Haymat

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Mehr als zwei Millionen Menschen türkischer Abstammung leben in Deutschland. Was sie beschäftigt, wissen wir zu wenig. Ihre Referenzpunkte liegen

Kurdisch im türkischen Parlament

| 3 Lesermeinungen

Die kurdische Sprache ist seit dem Militärputsch im Jahr 1980 im türkischen Parlament verboten. Jetzt hat ein Politiker das Unmögliche gewagt.

 Ein Politiker, der es wagt, in den heiligen Hallen des türkischen Parlaments Kurdisch zu sprechen? Das hatte seit dem Skandal im Jahr 1991, als Leyla Zana ihren Eid vor dem Parlament auf Kurdisch ablegte, niemand mehr gewagt. Kein Wunder: Seit dem Militärputsch im Jahr 1980 ist die kurdische Sprache im Parlament verboten, Gleiches gilt für den Schulunterricht und für offizielle Anlässe. Doch nun hat gestern wieder ein Politiker im Parlament das Wort auf Kurdisch ergriffen: Ahmet Türk, der Vorsitzende der prokurdischen Partei DTP.

Am 21. Februar sei der „Internationale Tag der Muttersprache“ gefeiert worden, der daran erinnere, dass jeder Mensch in seiner eigenen Sprache sprechen solle. „Niemand bestreitet die Tatsache, dass Türkisch die offizielle Sprache des Landes ist. Wir wollen, dass das Verbot endlich aufgehoben wird, Kurdisch zu sprechen. Deshalb werde ich jetzt meine Rede auf Kurdisch fortsetzen“, erklärte Türk und wechselte ins Kurdische. Das Verbot habe für viel Leid unter den Kurden gesorgt, sagte Türk in seiner Muttersprache und erinnerte an die vielen jungen Kurden, die während des Militärputschs im Jahr 1980 verhaftet worden sind. „Ihre Eltern, die nicht Türkisch sprachen, wollten bei Besuchen im Gefängnis auf Kurdisch mit ihren Kindern sprechen. Das durften sie aber nicht – sie verließen das Gefängnis mit gebrochenem Herzen“, sagte Türk. Doch von seinen Worten erfuhr die türkische Öffentlichkeit erst am nächsten Morgen. Denn der staatliche Fernsehsender TRT3, der die Parlamentsrede live sendete, schaltete die Übertragung sofort ab, als Türk ins Kurdische switchte.

Wie ernst ist es der Türkei mit ihrer Minderheitenpolitik? Viele von Erdogans Schritten in den vergangenen Monaten lesen sich als Versuch, die kurdische Bevölkerung des Landes endlich in die türkische Gesellschaft zu integrieren: Seit dem 1. Januar gibt es einen staatlichen Fernsehsender, Kanal TRT 6, der rund um die Uhr in Sorani und Zaza, den beiden von Kurden gesprochenen Sprachen des Landes, sendet. Und am vergangenen Samstag lobte Erdogan bei einer Wahlkampfrede – Ende März sind Kommunalwahlen in der Türkei – die ethnische Vielfalt des Landes: Zur türkischen Republik gehörten selbstverständlich auch die Kurden dazu. „Wir alle sind wichtige Elemente dieses Landes. Jeder von uns ist ein Bürger erster Klasse. Niemand ist wichtiger als der andere“, sagte er in der osttürkischen Stadt Diyarbakir. Später kündigte er an, dass seine Partei die Überführung des im Jahr 2002 in Frankreich verstorbenen Sängers Ahmet Kaya veranlassen wolle. Gegen den Sänger hatte es eine Medienkampagne gegeben, nachdem er angekündigt hatte, in seiner Muttersprache, auf Kurdisch, singen zu wollen. Das Wohlwollen vieler kurdischer Wähler war Erdogan damit gewiss. In den östlichen Provinzen ist die DTP von Ahmet Türk übrigens die große Konkurrentin von Erdogans Regierungspartei.

Türks Intervention in kurdischer Sprache wurde heftig kritisiert. Cihan Paçaci, der Generalsekretär der nationalistischen Partei MHP machte die Regierung für den Vorfall verantwortlich: Indem sie einen kurdischsprachigen Fernsehsender ermöglicht habe, habe sie den Weg für derartige Vorfälle geebnet. Abgeordnete der Oppositionspartei CHP verlangten, dass Türks Rede rechtliche Konsequenzen haben müsse. Gegenüber der Presse sagte Türk später, dass er den Parlamentssprecher nicht von seinem Vorhaben, die Rede auf Kurdisch zu halten, informiert habe. Es sei eine Parteientscheidung gewesen: „Ich habe über die Schönheit und den Reichtum von Sprachen gesprochen. Wenn der Ministerpräsident Kurdisch sprechen kann, dann kann ich das auch“, sagte Türk. Damit bezog sich der Politiker auf Erdogans Glückwünsche zum Sendestart von TRT 6: Der Ministerpräsident hatte Anfang Januar dem Sender auf Kurdisch gratuliert, mit den Worten: „Möge TRT 6 der Türkei Gutes bringen.“

Türk wird sich wahrscheinlich vor Gericht verantworten müssen. Gleichzeitig hat sich mit seiner auf Kurdisch gehaltenen Rede der Druck auf das Verfassungsgericht, die DTP zu verbieten – der Partei wird Nähe zur PKK nachgesagt -, erhöht. Die Chancen der AKP, die Kommunalwahlen Ende März auch im Osten des Landes zu gewinnen, wären damit drastisch erhöht.


3 Lesermeinungen

  1. RedBeret sagt:

    Auch wenn das Denken manchmal...
    Auch wenn das Denken manchmal schwer fällt, haben Sie vielleicht mal daran gedacht, dass auch die anderen 90% Staatsbürger der Türkei wissen wollen, was ein Ahmet Türk (DTP) da im Türkischen Parlament sagt? Tut mir Leid, aber ich und 65 Millionen andere Türken verstehen kein kurdisch, würden aber gerne verstehen was ein Ahmet Türk dort im Parlament oder in politischen Reden auf Veranstaltungen sagt. Daher liebe Frau Karen Krüger müssen politische Reden auch auf Türkisch gehalten werden. Dies gilt auch nur für politische Reden, daher sollte man (so wie in letzter Zeit häufig geschehen) dies auch nicht mit dem Staatssender TRT6, dieser sendet auf kurdisch, verwechseln. Da laufen Serien und Shows. Das sind also zwei paar Schuhe.
    Allein der Fairness gegenüber der absoluten Mehrheit der Bevölkerung, ist es daher gesetzlich verankert, dass Politik in türkischer Sprache zu geschehen hat. Dass sie hier in die Rhetorik der PKK verfallen (denn die DTP ist nichts anderes als der politische Arm der PKK) erschreckt mich doch sehr. Und bevor sie jetzt die DTP verteidigen, fragen sie sich mal wieso eine angeblich demokratische gewählte Partei wie die DTP bis heute den Terror der PKK nicht verurteilt hat? Willkomen in Demokratistan.
    Ich würde gerne mal ihr und das Gesicht anderer „Heuchler“ sehen, wenn ein Cem Özdemir bei Maybrit Illner mitten in seinen Äußerung 10 Sätze auf Türkisch spricht. Oder eine Frau Deligöz im Deutschen Bundestag. Dann machen Sie genau die Erfahrung wie sie 65 Millionen Türken in der Türkei mit den Äußerungen gewisser DTP Politiker gemacht haben. Null Verstehen.
    Minderheitenrechte Ja, Freie Sprachausübung Ja, aber bei politischen Reden sollte jeder türkische Staatsbürger, egal welcher Herkunft, das Recht haben zu verstehen was dort gesagt wird.
    Viele Grüße

  2. Portekiz sagt:

    Es ist den meisten immer noch...
    Es ist den meisten immer noch nicht bewusst, was der Vorsitzende der DTP mit seiner Tat bezweckt hat. Viele reden von einer Provokation, aber es ist eigentlich egal wie man es nennen möchte. Herr Türk hat sein Ziel bereits erreicht, indem wir uns im Ausland über seine Tat Gedanken machen und einen solchen Bericht kommentieren.
    Auch wenn die Amtssprache Türkisch ist, warum muss ein TV-Sender deswegen die Übertragung abbrechen? Bedurfte diese Lappalie einer Zensur? In unserem sozialen Land hätten sich die Medien um eine solche Übertragung gerissen!
    Was immer wieder erwähnt wird, ist die Sympathie der DTP und der Kurden zur PKK, die als terroristisch eingestuft wird. Warum stellen sich Minderheiten, wie Kurden und Zazas hinter einer terroristischen Organisation? Die Voraussetzung für eine solche Unterstützung ist wohl die fehlende Hoffnung, ihre politischen und sozialen Forderungen mit politischen und rechtlichen Mitteln erreichen zu können.
    Herr Türk, hat uns nur etwas über die sozialen Forderungen der Kurden erzählen wollen. Beispielsweise dürfen in der Türkei die Kurden und Zazas ihre Muttersprachen nicht mal als Fremdsprache im örtlichen Schulunterricht anbieten. Plakate oder Zeitschriften mit einem nicht türkischen Alphabet dürfen nicht erscheinen, ein gutes Beispiel hierfür ist die „Newroz“-Feier, bei der für ihre Ankündigung auf Plakaten kein „w“ verwendet werden darf.
    Auf diese, für uns simplen, sozialen Forderungen der Kurden möchte uns Herr Türk hinweisen.

  3. sunsamu sagt:

    Nur und ausschliesslich der...
    Nur und ausschliesslich der Führer allesr Türken, Herr Erdogan durfte in Köln, Deutschland auf Türkisch SEINE Landsleute zur Integrationsverweigerung aufrufen.
    Das Leugnen des Genozids an den Armeniern ist in der Türkei gesetzlich vorgeschrieben. Heerscharen von türkischen Staatsbeamten bemühen sich im religiös getarnten Verein Ditib in Deutschland, politische Interessen des türkischen Staates durchzusetzen. Anhänger der „Grauen Wölfe“ marschieren in unseren Städten und grölen ihre faschistischen Parolen. Wehe, jemand käme auf die Idee, in den Moscheevereinen in Deutschland dürfe NUR AUF DEUTSCH gepredigt und gebetet werden. Oder sogar ins Grundgesetz schreiben: die Sprache in Deutschland ist Deutsch. So, wie es in der türkischen Verfassung für die Türkei steht….Meine türkischstämmigen Mitbürger, liebe türkischen Gäste! Etwas weniger Extrem-Nationalismus würde Eurem Ansehen NICHT SCHADEN!

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