Montagmorgen.
Paradigmenwechsel: Das abendliche Gekrabbel gestern vor Hitzacker hat mir klar gemacht: ich bin mit viel zuviel Gepäck unterwegs. Nicht absolut und an sich: Ich war schon mit schwerer bepacktem Rad unterwegs, und das ¨untypische Reiserad¨ aus Weil der Stadt verkraftet die Zuladung bestens. Aber das deutlich hecklastige Gesamtgewicht ist auf solch einem Geländeritt für mich kaum zu handhaben – und bislang waren ja weder besondere Steigungen noch kitzlige Abfahrten zu bewältigen. Wenn ich nicht mehr schieben als fahren will, muss – wie hieß es bei Velotraum so ingenieurmäßig: – das Systemgewicht reduziert werden.
Ich gehe also bei herrlichem Sonnenschein morgens in Hitzacker los, besorge einen Karton und unterziehe meine Ausrüstung einer kritischen Musterung. Am Ende wiegt das Paket, das ich nach Hause schicke, genau 6,7 Kilogramm. (Zum Vergleich: Einer der besonders schnellen GSTler hat ganze viereinhalb Kilo Ausrüstung auf dem Rad. Als ich ihn vor dem Start vorsichtig fragte, bei so wenig Gewicht sei ja wohl keine Unterhose zum Wechseln mehr denkbar, tönte er: ¨Unterhose? Ich bin doch allein im Wald…¨) Dieses stramme Verwutzen, das vermutlich sogar für die Mehrheit der Teilnehmer unbedingt zur Selbstversorgerfahrt dazugehört wie das Schlammbad für die Bestreiter einer Land-Rover-Rallye, ist mein Ding nicht.
Es heißt, ich hätte mir schon im Sandkasten immer Hände und Hose sauber abgeklopft, wenn ich bei Mutti einen Keks holen ging. Und gestern in Ratzeburg habe ich selbstverständlich noch vor dem Duschen die auf dem Priwall versandelte Kette gereinigt und gepflegt. Ich leide, wenn ich es da irgendwo im Antriebsstrang knirschen höre. Ein Fahrrad ist für mich irgendwie so etwas wie ein fühlendes Wesen – wie ein Pferd. Wenn da etwas schleift, wenn es bei jeder Kurbelumdrehung knackt, mache ich mir Sorgen, gucke ich nach. Ich mag ja vielleicht ein Bisschen zu weich sein, aber ich schäme mich deswegen nicht: Ich rede unterwegs mit meinem Rad (nicht nur mit diesem) – und ich höre ihm zu. Was der wohl der wichtigere Part in dieser Beziehung ist.
Die Frau auf der Post meinte, solche Pakete wie meins die kenne sie, das komme öfter vor.
Aus dem Abspecken folgt zwangsläufig, dass ich höchstens noch im Notfall biwakieren kann, in der Regel aber eine Unterkunft brauche. Das ist nicht gegen das Reglement, allerdings darf ich mir nicht im Voraus Reservierungen besorgen oder besorgen lassen. Und ebenso zwangsläufig werde ich deshalb noch etwas langsamer werden, weil ich den Track verlassen und wieder zu ihm zurück muss, wenn das Hotel nicht wie in Hitzacker unmittelbar an der Strecke steht. Aber mein Tempo ist meine geringste Sorge.
Ich mache mich Richtung Dannenberg auf, kaufe mir dort noch eine Luftpumpe und fahre dann weiter durchs Wendland nach Osten, meist mit dem Wind im Gesicht. Vom Arensee bekommt man auf der GST-Route leider nichts zu sehen. Immerhin schwenkt der Kurs so, dass es mit dem Wind besser wird. Aber ich bin doch ziemlich erschossen, als ich mich entschließe, nach Salzwedel abzubiegen und dort zu übernachten. Komme durch die Zimmervermittlung in eine putzige Pension. Das Hansestädtchen ist sehr schön.
Und überall: Baumkuchen.
(Fotos: py)