Ich an der Grenze

Ich an der Grenze

Grenzerfahrungen, aber auch grenzwertige Erlebnisse - mit Mountainbike, Rennvelo oder Dreirad

Noch zwei Tage bis zur Eurobike: Mit dem Easy Rohler ER-X von Idworx auf Pannentour

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  Wer den Schaden hat, spottet jeder Beschreibung. Aber darf eine öffentlich gemachte Radler-Kladde zum Pranger werden? An dem mit vollem Namen (oder noch...

 

Wer den Schaden hat, spottet jeder Beschreibung. Aber darf eine öffentlich gemachte Radler-Kladde zum Pranger werden? An dem mit vollem Namen (oder noch schlimmer: mit Schimpf- und Necknamen) Hersteller und Benutzer von anfälliger Fahrradtechnik zwar nicht ausgepeitscht, aber netzweit plakatiert werden?

Also, ich war mit der Rad-Gruppe des TUS 1965 Vollnkirchen von Donnerstag bis Sonntag zwischen Ulm und Regensburg unterwegs. Die Truppe, die sich während der Saison unter der Woche am Dienstagabend zu einer Ausfahrt trifft, macht ihre Ausflüge seit bald zwanzig Jahren Jahren, mittlerweile einen „Frühjahrsklassiker“ und Ende August eine Fluss-Fahrt. (Was schon alles gefahren wurde: https://tus-vollnkirchen.de/joomla/content/section/6/28/ ) In diesem Kreis hängt mir immer noch eine Geschichte nach: Vor 15 Jahren war ich mit einem vollgefederten Trekkingrad von Giant am Roten und Weißen Main mit dabei und kam aus dem Fluchen nicht heraus, weil das Rad sich wie eine Gummikuh aufführte: die Schaukelei mit dem Gepäck war entsetzlich und an jeder kleinen Steigung stand der Krafteinsatz in keinem Verhältnis zum Vortrieb. Also von Komfort keine Rede, nur Frust, aber unvergessen, weil ich aus meinem Herzen keine Mördergrube machte. Und so wurde ich dieses Jahr gleich gefragt, ob ich wieder so ein Super-Rad für die Tour nehmen wolle. Klar, ein wirklich schönes (und entsprechend kostendes) Stück: ich hatte mich für einen idworx Easy Rohler von Gerrit Gaastra entschieden, das mit blauen Komponenten optisch aufgepeppte Modell ER-X.         

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Die Radlergruppe des TUS Vollnkirchen in Regensburg                                              (Fotos: py.)

Es war eine richtige Herrenpartie – knapp 280 Kilometer flussabwärts an der Donau entlang, mit eher erhöhtem Cholesterinspiegel als der Gefahr der Hypoglukämie und zeitweise den roten Bereich streifenden Leberwerten. Eine landschaftlich, architektonisch und kulinarisch erfreuliche Strecke, auf der man sich schwerlich verfahren kann, und die auch kaum besondere Anforderungen an die Kletterfähigkeiten von Rad und Radler stellt. Es hat – das erwies sich für mindestens einen der Teilnehmer – vor Neuburg a. d. Donau so seine Tücken, wenn man dem Gesamtstreckenprofil des Donau Radwegs traut, wie es etwa ein gedruckter Führer darbietet: als sachte aus der Waagrechten über die Buchseiten hinweg abfallende Linie. Die hat in Wirklichkeit, vor allem wenn man sich ein wenig von den auf und hinterm Deich verlaufenden Pfaden abwendet, durchaus einige Knüppelchen zu bieten. Maximal etwas über hundert, weitgehend ebene Kilometer am Tag – da kann man sich nur selbst und mit seinem Rad in die Quere kommen.

So war es auch: Die Durchschnittsgeschwindigkeit wurde wesentlich vom Pech mit gerissenen Speichen und einem Reifenmantel-Riss oder einer schief gezogenen Achse und den daraus resultierenden Reparatur-Pausen bestimmt. Technisch hoch interessant, aber nicht ganz ungefährlich, wenn man abrutscht: Zum ersten Mal erlebte ich mit, dass es möglich ist, eine nahe dem Nabenflansch abgerissene Speiche so umzubiegen, dass sie wieder eingehängt werden kann, um die Fahrt bis zur nächsten Werkstatt fortzusetzen. Klaus hat sich dabei nicht geschont, sondern die Hand aufgerissen.    

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Klaus biegt freihändig einen neuen Speichenkopf 

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Reparatur- und Regenerationspause 

Nach der dritten oder vierten Panne lässt zwar nicht die Schadenfreude in der Truppe, aber doch der Unterhaltungswert für die nicht unmittelbar Beteiligten ziemlich nach, vor allem dann, wenn es immer wieder denselben Fahrer und dasselbe Rad trifft. Dem oder vielmehr den beiden Armen hinterher zu höhnen, verbietet die Kameradschaft. Außerdem war es im einen Fall (zwei Speichenbrüche) ein Ast und einfach schlechtes Karma, im anderen Fall (Speichenbruch, Mantelriß und schlagartiger Druckverlust hinten, Schaltungsblockade infolge schief gezogener Hinterachse, Plattfuß infolge Ventilschwäche) handelte es sich um ein Rad der Marke Conway in Hoya, wo man auch sehr ordentliche Räder hinstellen kann. Aber ob es nun die Reparatur in der Schlosserei in Großmehring war, wo man alles und jedes bekommt, von der Kettensäge bis zum Kinderrädchen, oder aber der Autodidakt Rainer Gender, der uns im Café in Bad Gögging als „Fahrradfreak und Ex-Rennradfahrer“ vermittelt wurde, sie gehen in die Heldensagen des TUS Vollnkirchen ein.   

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Dass es so etwas gibt wie einen Mantelriss, glaubt man erst, wenn es peng gemacht hat.

Den Beweger eines Easy Rohler von Gerrit Gaastra, Fahrradhersteller in vierter Generation (seine Altvorderen haben zum Beispiel Batavus und Koga Miyata begründet), bewegen ganz andere Sorgen. Das geht schon damit los, dass man das Rad nicht ohne ein zweites Schloss am Bahnhof in Ulm stehen lassen möchte, um auf den Turm des Münsters zu klettern. Wenigsten sollte das Vorderrad zusätzlich zum serienmäßigen Ringschloss gesichert sein, denn da sitzt blitzblau im ER-X ein SON-Dynamo, der es schon lohnen würde, das Rad mit zwei Handgriffen zu entwenden. Genauso blau, aber nicht ganz so leicht zu demontieren: über dem Vorderrad der Edelux-Scheinwerfer, ebenfalls von Schmidt Maschinenbau in Tübingen, und im Hinterrad Rohloffs Speedhub 500/14.

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Das Easy Rohler ER-X von idworx auf der Donautour

Kurz und gut: Das Rad mag im Auftritt noch so zurückhaltend sein, man macht sich schon ein wenig Sorgen um das gute Stück, aber keinen Moment lang, wenn man fährt (oder es gut weggeschlossen weiß). Es war ja schon die Rede vom Schaukeln eines gefederten Fahrrads unter Zuladung: Nichts davon bei diesem Bike, an dem etwa von „Air Suspension“ steht. Gemeint sind die kräftig dimensionierten Reifen (Schwalbe Marathon Dureme), die im aufgeweichten Kalkschotter an der Donau genauso wie auf nassem Kopfsteinpflaster in Regensburg (ja, da regnete es einmal für 15 Minuten, aber gründlich) gleichermaßen gefielen. Ein beispielhaft ruhiges Fahrverhalten, ohne jede Schwerfälligkeit, ein Nicht-Renn-, kein Gelände-, sondern im wortwörtlichen Sinne ein Tourenrad, das Zuladung (natürlich auch einen größeren und schwereren Fahrer als mich) mühelos verkraftet und sich doch leichtfüßig sich im Wiegetritt einen Anstieg hinauf bewegen lässt. Bloß dieses schabende Geräusch stört, das die Rohloff-Nabe in den Berg-Gängen macht. Das Fahrerlebnis war sehr schön, und im Laufe der Tage stellte sich auch eine gewisse Gelassenheit hinsichtlich der Robustheit des ER-X ein: Dass es für knapp 4000 Euro erstklassig ausgestattet und ohne Wenn und Aber tadellos verarbeitet ist, bleibt eine Sache, aber es sieht nicht bloß schick aus, sondern kann auch eine Reise unter einem Haufen anderer Räder vertragen.                 

Apropos, Pannen: Die Christophorus-Plakette für das Faltrad, mit dem ich am Samstag in Maikammer zum Klapprad-Cup auf die Kalmit antreten will (der Schutzpatron ist ein vom Veranstalter zwingend vorgeschriebener Ausrüstungsgegenstand genauso wie die mittels Zeitbonus strikt empfohlenen rasierten Waden) habe ich schon im Klosterladen der Benediktiner in Weltenburg „metgehollt“, wie der Saarländer sagt. Es gibt tatsächlich eine Ausführung speziell fürs Rad, nicht mit Magnet oder Klebfleck wie fürs Auto, sondern mit einer Biege-Schelle fürs Alurad.

Wirklicher Stress ist auf der TUS-Tour aber nicht das Radfahren gewesen, sondern mal wieder das Bahnfahren mit einem knappen Dutzend Fahrrädern  – vor allem das Umsteigen mit schmalem Zeitfenster. Toitoitoi, das hat von Mal zu Mal immer besser geklappt, dank stoßtruppartiger Vorgehensweise. Erst schwärmen die Aufklärer aus: An welchem Ende könnte denn bei dem nächsten Zug wohl das für Räder vorgesehene Großabteil plaziert sein? Das steht nirgendwo auf dem Bahnsteig angeschrieben, das wissen die im Schulterzucken besonders geübten Fachkräfte der Deutschen Bahn nicht, und das signalisiert auch nicht die Stelle, wo bereits zwei Mountainbiker ratlos lauern. Auf Zuruf der Spähtrupps dann der blitzschnelle Zuschlag: Mit Rad und Sack und Pack, die Wurstsemmel noch auf der Hand 50 Meter Sprint, bei denen man sich nicht von einem Seniorenausflug oder einer aufs Land geschickten Kinderkarawane aufhalten lassen darf. Waggontür auf, Gepäcktaschen runter und in der Postenkette durchreichen, Räder einzeln hochwuchten und alle auf einen Haufen werfen, noch einmal rasch, aber gründlich nach stehengebliebenen Taschen herumgucken und alle Mann durchzählen: Geschafft!

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Fahrradtransport in der Bahn – man beachte den vorbildlich freigehaltenen Durchgang.

Feinheiten wie etwa das vom Kompaniechef verlangte diplomatische Geschick beim Einsortieren fremder Räder je nach Zielbahnhof oder die Begegnung mit Frau K., der Zugbegleiterin, die das Einhängen der Räder in dem unter ihrer thüringischen Hoheit stehenden IC-Abteil unabdingbar machte, sollen hier nicht weiter ausgewalzt werden. Festzuhalten bleibt: Anreise und Rückkehr mit der Bahn sind geeignet, die Urlaubsfreude des Radreisenden mittschiffs zu torpedieren. Wer hat zum Beispiel diese komischen Gestelle erfunden und welche Art von Fahrrädern hat er sich vorgestellt, die man in sie hinein hängen soll?        

Morgen früh, wirklich in aller Herrgottsfrühe geht es, nein, nicht mit der Bahn und nicht mit dem Fahrrad, los ins Württemberger Allgäu. Nach Ratzenried, ein dörflicher Teil von Argenbühl, wo der Demoday der Eurobike mit vielen, vielen Rädern zum Ausprobieren wartet.      


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