Auch am Morgen beim Frühstück – ich bin im 63. Lebensjahr der absolute Jungspund unter den Hotelgästen – wurmt es mich immer noch, dass ich am ersten Tag nur bis Ratzeburg gekommen bin. Habe ich gestern im Wald geflucht, wegen den Mücken und dem Pech mit dem Schutzblech (dabei darf ich froh sein, dass mir der Kiefernast nicht richtig zwischen die Speichen geraten ist), bin ich heute für jede Hecke und jedes Waldstück dankbar. Denn im offenen Gelände bläst es ordentlich, und wie immer auf dem Rad aus der verkehrten Richtung. Als ich endlich den Elbdeich sehe, steigt meine Laune.
Der siebzehnte Juni, früher mal ein wichtiger Brückentag, als die wenigsten noch an die Deutsche Einheit glauben wollten, vom 17. Juni 1953 datiert eine meine ersten Erinnerungen, eine von denen, die mir bestimmt nicht so erzählt worden sind: Ich bin noch nicht ganz vier Jahre alt, habe ein Brüderchen von nicht ganz fünf Monaten, das alle total süß finden und das viel quengelt. Meine Mutter sitzt mit mir auf dem Sofa und weint. Sie hat gerade einen Anruf bekommen, dass mein Vater nicht nach Hause kommt, er muss in der Poliklinik Notdienst machen, es gibt Verletzte. Frau Henschke, die Zugehfrau, kommt ins Zimmer und sagt: Der Russe schießt det alles zusammen. Ich bin ganz starr, ich habe meine Mutter noch nie weinen gesehen.
An der Elbe, die ich bei Bleckede mit der Fähre überquert habe, entlang weiterfahrend steigt meine Stimmung. Aber dieser Track ist schon was anderes als der Donau-Radwanderweg. Norddeutsche Tiefebene? Die Eiszeit hat hier nette Knüppel hingeschoben, den Kniepenberg zum Beispiel, nicht besonders hoch, aber es geht schön steil den Waldweg hoch.
In Hitzacker komme ich sehr fein im Bett&Bike-Hotel Zur Linde unter. Und nach einer Portion Sauerfleisch mit Bratkartoffeln schlafe ich wie ein Stein.
(Fotos: py, hier ein ehemaliger Grenzwachturm gegenüber von Bleckede an der Elbe)