In dieser Woche wird mit Trauerfeiern in Deutschland und in der Türkei der neun Menschen gedacht, die am 3. Februar 2008 bei der Brandkatastrophe in Ludwigshafen starben. Die Ursache des Feuers ist bis heute nicht geklärt, die Staatsanwaltschaft hat – im Einverständnis mit den damals nach Deutschland entsandten türkischen Ermittlern – ihre Untersuchungen eingestellt. Sich aber vorbehalten, den Fall wieder aufzurollen, sollten sich neue Zeugen melden. Bisher geht sie von fahrlässigem Verhalten als Brandursache aus.
Bei der Trauerfeier in der osttürkischen Stadt Gaziantep, wo die Opfer beerdigt wurden, haben der türkische Minister für Arbeit und Soziales, Faruk Celik, und der türkische Staatsminister für die Auslandstürken, Said Yazicioglu, in ihrem Grußwort verlangt, dass die Untersuchungsakten wieder geöffnet werden. Und auch die türkischen Medien sind offenbar nicht von dem Ergebnis der Ermittlungen überzeugt. „Wir haben es nicht vergessen“ titelte die „Hürriyet“ am Dienstag. Die Ursache des „verdächtigen Brands“ sei bis heute nicht geklärt, allein die Akte sei geschlossen worden. Neben Politikern, die sich für den deutsch-türkischen Zusammenhalt aussprechen, kamen in der Zeitung nur solche Türken zu Wort, die Zweifel daran hegen, dass die Staatsanwaltschaft sich um eine Aufklärung des Falls bemüht hat. „Wir sind traurig, dass der Fall nicht aufgeklärt wurde“, wird der Vorsitzende des Ludwigshafener Ausländerbeirats zitiert. „Möge Gott keinem Volk solche Qualen zumuten.“
Noch bevor das brennende Haus am Danziger Platz gelöscht war, wurde es damals zum Politikum. Und offenbart bis heute, wie dünn das Vertrauen vieler türkischstämmiger Menschen in die deutsche Gesellschaft ist. Der Brand weckte Erinnerungen an die Anschläge 1992 in Mölln und 1993 in Solingen – wieder, so schien es, hatten fremdenfeindliche Deutsche ihrem Hass auf Ausländer Luft gemacht. Schnell teilte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck damals mit – zu schnell für die aufgewühlten Gemüter -, dass es keinen Hinweis auf eine fremdenfeindliche Tat gebe. Nicht nur aus der Perspektive der Betroffenen war diese Befürchtung berechtigt: Immer wieder gibt es ausländerfeindliche Angriffe; die meisten Diskriminierungen aber finden im Alltag und unbemerkt von der Öffentlichkeit statt. Viele Türken fühlen sich hier nicht willkommen, viele sind nicht integriert. Als der türkische Ministerpräsident Erdogan die Trauernden in Ludwigshafen vier Tage nach dem Brand besuchte und die Gemüter beruhigen wollte, wurde er deshalb wie ein Retter von den Menschen empfangen.
Überhaupt nicht nachvollziehbar war jedoch, wie unreflektiert die türkischen Medien auf das Ereignis reagierten. In dem Bewusstsein, welch großen Einfluss sie als Meinungsbildner auf die türkische Öffentlichkeit in Deutschland haben, schütteten sie immer weiter Öl ins Feuer. Zeitungen wie die „Hürriyet“ sahen sofort Rechtsextremisten am Werk. „Ist das etwa ein neues Solingen?“, fragte die Zeitung auf ihrer Titelseite, darunter ein Bild des brennenden Hauses. Der türkische Fernsehsender „Show-TV“ zeigte vor dem Hintergrund der Brandbilder eine Deutschlandflagge mit einem Hakenkreuz. Die Zeitung „Yeni Safak“ nannte die deutschen Ermittler „Nazi-Kommission“. Die Zeitung „Türkiye“ titelte: „Jetzt verbrennen sie uns wieder“. „Die Deutschen assimilieren die Türken“, schrieb ein Kolumnist der „Hürriyet“, und „wo sie es nicht können, verbrennen sie sie“. Die Feuerwehr von Ludwigshafen sei spät eingetroffen, behauptete die Zeitung weiter. Obwohl sie nur fünf Minuten entfernt vom Unglücksgebäude stationiert sei, habe sie zwanzig Minuten bis zum Eintreffen gebraucht. Die Einsatzprotokolle der Feuerwehr zeigen das Gegenteil: Ihnen zufolge waren fünfhundert Personen und siebzig Einsatzfahrzeuge vor Ort.
Fest steht jedoch auch, dass am 3. Februar 2008 nur sieben Notrufe bei der Feuerwehr eingegangen sind, obwohl bei derart großen Bränden normalerweise immer mehrere Dutzend Personen den Notruf wählen. Dabei gab es Augenzeugen genug: Tausende von Menschen waren in der Innenstadt von Ludwigshafen unterwegs, um sich den Fasnachtsumzug anzusehen. Auf den Brand reagierten sie aber nicht.