mit ebenso dünnen Beinen und ich weiß genau, wenn ich es gewagt hätte, mich dort hinzusetzen, ohne eines der unappetitlichen Lebensmittel zu kaufen, hätte es keine fünf Minuten gedauert, bis jemand gekommen wäre, um mich darauf aufmerksam zu machen, dass man auch etwas konsumieren muss, um an den unbequemen Tischen sitzen zu dürfen.
Deswegen habe ich zwischen zwei Bücherregalen auf einen niedrigen Hocker Platz genommen. Ungefähr fünf Minuten saß ich dort, bis ein Angestellter kam und in schönster Pariser Art sagte: „Ah non, mais là, c’est vraiment pas possible.“ Hier können Sie wirklich nicht sitzen. Und so ist das immer bei der Fnac.
Es kann ja sein, dass es früher einmal anders war, aber das muss lange vor meiner Zeit gewesen sein. Im Jahr 1954 von André Essel und Max Théret (einem Weggefährten Trotzkis) gegründet, sollte das Unternehmen einst so etwas wie ein sozialistischer Hafen in einer kapitalistischen Welt werden. Hier wollte man vergleichsweise gut bezahlte Verkäufer, die mehr Urlaub als andere Menschen ihres Berufsstandes hatten, möglichst preiswerte Dinge an den Kunden bringen lassen. Didier Toussaint, der im Jahr 2006 ein Buch mit dem Titel „L’inconscient de la Fnac“ publiziert hat, sprach sogar davon, der Gründer André Essel habe gemeint, eine Rendite von mehr als zwei Prozent sei unanständig. Aber André Essel ist schon lange nicht mehr der Besitzer von Fnac. Seit 1996 gehört die Kette der französischen Gruppe PPR, die von dem Milliardär François-Henri Pinault geführt wird. Vielleicht liegt es daran, dass ich vor ein paar Jahren einem jungen Mann begegnet bin, der in einer Fnac-Filiale in Cannes an der Kasse arbeitete und nicht mehr als den Smic, also den französischen Mindestlohn verdiente. Er war nicht zu beneiden um seinen Job. Und deswegen gibt es auch heute keinen Grund traurig zu sein.