Herzlichen Glückwunsch: Die Schauspielerin, Regisseurin und Autorin Emine Sevgi Özdamar wird, wie heute bekanntgeworden ist, im März mit dem Kunstpreis Berlin 2009 geehrt. Die 1946 in der Türkei geborene und in Berlin lebende Özdamar kam 1976 an die Ost-Berliner Volksbühne und stand in Wien, Avignon, Paris und Bochum auf der Bühne. Bekannt wurde sie aber vor allem mit Filmrollen in „Happy Birthday, Türke“ von Doris Dörrie (1991) und „Yasemin“ von Hark Bohm (1988). Türkischstämmige Schauspieler machen in Deutschland immer mehr von sich reden, anders sieht es jedoch mit den wenigen deutsch-türkischen Theatern aus – dabei wurden viele der türkischstämmigen Schauspieler, die heute regelmäßig im Fernsehen und im Kino zu sehen sind, dort sozialisiert.
Ausgerechnet dem Berliner Tiyatrom, dem bedeutendsten der deutsch-türkischen Bühnen, droht jetzt die Schließung. In diesem Jahr feiert das Theater sein fünfundzwanzigstes Jubiläum, ob es weitere Geburtstagsfeste geben wird, ist ungewiss: Seit dem Jahr 1995 hat die Berliner Senatsverwaltung die Etatmittel für das Tiyatrom kontinuierlich gekürzt, dennoch brachte das Theater weiterhin vier bis fünf neue Stücke pro Spielzeit auf die Bühne. Seit einem Jahr ist ganz Schluss mit der finanziellen Unterstützung. Das Theater hält sich nun nur noch mühsam durch seine Kasseneinnahmen und private Unterstützer über Wasser. „Das Theater spiele nicht genügend zeitgenössische Stücke, lautete die Begründung des Senats“, sagt Yekta Arman, der das Tiyatrom leitet. Wenn man sich den Spielplan der vergangenen Jahre ansieht, klingt diese Erklärung mehr als verwunderlich: Stücke von Siegfried Lenz, Ariel Dorfman, Athol Fugard finden sich neben Werken von Arthur Miller, Savas Dincel, Nazim Hikmet und Azis Nesin im Erwachsenenprogramm. Für Kinder zeigte das Theater zuletzt ein Stück, in dem es um die Figur des Nikolaus geht.
Das Tiyatrom versteht sich als Aufführungsort für deutsche und türkische Theatergruppen, türkische Staatstheater und städtische Berliner Bühnen. Auch Emine Sevgi Özdamar stand schon auf den Brettern des Tiyatrom. Viele der Stücke werden in türkischer Sprache aufgeführt, viele auf Deutsch. Schon im Jahr 1971 gab es in Kreuzberg eine türkische Theatergruppe und seit 1979 ein türkisches Ensemble an der Schaubühne. Dann, im Jahr 1983, wurde von Berufsschauspielern und Laiendarstellern der Verein Odak e.V. gegründet, der schließlich zum Tiyatrom führte, das seinen Sitz in der Alten Jakobstraße in Kreuzberg hat. Unterstützt wurde das Projekt damals vor allem von der CDU, die in Berlin den Migranten die Pflege der Heimatkultur ermöglichen wollte.
Das Publikum setzt sich zu fünfundsechzig Prozent aus Türken und zu fünfunddreißig Prozent aus Deutschen und anderen Besuchern zusammen. Die meisten der Zuschauer sind zwischen fünfundzwanzig und fünfunddreißig Jahre alt, außerdem kommen viele Schüler und Studenten. Für türkische Jugendliche ist das Tiyatrom einer der wenigen Orte, an denen sie die türkische Hochsprache lernen können – die Eltern zu Hause sprechen meistens nur den Dialekt ihrer Herkunftsregion. „Viele türkische Kinder sprechen kein richtiges Türkisch. Wenn sie in den Sommerferien in die Türkei fahren, werden sie deshalb dort ,Deutschländer‘ genannt. Das ist für sie nur schwer zu ertragen“, sagt Arman. Er möchte, dass die Kinder mit der deutschen und der türkischen Kultur aufwachsen; von beiden sollen sie das Beste und so viel mitnehmen wie möglich.
Die Jugendarbeit ist Arman ein besonderes Anliegen. Fast hundertfünfzig Jugendliche sind in der Theaterarbeit, in Tanzgruppen und in einem Jugendchor organisiert. Nur ein Bruchteil von ihnen hat türkische Wurzeln. Untereinander und auf der Bühne sprechen sie und ihre Betreuer und Theaterlehrer meistens deutsch. Die Jugendtheaterstücke werden, je nach Gruppe, auf Deutsch oder auf Türkisch aufgeführt. Vor zehn bis zwanzig Jahren wollten die Jugendlichen nur auf Deutsch spielen, erinnert Arman sich: „Um die Deutschen davon zu überzeugen, dass die Türken anders sind, als die Vorurteile es behaupten.“ Die Arbeit mit den Jugendlichen sei oft richtige Sozialarbeit: Die Kinder lernen, wie man deutlich artikuliert und wie man sich bewegt – dass man zum Beispiel die Hände aus der Hosentasche nimmt, wenn man mit jemandem spricht, dass es neben dem coolem Rumgepose, das sie aus ihren Cliquen kennen, noch eine ganz andere Körpersprache gibt, um sich Respekt zu verschaffen. „Theater ist eine Schule“, sagt Arman.
Am Freitag werden der türkische Botschafter und der türkische Generalkonsul sowie Unterstützer des Theaters zu Gast im Tiyatrom sein, um gemeinsam mit Gästen über die Zukunftsperspektiven des Theaters zu diskutieren. Beginn ist um 19 Uhr. Auf Deutsch kann dagegen am 25. März diskutiert werden: Dann feiert das Tiyatrom sein fünfundzwanzigstes Jubiläum.
Ich lese Ihre Beiträge mit...
Ich lese Ihre Beiträge mit Interesse und begrüße es sehr, dass Sie sich des Themas Integration annehmen.
Wenn türkischstämmige Künstler zeigen wollen, wie Integration gelingen kann, dann sollten sie das als Teil eines deutschen Theaterensembles bei Aufführungen in deutscher Sprache tun. Integration kann nicht gelingen, wenn die Hauptreferenzpunkte nicht in Deutschland, bei deutscher Kultur und Sprache liegen. Wenn türkische Jugendliche im Elternhaus nicht vorwiegend deutsch sprechen sondern türkischen Dialekt, dann vermindern sich die Chancen für einen guten Schulabschluss. Wenn die Jugendlichen dann auch noch die türkische Hochsprache lernen sollen, dann werden sie möglicherweise überfordert und die Integration wird behindert.
Und so wie Sie die Arbeit des Tiyatroms schildern, scheint es sich um eine Art türkischer Enklave mit deutschen Anteilen zu handeln, aber eindeutiger Ausrichtung auf türkische Referenzpunkte, auch das ist keinesfalls integrationsfördernd.
In einem Interview mit der türkisch-stämmigen Schauspielerin und Schriftstellerin Renan Demirkan erfahre ich, dass ihr Vater, der seit 1962 in Deutschland lebt, die deutsche Sprache zwar verstehen aber nicht richtig sprechen kann, dass ihre Mutter in Deutschland nie richtig heimisch geworden ist und immer „surück“ wollte und dass in ihrem Elternhaus so selten gelacht wurde, dass sie sich an einzelne Momente erinnern kann. Aber der, der nicht Deutsch kann und der nicht lachen kann, beklagt sich: „Die haben uns hier nie gewollt.“
Sehr schade und sehr traurig!
Meine Meinung zu Integration können Sie auf http://www.md-office-compact.de/SchlussmitMultikulti.htm nachlesen.